27.04.2024

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15.06.18 / Jan Heitmann: / Chance vertan

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-18 vom 15. Juni 2018

Jan Heitmann:
Chance vertan

Man muss lange zurückdenken, um sich an die Debatten im Bundestag zu erinnern, die mit Herzblut, geistreicher Rhetorik und um der Sache willen geführt wurden. In Zeiten der Dauer-Groß-Koalition sind sie längst dem beliebigen Einerlei der Meinungen, der entleerten Phrase und damit der gepflegten Langeweile gewichen. Dienten die Reden früher noch dem Bemühen, den politischen Gegner zu überzeugen, sind sie zu reinen Verlautbarungen verkommen. Denn zu beraten gibt es im Plenum nichts mehr. Das ist längst in den Ausschüssen geschehen. Der „Pulsschlag des Staates“, als den die Publizistin Hannah Arendt den Wettstreit der Worte im Parlament einmal bezeichnete, hat sich dramatisch verlangsamt. Erst, seit die AfD den Diskurs in den Bundestag zurückgebracht hat, ist er überhaupt wieder fühlbar.

Die direkte Befragung der Kanzlerin im Plenum hätte eine Sternstunde des Parlamentarismus in der „Berliner Republik“ werden können. Sie hätte für das Parlament die Chance sein können, wieder als zentraler Ort der Politik, als Herzkammer der Demokratie wahrgenommen zu werden. Doch das ist gründlich danebengegangen. Schon allein das Format ist ungenügend. Eine vorgegebene Regie, in der Länge beschränkte Fragen und Antworten und die fehlende Möglichkeit der Nachfrage haben es Merkel leicht gemacht, sich mit nichtssagenden Floskeln aus der Affäre zu ziehen. Noch leichter hat es ihr die Opposition gemacht. Sie hat überwiegend windelweich und unpräzise gefragt und den Schlagabtausch gescheut. So ist es ihr nicht einmal ansatzweise gelungen, die Regierungschefin in die Ecke zu drängen. Hier wurde eine große Chance vertan, den Parlamentarismus wieder mit Leben zu erfüllen.