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08.06.18 / Verzichten liegt im Trend / »Ein Jahr ohne ...« findet immer mehr Nachahmer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-18 vom 08. Juni 2018

Verzichten liegt im Trend
»Ein Jahr ohne ...« findet immer mehr Nachahmer
S. Sieckmann

Hin und wieder haben die sozialen Medien für Männer auch Vorteile. Es erspart ihnen die Einkaufsqual in den Bekleidungsgeschäften mit den Ehefrauen. Bei Facebook starteten sparsame Frauen jetzt die Kampagne „Ich mach mit bei einem Jahr ohne Klamottenkauf“. Die Regeln lauten: Es darf geflickt werden, und auch das Tauschen ist erlaubt. Sollte eine Teilnehmerin also zunehmen und der Rock nicht mehr passen, darf sie mit einer Freundin, Nachbarin oder anderen Teilnehmerin ein Kleidungsstück tauschen. Ebenfalls erlaubt ist es, Kleidung selbst zu nähen.

Buchtitel, die mit „Ein Jahr ohne…“ beginnen, sind Kassenschlager, unabhängig davon, ob es um die Erfahrung geht, ein Jahr ohne Geld, ohne Arbeit, ohne Wohnung oder ohne Alkohol auszukommen. Nicht nur in den Buchhandlungen begeistert das Thema Verzicht sein Publikum, auch in den sozialen Medien sorgt das „ohne“ für Aufsehen. Da wird das Thema dann gleich zu einer „Challenge“ genannten Herausforderung, für die Mitstreiter gesucht werden.

Wie bei dem guten Vorsatz, mit dem Rauchen aufzuhören, ist der Hintergedanke: Allein fällt es schwer, in der Gruppe ist es leichter. Außerdem lässt es sich besser verzichten, wenn der Verzicht nicht aus einer Notlage heraus, sondern aus der Sinnhaftigkeit der Überzeugung heraus umgesetzt wird. Je mehr Nachahmer man für das Vorhaben begeistern kann, desto stärker ist die positive Wirkung.

Ein Jahr ohne Produkt-Einkauf und ein Jahr ohne neue Kleidung sind zwei besonders auffällige Herausforderungen. Das bedeutet aber nicht, dass kein Gegenstand ersetzt werden darf. Schenken beziehungsweise kostenlos erhalten ist ebenso erlaubt wie tauschen, reparieren und wiederherstellen. Ist das Fahrrad kaputt, darf man es reparieren oder mit dem Nachbarn einen Handel abmachen: Du reparierst mein Fahrrad, ich leihe dir dafür im Gegenzug meinen Wagen für das Wochenende. Damit wird nicht nur der Konsum eingedämmt, auch die Kommunikation, das Miteinander mit den Mitmenschen, wird gestärkt – und damit der Zusammenhalt. Die Verzicht-Gemeinschaften sind gerade deshalb derzeit im Aufwind.

Am Ende geht es darum, die Sinne für den ständigen Produkt-Neukauf zu sensibilisieren und Produkte länger zu nutzen. Ein Aufruf, die Konsumgesellschaft in einigen kleinen Bereichen bewusster zu gestalten.

Während die Marketing-Profis das soziale Netz als Verkaufs-Plattform entdeckt haben und lobpreisen, startet die Leserschaft mit dem Thema Verzicht einen Siegeszug gegen den Konsum-Wahn. Eine interessante Entwick­lung, die für den außenstehenden Betrachter Unterhaltungswert hat. Auf der entsprechenden Seite der Aktion werden zum Teil völlig unpassende Werbe-Anzeigen platziert, die zum Kaufen verleiten sollen. Wer hier stark bleibt, hat gewonnen.