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15.06.18 / Neubauten durch Neues Bauen / Der verkannte Bauhäusler Carl Fieger – Eine Ausstellung über den Architekten macht Werbung für das Bauhaus-Jahr 2019

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-18 vom 15. Juni 2018

Neubauten durch Neues Bauen
Der verkannte Bauhäusler Carl Fieger – Eine Ausstellung über den Architekten macht Werbung für das Bauhaus-Jahr 2019
Martin Stolzenau

2019 begehen Weimar, Dessau und Berlin den 100. Ge­burtstag des Bauhauses. Dafür entstehen in den drei Bauhausstädten neue Museen. Zu­dem ist ein abgestimmtes Veranstaltungskonzept für dieses Jubiläum in Arbeit. Um bei den Besuchern Heißhunger zu entfachen, bietet man schon jetzt einen Vorgeschmack auf das kulturelle Großereignis an. 

Noch bis zum 31. Oktober zeigt die „Stiftung Bauhaus Dessau“ im Vorfeld des Jubiläums für rund sieben Monate eine im gewissen Sinne vorbereitende Sonderausstellung unter dem Titel „Carl Fieger. Vom Bauhaus zur Bauakademie“. Damit erlebt ein fast vergessener Bauhäusler seine Wiederentdeckung, der als Zeichner, Möbeldesigner, namhafter Architekt sowie Bauhauslehrer überliefert ist, in Weimar sowie Dessau zu den wichtigsten Mitarbeitern von Walter Gropius gehörte und an „zahlreichen ikonischen Bauten der Moderne beteiligt“ war.

Fieger wurde am 15. Juni 1883 in Mainz geboren. Seine betuchten Eltern ermöglichten dem architekturinteressierten Jungen nach dem Schulabschluss an der Baugewerk- und Kunstschule in Mainz ein Studium zum Hochbau- und Innenarchitekten. 1911 übernahm der damals schon be­rühmte Architekt Peter Behrens den jungen Kollegen in sein Architekturbüro. Fieger war unter Behrens am Innenausbau der Deutschen Botschaft in St. Petersburg beteiligt, lernte bei seinem Chef, dem Schweizer Architekten Le Corbusier, Walter Gropius kennen und wechselte noch 1912 in das private Architekturbüro von Gropius, wo er sich bis 1919 weiter vervollkommnete.

Als Gropius nach Weimar ging, kehrte Fieger in das Berliner Architekturbüro von Behrens zurück, wo er mit anderen späteren Bauberühmtheiten um den endgültigen Durchbruch rang. Als das Bauhaus nach der Gründung 1919 unter Gropius zu neuen Ufern eilte, erinnerte sich der Chef der Moderneschmiede an den brillanten Architekturzeichner und vielseitig veranlagten Kollegen. Er holte Fieger 1921 in die Klassiker- und Bauhausstadt, wo er am Bauhaus als Lehrer für architektonisches Zeichnen un­terrichtete und zusätzlich im privaten Baubüro des Bauhausgründers wirkte. 

Der Mitarbeiter aus Mainz wurde für Gropius bald unverzichtbar und fungierte als seine „rechte Hand“. Der Aufschwung in der deutschen Wirtschaft nach 1921 hatte auch die Auftragslage für das Architekturbüro von Gropius deutlich verbessert. Die Arbeit an den Gebäuden der Faguswerke in Alfeld wurde fortgesetzt, die Bauten für die Fabrik Kappe in Alfeld und das Haus Otte in Berlin entstanden. Alles unter Mitwirkung von Fieger, der sich 1922 zusammen mit Gropius und Adolf Meyer auch am weltweiten Architektenwettbewerb für das Bürohochhaus der „Chicago Tribune“ in den USA beteiligte.

Dann kam 1926 der erzwungene Wechsel des Bauhauses nach Dessau. Fieger folgte seinem Chef, war maßgeblich am Bauhausbau sowie an den Meisterhäusern be­teiligt, schuf in Dessau sein eigenes Wohnhaus im Stil der Moderne und fungierte am Dessauer Bauhaus weiter als Lehrer für Fachzeichnen im Rahmen der Baulehre. Das Haus Fieger entstand 1927 in der Südstraße auf quadratischem Grundriss mit halbrundem Treppenhaus sowie großzügiger Terrasse und innen mit einer hohen Raumeffektivität sowie Funktionalität. 

Ab 1929 wuchs unter seiner Regie in der Nachfolge eines alten Getreidespeichers an einem Knie der Elbe das neue Kornhaus als Ausflugsgaststätte für Dessau mit kubischen sowie runden Formen, die dem Elbprofil entsprachen, einer vorgelagerten Terrasse und einer „halbkreis-förmig vorkragend verglasten Veranda im Obergeschoss“. Ganz im Stil der Moderne. Dazu gesellte sich die Beteiligung am neuen Arbeitsamt in Dessau, einem weiteren richtungsweisenden Modernebau. Damit etablierte sich Fieger endgültig als hoffnungsvoller Vertreter des Neuen Bauens. 

Doch so richtig konnte er auch als zeitweiliger Leiter der Bauabteilung des Bauhauses aus dem Schatten seiner berühmten Kollegen nicht hervortreten. Dazu kam die Vertreibung der Hochschule aus Dessau, deren letzte Zeit in Berlin und das Berufsverbot für den Modernearchitekten Fieger nach 1933. Die zwölf Folgejahre wurden für ihn zur schwierigen Gratwanderung. Ihm gelang jedoch eine anonyme Weiterarbeit in verschiedenen ihm gesonnenen Architekturbüros in Berlin. Seine Sachkenntnis blieb gefragt.

Nach Kriegsende kehrte er nach Dessau zurück und war zunächst als Bausachverständiger sowie ehrenamtlicher Stadtbaurat an der Wiederaufbauplanung der zerstörten Stadt maßgeblich be­teiligt. Mehr noch: Er experimentierte mit kostengünstigen sowie materialsparenden Neubauten, entwickelte verschiedene Varianten eines variablen Haustyps und engagierte sich zusammen mit dem Bauhäusler Hubert Hofmann für eine Renaissance des Dessauer Bauhauses. Unter Fachkollegen und besonders für Richard Paulick galt Fieger als Kapazität. Paulick holte ihn deshalb 1952 nach Berlin, wo er als künstlerischer Mitarbeiter und Leiter der Meister-Werkstatt an der „Deutschen Bauakademie“ wirkte. 

Fieger brillierte, entwickelte den ersten in der DDR errichteten „Großplatten-Experimentalbau“ in Berlin-Johannisthal und muss­te nach 1953 infolge einer Erkrankung seine Ar­beit aufgeben. Nach Jahren im Krankenstand starb der Architekt am 21. November 1960 in Dessau. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Dessauer Friedhof III. Das recht bescheidene Grab blieb erhalten.

Nun präsentiert Dessau „entlang der großen Debatten der Architektur vom frühen Bauhaus und dem Werkbundstreit über Le Corbusiers Idee einer Wohnmaschine bis zur Formalismusdebatte in der DDR der 1950er Jahre“ die nächste Fiegerschau mit Zeichnungen, Entwürfen, Originalmöbeln einschließlich des „Fiegerstuhls“, Fotos sowie Architekturmodellen des Bauhäuslers. Damit ist, wie es heißt, „erstmals ein umfassender Einblick in das Gesamtwerk des Architekten“ möglich.


Bauhaus Dessau, Gropiusallee 38, geöffnet täglich 10 bis 17 Uhr, Eintritt: 8,50 Euro. Internet: www.bauhaus-dessau.de