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22.06.18 / Weitere Ungereimtheiten zum NSU / Untersuchungsausschuss im Brandenburger Landtag wirft Schatten auf Verfassungsschutz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-18 vom 22. Juni 2018

Weitere Ungereimtheiten zum NSU
Untersuchungsausschuss im Brandenburger Landtag wirft Schatten auf Verfassungsschutz

Der NSU-Untersuchungsausschuss im Brandenburger Landtag bot am 11. Juni die Bühne für eine bemerkenswerte Zeugenbefragung. Zu einer stundenlangen Vernehmung geladen war Carsten Sz., unter seinem Decknamen „Piatto“ von 1994 bis zu seiner Enttarnung im Jahre 2000 Spitzenquelle des brandenburgischen Verfassungsschutzes. Neben zahlreichen Informationen zur Neonazi-Szene hatte „Piatto“ 1998 auch mehrmals Hinweise auf das Trio Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe geliefert, das später als NSU bekannt wurde. 

Die drei waren nach einer Durchsuchungsaktion in Jena am 26. Januar 1998 in die Illegalität abgetaucht. Rekonstruiert werden konnte, dass sich die per Haftbefehl Gesuchten zunächst nach Chemnitz absetzten. Der brandenburgische V-Mann Carsten Sz. wiederum unterhielt zur damaligen Zeit enge Beziehungen zu Akteuren der sächsischen „Blood & Honour“-Bewegung, die sich um das Trio kümmerten. Seinem V-Mann-Führer lieferte „Piatto“ erstmalig im August 1998 einen Hinweis auf das Trio. 

Im Laufe des Septembers folgten weitere Informationen zu Unterstützern des Trios, Pläne für Waffenbeschaffung und zu Banküberfällen. Brandenburgs Verfassungsschutz steht seit Bekanntwerden der Berichte unter Verdacht, die Informationen nicht weitergeleitet zu haben, um seine Spitzenquelle „Piatto“ vor Enttarnung zu schützen. Nach Erkenntnissen mehrerer Untersuchungsausschüsse und aufgrund von Aussagen im Münchner NSU-Prozess ist dieser Vorwurf jedoch kaum haltbar. 

Die Aussage eines Thüringer 

V-Mannführers in München deutet sogar darauf hin, dass aus Potsdam ein konkreter Hinweis auf Chemnitz als Wohnort des Trios nach Erfurt übermittelt wurde. Als sicher gilt zudem, dass Mitte September 1998 in Potsdam ein Treffen mit Verfassungsschützern aus Sachsen und Thüringen stattfand. Dabei ging es um die Frage, wie Informationen von „Piatto“ an die thüringische Polizei weitergegeben werden konnten. Die Frage, ob der Thüringer Verfassungsschützer am Abend des 16. September 1998 den Chef des LKA Thüringen über die brisanten Informationen aus Potsdam in Kenntnis gesetzt hat, ist bis heute nicht geklärt. 

Noch mehr Fragen wirft das Agieren des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) auf. Laut Aussagen eines Brandenburger Verfassungsschützers vor dem Potsdamer Untersuchungsausschuss wurden sämtliche Deck-blattmeldungen „Piattos“ an das BfV nach Köln übermittelt. Zudem war „Piatto“ 1998 nicht die einzige Quelle zu dem Trio. Informationen der Thüringer V-Leute Tino B. und Marcel D. müssten analog zu „Piattos“ genauso beim BfV gelandet sein. 

Zumindest in der Auswertung des BfV dürfte damit 1998 ein relativ gutes Gesamtbild zum späteren NSU-Trio vorgelegen haben. Kaum zur Entlastung der Bundesbehörde trägt der Umstand bei, dass kurz nach Auffliegen des NSU 2011 ein Beamter des BfV Akten zu V-Leuten im Umfeld des NSU vernichten ließ. Das Verfahren ist im Frühjahr gegen Geldbuße eingestellt worden. Als Motiv für die Aktenvernichtung hatte der Verfassungsschützer angegeben, dass die Zahl der V-Männer des Bundesamts in Thüringen in der Öffentlichkeit Fragen aufgeworfen hätte: „Die nackten Zahlen sprachen ja dafür, dass wir wussten, was da läuft, was aber nicht der Fall war“, so der Verfassungsschützer gegenüber der Bundesanwaltschaft. N.H.