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22.06.18 / Traumatisierter Maler / Reise durch die Provinz – Der aus Westpreußen stammende Expressionist Fritz Ascher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-18 vom 22. Juni 2018

Traumatisierter Maler
Reise durch die Provinz – Der aus Westpreußen stammende Expressionist Fritz Ascher
Helga Schnehagen

Seit Herbst 2016 reist die Ausstellung „Leben ist Glühn“ mit 80 Gemälden und Grafiken des Expressionisten Fritz Ascher durch Deutschland. Sie ist eine späte Hommage an den im Dritten Reich verfemten und verfolgten Künstler. In Os­nabrück eröffnet, wurde sie 2017 in Chemnitz, Berlin und Potsdam gezeigt, bevor sie derzeit noch bis zum 9. September im Hofgartenschlösschen von Wertheim zu sehen ist. Letzte Station des zweijährigen Marathons durch die Republik wird vom 30. September bis 25. November das Kallmann-Museum in Ismaning bei München sein. Danach sollen die Werke der von der New Yorker Fritz-Ascher-Society initiierten Schau zurück in die USA reisen.

Dass internationale Ausstellungen in die Provinz ziehen, spricht für die Qualität der dortigen Mu­seen. Die an Tauber und Main ge­legene alte gräfliche und fürstliche Residenzstadt Wertheim, Baden-Württembergs nördlichste Stadt, kann ihre adlige Vergangenheit nicht verleugnen. Bis heute ist das Schloss am gegenüberliegenden Mainufer im bayerischen Kreuzwertheim Sitz der Fürstenfamilie zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg. Für ihr Sommer-schloss mainaufwärts im heutigen Stadtteil Wertheim-Eichel aber hatten sie einen Abbruchantrag gestellt. 

Durch diverse Geldgeber sa­niert, beherbergt der spätbarocke Landsitz seit 2006 dank privater Stifter ein Kunstmuseum mit be­achtlichen Werken von der Ro­mantik bis Liebermann. Schwerpunkt sind die Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Skizzen namhafter Künstler der Berliner Secession, welche eindrucksvoll die große Spannbreite der um 1900 entstandenen mo­dernen Kunstströmungen vor Augen führen. Großstadtflair verbreiten darunter die Berlin-Bilder von Lesser Ury aus den 1920er Jahren: Straße mit Taxen und Schloss.

Der 1893 in Berlin geborene und dort 1970 gestorbene Fritz Ascher war ein Kind dieser von Im- bis Expressionismus geprägten Umbruchzeit. Vater Hugo, in Naugard in Westpreußen geboren, reüssierte als Zahnarzt, zog nach Berlin und erlaubte der Familie als Produzent von Aschers künstlichem Zahnschmelz ein Leben in Wohlstand. Sohn Fritz absolvierte be­reits als 16-jähriger bei Max Liebermann das Künstlereinjährige, studierte anschließend an der Kunstakademie Königsberg bei Ludwig Dettmann, kehrte um 1913 nach Berlin zurück, arbeitete als freischaffender Künstler und studierte weiter bei Lovis Corinth und Curt Agthe. Die Wertheimer Ausstellung zeigt erstmals auch Arbeiten seiner Lehrer.

Die Judenverfolgung des NS-Regimes machte dem sorglosen Schaffen ein jähes Ende. Drei Jahre lang versteckte sich Ascher im Keller einer der wenigen zerstörten Villen im Grunewald. Danach war er ein anderer. Traumatisiert und menschenscheu begann er, das Erlebte mit forschem Strich in Landschafts- und Blumenbildern zu verarbeiten. Ältere Bilder, vor allem Porträtdarstellungen, übermalte er. Zu kraftvollen Figurenszenen wie in seinen Gemälden „Golgatha“ von 1915 oder „Pferd und Reiter“ von 1916 fand er später nie wieder zurück.


Schlösschen im Hofgarten, Wert­heim-Eichel, geöffnet Dienstag bis Sonnabend von 14 bis 17 Uhr, sonntags von 12 bis 18 Uhr, Eintritt: 3,50 Euro, Internet: www.schloesschen-wert­heim.de. Kallmann-Museum, Ismaning, geöffnet Dienstag bis Sonntag 14.30 bis 17 Uhr. Internet: www.kallmann-museum.de.