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15.06.18 / Kein propagandistischer Selbstläufer / Kanzlerin kommt auf Initiative von Theo Waigel zum Landtagswahlkampf nach Bayern – CSU-Spitze nicht erfreut

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-18 vom 15. Juni 2018

Kein propagandistischer Selbstläufer
Kanzlerin kommt auf Initiative von Theo Waigel zum Landtagswahlkampf nach Bayern – CSU-Spitze nicht erfreut
Florian Stumfall

Der frühere Bundesfinanzminister und CSU-Vorsitzende Theo Waigel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Wahlkampf nach Bayern eingeladen, denn im September gibt es weiß-blaue Landtagswahlen. Zwei Dinge sind es, die den Waigel’schen Vorstoß über die Bedeutung einer Randnotiz erheben.

Da ist zunächst der Urheber selbst, ein Aperçu eigentlich nur. Er war während seines ganzen politischen Lebens und ist jetzt noch die Verkörperung einer überaus seltenen Erscheinung in der CSU: der schmerzlichen Sehnsucht nach der Schwesterpartei. Gut, wenn ein Wähler in Nürnberg oder Rehau die CSU ankreuzt, weil es die CDU in Bayern nicht gibt, dann ist das eine Sache. Wenn aber ein Vorsitzender seine Partei so behandelt, als sei sie ein CDU-Landesverband, dann ist das etwas anderes, und so war es bei Waigel. Ihm hat die CDU, hat vor allem Helmut Kohl unbändig imponiert, und der Atem der großen Welt in Bonn war für ihn die politische Erfüllung. Seine Verehrung für Kohl hat er auf Merkel übertragen, und die rangiert für ihn über der Parteiraison der CSU.

Diese wiederum, und das ist Punkt zwei, hat in ihren Führungsgremien beschlossen, auf einen Besuch der Kanzlerin im Wahlkampf zu verzichten. Die offizielle Begründung lautet, man fürchte Missfallenskundgebungen bei ihrem Auftritt und das wolle man ihr ersparen. Tatsächlich allerdings scheint die Überlegung bei dem taktischen Entschluss Pate gestanden zu haben, dass man sich in Bayern als CSU mit der Kanzlerin deshalb lieber nicht blicken lassen will, weil man das Missfallen der Wähler für sich selbst fürchtet. Egal – im Effekt läuft es auf dasselbe hinaus.

Diese Überlegungen beruhen auf der Erkenntnis, dass das wachsende Problem mit den Immigranten noch auf lange Zeit hinaus bei allen kommenden Wahlen eine große Rolle spielen wird, und natürlich ganz besonders auch in Bayern. Immerhin bekleidet  der derzeitige Vorsitzende der CSU, Horst Seehofer, das Amt des Bundesinnenministers, ist also für unermessliche Schwierigkeiten zuständig und wird vom politischen Gegner, auch wenn es Logik und Redlichkeit verbieten, für alles verantwortlich gemacht.

Niemandem ist das deutlicher bewusst als Seehofer selbst und so hat er nicht viel Zeit verstreichen lassen, bis er einen „Masterplan“ in Sachen Asyl-Politik vorlegte. Dieser Plan umfasst 63 Punkte, die dazu dienen sollen, die Asyl-Politik „grundlegend zu überarbeiten“, wie Seehofer sagt. Dazu gehören Dinge, die viele Menschen als selbstverständlich empfinden, etwa, dass Zuwanderer ohne Papiere an der Grenze abgewiesen werden. Bei Touristen macht man es schließlich ebenso.

Auch will man – neuerdings – verhindern, dass abgewiesene und dann abgeschobene Asylbewerber ein weiteres Mal nach Deutschland einreisen. Ebenso soll die Mitwirkungspflicht von Asylanten bei der Klärung ihrer Lebensumstände verschärft werden, und was die Ausstattung der Antragsteller angeht, so plant Seehofer, Geldzahlungen zu streichen und ganz auf Sachleistungen umzustellen. Die Ankerzentren sind von dem Masterplan nicht berührt, sie sind Bestandteil des Koalitionsvertrages. Was unter anderem darüber hinausgeht, ist die Absicht, die Länder Marokko, Algerien und Tunesien sowie Georgien für sichere Herkunftsländer zu erklären. „Und es gibt auch sichere Regionen in Krisenländern wie Irak und Afghanistan, in die abgelehnte Asylbewerber durchaus zurückgeschickt werden können“, so der Minister.

Der Masterplan gehe, erläuterte Seehofer weiter, vor allem deshalb über die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag hinaus, „weil es die aktuelle Lage erfordert“. Diese Woche hätte das Konzept vorgestellt werden sollen, aber die Kanzlerin hat es hintertrieben. In stilistisch kritikwürdiger Weise nutzte sie eine Fernsehsendung, um ihrem Innenminister für seinen Plan eine Abfuhr zu erteilen. Deutschlands Grenzen, wiederholte sie, seien nicht kontrollierbar, und das sagt sie Stunden vor dem Besuch des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz, der vorexerziert, dass Kontrolle durchaus möglich ist. Seehofer verschob daraufhin die Präsentation des Masterplanes. Der Vorgang bedeutet nichts anderes, als dass die CDU-Kanzlerin zusammen mit dem Koalitionpartner SPD sowie den Oppositionellen von Grünen und Linkspartei Front macht gegen ihren CSU-Innenminister.

Wie schwach Merkels Position in der Sache ist, zeigt ihr wiederholter Verweis auf europäisches Recht. Denn punktgenau danach müsste ja Immigranten, die durch ein sicheres Drittland nach Deutschland kommen, ein Asyl verweigert werden. So steht es im Vertrag von Dublin, den indes Merkel peinlichst übersieht. Man könnte meinen, sie sei unter anderem von ihrem politischen Instinkt verlassen worden.

Wenn sie aber beteuert, sie wolle dafür sorgen, dass abgelehnte Asylsucher schneller abgeschoben werden, so ist das nichts anderes als das, wofür Seehofer bereits Maßnahmen vorgelegt hat. Das ist natürlich nichts anderes als eine unverbindliche Redensart. Freilich hält sie für ihre bisherige gemächliche Gangart eine Ausrede parat: Es liege an manchen Bundesländern, dort sei mit der Idee der Ankerzentren oftmals nicht leicht durchzudringen, so Merkel sinngemäß.

Wie auch immer, die Kanzlerin kommt während des Landtagswahlkampfes nach Bayern, Waigel sei es gedankt. Allerdings scheint er selbst nicht ganz zu übersehen, dass das kein propagandistischer Selbstläufer sein wird. Also wird der Schwerpunkt des Programms auf einem Konzert in einer berühmten oberschwäbischen Basilika liegen, umrahmt von einer europapolitischen Plauderei, wie es sich abzeichnet aber eher in kleinem Rahmen. Denn auch die Europa-Politik hat derzeit beim Publikum nicht gerade Hochkonjunktur.