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08.06.18 / Aus den Anfängen der Weimarer Republik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-18 vom 08. Juni 2018

Aus den Anfängen der Weimarer Republik
D. Jestrzemski

Im September 1918 und Anfang Januar 1919 lösten in Berlin drei brutale Raubmorde Entsetzen aus. Zweimal hatte es der Täter auf Geldbriefträger abgesehen, einmal war eine Frau in ihrer Mietwohnung das Opfer, wobei aber offenbar der Zufall eine Rolle spielte. Erst nach dreieinhalb Jahren konnten die Verbrechen nach einem fehlgeschlagenen Mordversuch in Dresden aufgeklärt werden. 

Der Journalist und Schriftsteller Helmut Böger hat den spektakulären Kriminalfall und seine Aufklärung minutiös recherchiert. In seinem reich bebilderten Buch mit dem Titel „Mord im Adlon. Die wahre Geschichte eines mörderischen Hochstaplers“ erzählt er die Chronik der von einem Einzelgänger kaltblütig geplanten Taten vor dem Hintergrund politischer Unruhen und wirtschaftlicher Nöte der damaligen Zeit. Was durch das Geständnis des Täters über dessen Tatmotiv bekannt wurde, war so abstrus und außergewöhnlich, dass Gerhart Hauptmann daraus Anregungen für sein Drama „Herbert Engelmann“ schöpfte. Der arbeitslose Täter hielt sich wahnhaft für einen begnadeten Dramatiker „wie Goethe und Schiller“, brauchte Geld zur Durchführung seines Lebenswerkes. 

Geldbriefträger zu sein war ein durchaus riskanter Beruf, da die Geldübergabe meist in den Wohnungen der Empfänger stattfand. Was bei dem Mord vom 2. Januar 1919 besonderes Aufsehen erregte, war der Tatort. Im vornehmen Hotel Adlon direkt am Brandenburger Tor wurde ein Geldbriefträger in einem Hotelzimmer erdrosselt aufgefunden. Der Zimmergast hatte sich als ein Baron Winterfeldt ausgegeben und war bereits abgereist. Die „BZ am Mittag“ berichtete in dem Zusammenhang von einem obskuren anonymen Brief, gerichtet an Lorenz Adlon und andere Berliner Geschäftsleute. Sie waren vor einem unmittelbar bevorstehenden Putsch der Spartakisten gewarnt und dazu aufgefordert worden, ihre Bankguthaben per Zahlkarte an die eigene Adresse zu schicken. Zur Aufklärung der Morde trug dieser Hinweis aber nicht bei und auch nicht die abgenommenen Fingerabdrücke des Mörders. 

Erst im Juli 1922, nach dem fehlgeschlagenen Dresdener Mordplan, konnte der Mörder, ein gewisser Wilhelm Blume mit diversen Alias-Namen, festgenommen werden. Anschließend trat der seinerzeit erfolgreichste Ermittler auf den Plan, Kriminalkommissar Ernst Gennat. Ihm widmet der Autor besondere Aufmerksamkeit. 

Im Verlauf des Verhörs gestand Blume die drei Morde in Berlin. Wenig später war er tot. Am 12. August 1922 schnitt er sich im Dresdener Gerichtsgefängnis mit einer Rasierklinge die Pulsadern auf und verblutete. Böger skizziert das Psychogramm eines Mannes mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die sich unter anderem durch extreme Gefühlskälte und maßlose Selbstüberschätzung manifestierte. Im März 1922 war ein Theaterstück von ihm in Dresden uraufgeführt und von den Kritikern verrissen worden. Dass die Persönlichkeit und der gebrochene Lebenslauf dieses einsamen Wolfs an den jungen Adolf Hitler erinnern, müsste auch dem Autor aufgefallen sein. Erwähnt hat er es nicht. 

Hauptmanns Drama „Herbert Engelmann“ aus dem Jahr 1923 gelangte zu seinen Lebzeiten nicht zur Aufführung. Jahre später bearbeitete sein Freund Carl Zuckmeyer das Stück. Bei der Premiere am 8. März 1952 am Akademietheater in Wien spielte O.W. Fischer die Hauptrolle. 

Das ansprechend gestaltete Buch mit kurzen, pointiert ausgearbeiteten Kapiteln ist ziemlich schnell durchgelesen, vermittelt aber dennoch über das Buchthema hinaus einen nachhaltigen Eindruck von den Anfangsjahren der Weimarer Republik.

Helmut Böger: „Mord im Adlon. Die wahre Geschichte eines mörderischen Hochstap-lers“, Elisabeth Sandmann Verlag, München 2018, gebunden, 136 Seiten, 19,95 Euro