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08.06.18 / Fragen von Leben und Tod / Roboter-Autos, Teil II: Gravierende ethische Probleme bleiben ungelöst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-18 vom 08. Juni 2018

Fragen von Leben und Tod
Roboter-Autos, Teil II: Gravierende ethische Probleme bleiben ungelöst
D. Jestrzemski

Überraschend kündigte die britische Regierung im März dieses Jahres an, in Großbritannien bereits ab 2019 vollautonome Roboterautos auf ausgewählten Strecken zuzulassen. Ab 2021 soll die Zulassung für den Alltagsverkehr ohne Einschränkung gelten. Damit erlaubt das Inselreich als erstes Land der Welt den Einsatz von selbstfahrenden Elektroautos ohne Fahrerassistenz im Alltagsverkehr. 160 Millionen Pfund (gut 180 Millionen Euro) will die Politik in den für das automatisierte Fahren notwendigen Aufbau des ultraschnellen 5G-Mobilfunknetzes stecken. Bereits 2020 soll die sogenannte fünfte Generation des Mobilfunks marktreif sein.

Nach wie vor aber schieben die zehn in dieser Sparte führenden Autobauer das vielleicht größte Problem für die Einführung der Roboterautos vor sich her, nämlich das Misstrauen der meisten Bürger gegenüber der auf die Straße gebrachten Künstlichen Intelligenz (KI). Mehr oder weniger wirkungslos sind bislang die Beteuerungen verhallt, dass maschinengelenkte Pkw, Lkw und Busse weitaus weniger Unfälle verursachen würden als von Menschen gesteuerte Fahrzeuge. Umfragen in den Vereinigten Staaten zeigen, dass 78 Prozent der Befragten der neuen Technologie nicht trauen, während lediglich 19 Prozent nach eigener Aussage keine Vorbehalte haben. 

Ähnlich sieht es in Deutschland aus, wie der aktuelle „Technik Radar“ erweist, eine repräsentative Umfrage des Zentrums für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung (Zirius) im Auftrag von Acatech und der Körber-Stiftung. Die Menschen haben begriffen, dass nach Google, Facebook und der Handykamera mit KI weitere, wesentliche Veränderungen durch die Digitalisierung auf sie zukommen, aber sie trauen den Unternehmen und der Politik nicht zu, den technologischen Wandel verantwortungsvoll zu gestalten. 

Mehr als 80 Prozent äußerten Zweifel an der Zuverlässigkeit von autonomen Fahrzeugen, und nur 16,2 Prozent der Autofahrer können sich vorstellen, die Verantwortung an ein lenkradloses, selbstfahrendes Auto abzugeben. Gerade einmal zehn Prozent der Bürger haben eine genauere Vorstellung davon, was ein Algorithmus, der Kern aller Dienste durch KI, überhaupt leistet.

Den Politikern muss es zu denken geben, dass sich 90 Prozent der Befragten der Digitalisierung ausgeliefert fühlen. Dabei behauptet gut jeder Zweite, Interesse an Technik zu haben. Die Vizedirektorin beim Deutschen Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet, Joanna Schmölz, erkennt laut „Handelsblatt“ Handlungsbedarf seitens der Politik. Problematisch sei wieder einmal, dass die Unternehmen, die die Kriterien für digitale Produkte und algorithmengesteuerte Entscheidungen bestimmen, zumeist nicht in Europa sitzen. Bundesregierung und EU hätten diese Unternehmen nicht klar darauf festgelegt, dass sie sich trotzdem an europäische Werte und Gesetze halten müssen. 

Bei der Einstellung der Bürger zum automatisierten Fahren schlägt zu Buche, dass sich Autobauer, Politiker und Sozialwissenschaftler in der ganzen Welt nach mehr als zehn Jahren bei einem wesentlichen Punkt, nämlich einer „Ethik“ für Robo­terautos, nicht einigen konnten. Die Kardinalfrage lautet: Wie soll man die Algorithmen dieser Fahrzeuge programmieren, damit diese Maschinen bei einem unvermeidbaren schweren Verkehrsunfall eine Entscheidung über Leben und Tod fällen, mit der die Gesellschaft anschließend zurechtkommen kann? 

Noel Sharkey, emeritierter Professor der Universität Sheffield (England), warnt seit Jahren vor der Möglichkeit des Missbrauchs von Robotern als Waffe. Terroristen könnten Roboterautos durch einen Cyberangriff entführen und als Waffe missbrauchen. Sharkey sagt, es verbiete sich, im Zusammenhang mit Roboterautos von „Ethik“ zu sprechen. Selbstfahrende Autos wären auch nichts anderes als eine tödliche Waffe, wenn sie, entsprechend programmiert, in einer kritischen Situation mit potenziellen Opfern einen bestimmten Menschen überfahren, damit andere verschont bleiben. 

In der Gesellschaft gebe es das Bedürfnis, in einer solchen Situation Kinder gegenüber Erwachsenen zu bevorzugen. Dass eine Maschine jedoch derartige Entscheidungen treffen soll, löse extremes Unbehagen aus. Im Klartext: Es ist eine Horrorvorstellung. In der jüdischen Religion verbietet das Gesetz, verschiedene Leben gegeneinander abzuwägen. Es ist höchste Zeit, dass auch die christlichen Kirchen gegenüber diesem Dilemma klar Position beziehen. 

Auf jeden Fall wollen die Leute mitreden, betonte der syrische Professor Iyad Rahwan vom Massachusetts Institute of Technology in Boston (USA) im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Schließlich seien sie betroffen, auch als Kunden, die überzeugt werden müssen, ein Auto zu fahren oder sich in ein Robotertaxi zu setzen.