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22.06.18 / Russen zeigen Präsenz / Zwei Ausstellungen gleichzeitig eröffnet – Erinnerung an russische Avantgarde in Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-18 vom 22. Juni 2018

Russen zeigen Präsenz
Zwei Ausstellungen gleichzeitig eröffnet – Erinnerung an russische Avantgarde in Berlin
Jurij Tschernyschew

Zwei Tage vor dem WM-Beginn in Russland wurden anlässlich der Feier „Tag Russlands“ in Berlin zwei völlig unterschiedliche Ausstellungen im Russischen Haus eröffnet. Die eine kommt aus dem WM-Austragungsort Königsberg [Kaliningrad], die andere weckt Erinnerungen an das „russische Berlin“. 

Den 12. Juni feiern die Russen als „Tag Russlands“ . An diesem Tag im Jahr 1990 wurde die Deklaration über die Souveränität der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik unterzeichnet. Im Volk wird das Datum als Tag der Unabhängigkeit Russlands gesehen. Anlässlich dieses Feiertags hat das Russische Haus der Wissenschaft und Kultur in der Berliner Friedrichstraße zwei völlig unterschiedliche Ausstellungen eröffnet, mit denen gleich eine doppelte Verbindung zwischen Deutschen und Russen symbolisiert wird. In beiden Ausstellungen haben die Organisatoren einen Akzent darauf gesetzt, dass die Geschichte und Kultur Russlands und Deutschlands sich einander oft in unerwarteter Weise ergänzt haben. Angesichts der Periode der nicht einfachen Beziehungen zwischen den Ländern hatten einige Aussagen der Redner einen besonders aktuellen und symbolischen Charakter. 

Die erste Ausstellung „Segel Russlands“ wurde von Königsberg aus nach Berlin gebracht. Der Fotograf Walerij Wassilewskij hat lange Reisen – darunter auch Weltreisen – auf verschiedenen Segelschiffen unternommen. In der Ausstellung werden seine Fotografien gezeigt, die an Bord der berühmten Segelschiffe „Krusenstern“, „Sedow“, „Pallada“ und „Mir“ aufgenommen wurden. Die Ausstellung ist die erste gemeinsame zwischen dem Russischen Haus in Berlin und dem Ozeanmuseum in Königsberg. Der Direktor des Russischen Hauses, Pawel Iswolskij, berichtete, dass er im vergangenen Jahr Swetlana Siwkowa, die Direktorin des Ozeanmuseums, kennengelernt habe, die dann nach Berlin gereist sei und mit ihm die künftige Zusammenarbeit abgesprochen habe. Diese Ausstellung solle „eine Plejade“ gemeinsamer Arbeiten nach sich ziehen, die in Berlin im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Königsberger Museum gezeigt werden sollen.

Der Künstler selbst war bei der Ausstellungseröffnung nicht zugegegen, da er bereits seine nächste Seereise angetreten hat. Das Museum wurde durch den Leiter der Abteilung, Alexander Gusnajew, und dessen leitenden Forscher Alexander Matwijez vertreten.

Bei der Begrüßung der Gäste sagte Matwijez: „Wir haben das Thema russische Segelschiffe gewählt. Segelschiffe sind Symbole für den Staat und sie sind die besten Diplomaten. Wenn sie ankommen, dann frösteln alle vor Freude, und die Menschen sehen in ihnen die Hoffnung auf etwas Großes und Schönes ... Seeleute unterstützen sich gegenseitig und helfen stets, denn wenn der Ruf ertönt ,Mann über Bord‘, eilen ihm alle zur Hilfe. Wir sitzen alle in einem Boot und dürfen es auf keinen Fall kentern lassen.“

Es wurde hervorgehoben, dass zwei der Großsegler, die heute in Russland äußerst bekannt sind, aus deutschen Werften stammen. „Die Familie der Seeleute kennt keine Grenzen, die Krusenstern und die Sedow wurden in Deutschland gebaut. Das ist eine Art Brücke zwischen den beiden Ländern“, unterstrich Matwijez. Die „Sedow“ wurde 1921 in Kiel gebaut und erhielt ursrpünglich den Namen „Magdalena Vinnen II“, und die „Krusenstern“ lief 1926 in Bremerhaven (damals Wesermünde) als „Padua“ vom Stapel.

Die zweite Ausstellung war Alexander Rodtschenko, einem Vertreter des Konstruktivismus, gewidmet. Seinen künstlerischen Weg und seine Ausbildung schlug Rodtschenko in Kasan ein. Es verwundert daher kaum, dass die Ausstellungsorganisatoren, die unabhängige gemeinnützige Organisation „Zentrum für soziale Projekte Divergent“ und „Studio 2A“ von dort kommen. Die berühmten grafischen Arbeiten Rodtschenkos fanden in der Ausstellung eine ungewöhnliche Reflexion in Kostümen und Gewändern sowie in Collagen.

Rodtschenko gilt als führender Vertreter der russischen Avantgarde in der Fotografie und Malerei der 1920er Jahre, obwohl sein Werk bei Zeitgenossen und Wissenschaftlern äußerst konträr aufgenommen wurde. Die Erste Russische Kunstausstellung Berlin 1922 zeigte Rodtschenkos Gemälde „Gegenstandslos“, „Konstruktion“, „Schwarze Komposition“, „Rote Farbe“, „Komposition“, „Suprematismus“ sowie einige Zeichnungen zu Architekturprojekten. 

Rodtschenko ist eines der seltenen Beispiele in der Kunst, dessen Werke breit bekannt und bei Sammlern und Galerieinhabern im Westen stark gefragt sind. Besonders beliebt ist Rodtschenko in Deutschland, wo insbesondere der Sammler Alex Lachmann sich um die Förderung seiner Werke bemüht ist.

Die Blütezeit der russischen Avantgarde der 1920er Jahre fiel mit der Massenemigration von Russen infolge der Revolution nach Berlin zusammen. Zeitweilig lebten fast 360000 Emigranten in der deutschen Hauptstadt. Besonders der Stadtteil Charlottenburg wirkte wie ein Magnet auf die russische Intelligenz. Der Romancier Andrej Belyj taufte ihn um in „Charlottengrad“. Es bildeten sich viele einzigartige soziokulturelle russisch-sprachige Zentren in der deutschen Hauptstadt, die Kulturszene erhielt einen starken Entwicklungsimpuls. Auch heute erfreut sich Berlin großer Beliebtheit bei Russen. Etwa 220000 russischsprachige Menschen leben in Berlin, 15000 bis 17000 in Charlottenburg. Neben der Zahl echter Auswanderer steigt die der Russen, die nur auf Zeit dort leben und zwischen Russland und Deutschland pendeln.