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08.06.18 / Mehr als eine Krimi-Lady / Zum 125. Geburtstag von Dorothy L. Sayers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-18 vom 08. Juni 2018

Mehr als eine Krimi-Lady
Zum 125. Geburtstag von Dorothy L. Sayers
Matthias Hilbert

Dorothy L. Sayers, am 13. Juni 1893 in Oxford als Tochter eines anglikanischen Geistlichen geboren, war in vielerlei Hinsicht eine ungewöhnliche Frau. Sie schuf nicht nur Klassiker der Kriminalliteratur wie „Der Glocken Schlag“ oder „Aufruhr in Oxford“, sondern war zugleich auch eine bekenntnisfreudige Christin. Ihre geistlichen Dramen wurden bei den Festspielen in Canterbury aufgeführt, und ihre 1941/42 in der BBC ausgestrahlte zwölfteilige Hörspielfolge über das Leben Jesu („Zum König geboren“) war eines der ganz großen Hörfunkereignisse in England in der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Viel Beachtung erhielten aber auch ihre scharfsinnigen Essays zu gesellschaftlichen und religiösen Themen sowie ihre glänzende Übersetzung von Dantes „Göttlicher Komödie“.

Als Dorothy Sayers sich dem noch jungen Genre der Kriminalliteratur zuwandte, waren vor und neben ihr bereits andere Autoren auf diesem literarischen Feld höchst erfolgreich aufgetreten. Etwa Arthur Conan Doyle mit seiner legendären Sherlock Holmes-Figur. Oder Agatha Christie mit der unvergessenen Hobby-Ermittlerin Miss Marple. Aber auch G. K. Chesterton mit seinem pfiffigen Father Brown ist hier zu nennen. Und auch Sayers Protagonist ist ein Amateurdetektiv, der es wie seine prominenten Kollegen zu großer Popularität bei den Lesern bringen sollte: der blaublütige Peter Wimsey, distinguiert und hochgebildet und mit einem gehörigen Schuss Exzentrik versehen.

Sayers scheint irgendwie prädes­tiniert gewesen zu sein für diese Form der Literatur. Jedenfalls ließ sie einmal eine Freundin wissen: „Ich war schon als Kind ein äußerst robustes kleines Biest und legte Wert darauf, dass man mir alle blutrünstigen Details vorlas, sehr zum Schrecken meiner Eltern.“ Doch „blutrünstig“ sind Sayers Kriminalromane nicht gerade zu nennen. Sie zeichnen sich aber durch einen raffinierten Handlungsverlauf aus und sind reich an witzigen und intelligenten Dialogen. Die Autorin versteht es ausgezeichnet, die Charaktere ihrer Romanfiguren differenziert und psychologisch genau darzustellen.

Bei ihren auch heute noch lesenswerten Essays nahm Sayers billigend in Kauf, dass sie sich mit ihren nicht immer bequemen Ansichten natürlich auch Kritik einhandelte. Andererseits erwarb sie sich mit ihren engagierten Einwürfen auch Respekt. Der bekannte Theologe Karl Barth attestierte ihr in einem Brief: „Sie sagen uns nicht nur Dinge, die man von Großbritannien her selten zu hören gewohnt ist. Sie sagen sie auch in einer Weise, die geeignet ist, auch bei uns Nachdenken und Aufmerksamkeit zu erregen.“

Sayers, die am 17. Dezember 1957 an einem Herzschlag verstarb, äußerte in ihren engagierten Essays Gedanken, die auch heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Etwa wenn sie monierte, dass die Werbung bei den Verbrauchern immer neue Bedürfnisse wecke, sodass – im Gegensatz zu früheren Zeiten – Sparsamkeit und Zufriedenheit nicht mehr als Tugenden zählen würden. Sie spricht von einem „wütendem Sperrfeuer der Werbung“, das die Menschen „zu einem gierigen Verlangen nach Gütern bringt, die sie in Wirklichkeit gar nicht brauchen“. Dadurch werde „jeder Sinn für Wertvolles, Einzigartiges und Unersetzliches zerstört“.