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22.06.18 / Der historische Sieg des Dollar-Imperiums / In Bretton Woods haben die USA ihre Partner 1944 nach allen Regeln der Kunst übers Ohr gehauen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-18 vom 22. Juni 2018

Der historische Sieg des Dollar-Imperiums
In Bretton Woods haben die USA ihre Partner 1944 nach allen Regeln der Kunst übers Ohr gehauen
Nike U. Breyer

Am Ende des Zweiten Weltkriegs bestand die Chance, eine gerechtere Welt zu schaffen. Ein neues Währungs- und Handelssystem hätten es richten können. Aus Eigensucht haben die USA diese Chance unterlaufen.

Er droht mit Sonderzöllen auf ausgewählte Waren und mit dem Ausstieg aus internationalen Abkommen. Donald Trump und seine sprunghaften Äußerungen zum amerikanischen Handelsdefizit erleben die Europäer und vor allem die Deutschen als Albtraum. Dabei erscheinen dessen Drohungen, oberflächlich betrachtet, immer absurder. 

Tatsächlich sind sie das keineswegs. Und richtig spannend wird es, wenn man dafür die jüngere Geschichte der internationalen Handelsungleichgewichte in den Blick nimmt. Dabei verdient vor allem das Jahr 1944 und die legendäre Konferenz von Bretton Woods besondere Beachtung, wo unter amerikanischer Federführung nicht nur Weltbank und IWF aus der Taufe gehoben wurden, sondern auch aktiv die Weichen für die explodierenden weltwirtschaftlichen Probleme der Gegenwart gestellt wurden. Schauen wir zurück. 

Es war Walther Funk, Präsident der Deutschen Reichsbank und Reichswirtschaftsminister, der ab 1940 unter dem Eindruck des Krieges als erster ein Modell für die wirtschaftliche Neuordnung Kontinentaleuropas entwarf. Grundlegend neu war bei seiner Idee einer „Europäische(n) Wirtschaftsgemeinschaft“, dass eine künftige Währung nicht mehr durch Gold oder Silber gedeckt werden sollte, sondern durch „Arbeit“. 

Basis waren Tauschgeschäfte (Bartergeschäfte) zwischen Staaten, wobei die Reichsbank das Verhältnis der zu tauschenden Güter festlegte. Eine Wirtschaftsunion im Sinne einer weitergehenden Verflechtung der Teilnehmer war nur für wirtschaftlich ähnlich aufgestellte mittel- und nordeuropäische Staaten vorgesehen, darunter Niederlande, Dänemark, Frankreich, Finnland, während Funk etwa für Rumänien die Voraussetzungen dafür noch nicht gegeben sah. 

Grundzug von Funks Konzept war ein Handel ohne Geld – Devisen waren Mangelware –, das zwar den Güterwert objektiviert, über die Geldinstitute den Vorgang aber auch Fremdeinflüssen aussetzt. Die Pläne Funks wurden mit einigem propagandistischen Aufwand in Europa publiziert und fanden durchaus Anklang, auch bei dem englischen Ökonomen John Maynard Keynes. 

Von der britischen Regierung wurde Keynes beauftragt, ein Gegenmodell zu entwerfen. Da er an Funks Idee wenig zu bemängeln hatte, unterstellte er Deutschland, seine Handelspartner in Wahrheit versklaven zu wollen. Zugleich vertiefte er sich in die Geld- und Handelsproblematik und erweiterte dabei Funks Konzept. Statt Güter gegen Güter sollten in Keynes’ System Güter über die virtuelle Verrechnungseinheit „Bancor“ gegen Güter gehandelt werden. 

Eine internationale Verrechnungsstelle sollte für die handelnden Staaten Konten einrichten: Staaten mit höherer Importquote sollten darauf höhere Zinsen für ihren „Kredit“ bei der Verrechnungsstelle zahlen, Staaten mit erhöhter Exportquote dagegen Negativzinsen auf ihre Guthaben. Ein simpler Mechanismus, der die Marktteilnehmer diszipliniert und ausgeglichene Handelsbilanzen attraktiv gemacht hätte. 

Hintergrund war die durchaus richtige Beobachtung von Keynes, dass kleine Schuldner-Staaten ansonsten gegenüber dominanten Gläubigerstaaten leicht unter Druck kommen, was oft genug auch zu Kriegen führt. 

Schwachstelle beider Entwürfe war dabei zweifellos die Versuchung der Macht, die sich bei Funk in der Reichsbank und bei Keynes in der Verrechnungsstelle konzentriert. So erklärte Funk 1940 unmissverständlich: „Deutschland besitzt in Europa jetzt politisch die Macht, eine Neuordnung der Wirtschaft entsprechend seinen Bedürfnissen durchzusetzen. Der politische Wille, diese Macht zu gebrauchen, ist vorhanden.“ Bei Keynes heißt es kaum weniger deutlich: „Ich begreife die Verwaltung und das tatsächliche Stimmrecht als dauerhaft anglo-amerikanisch.“ 

Infolge der militärischen Entwicklung war Funks Plan bald obsolet. Aber auch England stieß bei den USA zunächst auf Unverständnis, als es die Neuordnung nach dem Krieg unter angelsächsischer Leitung ventilierte. Erst im Sommer 1942 kam der Gegenentwurf des US-Politikers Harry Dexter White in die Hände von Keynes, der schnell erkannte, dass dieser widersprüchlich und vage war: „Es ist eine ziemliche Qual, den Vorschlag von Harry White zu lesen und in Gänze zu verdauen“, notierte er, „und ganz offensichtlich kann er nicht funktionieren.“ 

Tatsächlich war Keynes in eine Falle getappt. White, der kurz nach dem Krieg wegen Spionage für die Sowjetunion unter Anklage gestellt werden sollte und wenig später starb, war zu keinem Zeitpunkt gewillt, eine Neuordnung der Weltwirtschaft ausgewogen zu gestalten. Klares Ziel war vielmehr, dass der US-Dollar Weltleitwährung werden und das britische Pfund beerben sollte. Dafür arbeitete White auch mit unlauteren Verfahrenskniffen und dem, was wir heute „forum-shifting“ nennen. Über die Teilnahme möglichst vieler Nationen wurde der für Juli 1944 einberufenen Konferenz von Bretton Woods USA ein demokratisches Mäntelchen umgehängt, während die Beschlussfassung nach „Hütchenspiel“-Manier erfolgte. 

So ließ White die Kommissionen von ausländischen Delegierten leiten, die jedoch einflusslos blieben, weil Tagesordnung, Stimmzählung und Abschlussprotokoll in den Händen US-amerikanischer Schriftführer verblieben. Diese waren aber zuvor in einer Manöver-Konferenz darin trainiert worden, die US-Vorstellungen um jeden Preis durchzubringen – etwa durch hyperkomplexe Fragenstellungen und das taktische Einberufen von Spezialkomitees. 

Als die Delegierten durch endlose Sitzungen und sprachliche Defizite zermürbt waren, inszenierte Dexter White den „Final Act“. In der Nacht vor der endgültigen Unterzeichnung änderte er eine entscheidende Textpassage und setzte den Dollar als Ankerwährung ein, zu dem alle Nationen ihre Wechselkurse in einem von Amerika festgesetzten Verhältnis zu halten hatten. Die düpierten Briten bemerkten den Betrug erst nach ihrer Rückkehr. Walter Funk kommentierte: „Wenn heute die Amerikaner die Rück­kehr zur Goldwährung propagieren, so bedeute dies, insbesondere mit Rücksicht auf den herrschenden Goldbesitz dieses Staates, nichts anderes, als die Erhebung der Dollarwährung zur Weltwährung und den Anspruch auf die absolute Herrschaft in der Weltwirtschaft. Das wäre die Erfüllung der letzten Kriegsziele des amerikanischen Gold-Dollarimperialismus.“ 

Das war durchaus richtig erkannt. So hatten Präsident Roosevelt und sein Finanzminister Henry Morgenthau im Laufe des Krieges sämtliche Goldvorräte des finanziell klammen Großbritannien als Sicherheiten an sich genommen, zudem das Gold Rumäniens, der Tschechoslowakei, der Nie­derlande und Belgiens, das London zuvor seinerseits an sich gerissen hatte. Die britischen Auslandsinvestitionen in den USA waren schon verpfändet. Und nach der Niederlage Frankreichs 1940 hatte Roosevelt gar dem französischen Minister Paul Reynaud angeboten, 500 Tonnen französisches Gold in den USA zu „verwahren“. 

Unmittelbar nach der Kapitulation Japans erfolgte der nächste Schachzug, und die USA kündigten London das „Pacht- und Leihegesetz“ auf. Die Auszahlung einer Anleihe für Lebensmittel machten sie von der Unterzeichnung des Bretton-Woods-Abkommens abhängig. Die erpressten Briten hatten angesichts einer drohenden Hungersnot keine Wahl. Dass das erzwungene Abkommen zwar den Dollar als Leitwährung inthronisierte, aber schon 1971 durch strukturelle Mängel scheiterte (Triffin-Dilemma), ändert nichts an der Tatsache, dass es 1944 in den Händen der USA lag, die Weichen für eine gerechtere Weltwirtschaft zu stellen – und die USA diese Chance vertat.