25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
22.06.18 / Lebenshilfe für die Hosentasche / Die steinernen Tränen der Apachen – Den schwarzen Obsidianen werden in der Esoterik vielerlei Heilwirkungen nachgesagt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-18 vom 22. Juni 2018

Lebenshilfe für die Hosentasche
Die steinernen Tränen der Apachen – Den schwarzen Obsidianen werden in der Esoterik vielerlei Heilwirkungen nachgesagt
Alexander Glück

Wenn Steinlädchen und Esoterik-Kurse „Stille Post“ spielen, wird aus vulkanischem Glas ein mythischer Lebenshelfer. Sogenannte Apachentränen geben die Fähigkeit der Vorausahnung und wandeln Verzagtheit in Lebensfreude. Nicht allen Mineralien wird so viel Aufladung zuteil. Dabei sind es nur Silikate, also so etwas wie Sand oder Glas. Entscheidend ist die Herkunft.

In der Edelstein-Esoterik werden Steinen etliche Wirkungen und Wirkweisen nachgesagt, von denen sie nicht einmal selber wissen: Sie wirken angeblich günstig auf die Verdauung, lösen Spannungen oder sorgen für besseren Schlaf. Ins Wasser gelegt, teilen sie ihre „Schwingungen“ mit und verschaffen Heilwirkungen. Man soll sie pflegen, die Steine: Ab und zu tut ihnen eine Entladung  gut: Man legt sie zu Hämatit oder spült sie mit warmem Wasser ab, zum Aufladen kommen sie neben Bergkristall oder in die Sonne. Rituale schaffen Überzeugungen.

Der Witz an der Sache: Die Wirkweise ist zwar eine andere (nämlich die psychologische), die beschriebenen Wirkungen jedoch lassen sich feststellen. Denn schon die Zuschreibung kann bewirken, sich auf die gewünschte Heilwirkung einzulassen. Hier also wartet die Lösung, wenn es zwickt oder zwackt, und indem man solche Steine inzwischen aussuchen kann wie Medikamente, öffnet man sich mental dem Heilungserfolg. Dabei kommt den Mineralklumpen eine eher unpräzise, schwammige Form der Beipackzettel zugute. Der Stein, er kann, er unterstützt, er hilft und so weiter. Und, nun ja, wenn nicht, dann eben nicht.

Was die als Apachentränen ge­handelten Rauchobsidiane be­trifft, so können die eine ganze Menge: Auf der seelischen Ebene helfen sie – angeblich – beim Er­kennen von Gefahren, absorbieren negative Energie, stellen das emotionale Gleichgewicht wieder her, helfen bei Depression und Zukunftsangst, unterstützen bei Trauer und stärken die Intuition. Sie schenken Kraft und Lebensfreude und sorgen für gute Gefühle. Daneben sollen sie auch auf den Körper wirken, indem sie das Immunsystem stärken, das Blut und die Haut verbessern, die Wundheilung fördern, Gifte vermindern und Krämpfe lindern, die Verdauung und die Aufnahme von Vitaminen verbessern.

Allerhand, oder? Nirgends wurde das empirisch festgestellt oder klinisch untersucht. Trotzdem halten viele, besonders aber in der Esoterik-Szene, an dem Aberglauben fest.

Aber wo kommen diese Zu­schreibungen eigentlich her? Manches davon kann auf eine Art Signaturlehre zurückgeführt werden, indem man von den Eigenschaften (Transparenz, Sprödigkeit) und der Verwendung des Steins (Obsidiane wurden schon früh für Klingen und Pfeilspitzen, Silikate allgemein für Brillen und Fernrohre genutzt) auf seine Wirkungen schließt. Anderes wurde hineininterpretiert und hängt mit der Ursprungslegende zusammen: Die Apachen wurden von den Weißen immer weiter zurück­gedrängt, und ihre Tränen über das verlorene Land erstarrten im Boden zu diesen Stücken. 

Vielleicht schrieb man den Rauch­obsidianen schon vor den langen und blutigen Indianerkriegen solche Wirkungen auf Intuition und Vorahnung zu, denn schon früh setzte sich der Mensch mit den Eigenschaften dieses Werkstoffs auseinander und hämmerte ihn zu Messerchen, Pfeil- und Lanzenspitzen zurecht. Das geht soweit, Obsidian in heutiger Zeit für die Herstellung mikrochirurgischer Skalpelle vorzuschlagen – was jedoch bis jetzt noch nicht geschehen ist.

Faszinierend und eigenartig sind die nahezu kugelrunden Stücke auf jeden Fall. Schwarz und unscheinbar liegen sie da, aber wenn man einen davon gegen das Licht hält, erkennt man ihn als rauchig braunes Glas, durch welches der Lichtschein fällt. 

Bei den Rauchobsidianen (und Obsidianen überhaupt) handelt es sich um Klumpen vulkanischer, sehr saurer Lava, die weitgehend frei von Fremdstoffen und sehr schnell erkaltet ist. Deshalb ist das Material nicht kristallisiert. Im Grunde ist es also braunes Glas aus den kochenden Tiefen des Erdinneren, was natürlich auch erklärt, weshalb man diesen Steinen so viel Kraft und Energie zuschreibt.

Recht ähnliche irdische Gläser gibt es auch noch woanders in der Mineralienwelt, nämlich bei den Tektiten. Sie sind ganz anders, aber kaum weniger kraftvoll entstanden, nämlich durch die Energiefreisetzung bei Kometeneinschlägen. Mineralisches Material wurde dabei erhitzt und weggeschleudert. Über dem heutigen Tschechien regnete es Massen davon, die aus dem Nördlinger Ries emporgeschleudert worden waren und heute als „Moldaviten“ höchste Wertschätzung genießen. Ostasiatische Tektiten sind hingegen schwarz. Und Moldaviten werden natürlich längst gefälscht, in China stellt man sie aus Altglas her.

Der Rauchobsidian vereint vieles in sich: spannende Erdgeschichte mit kräftigen Eruptionen, lange Menschheitsgeschichte mit unerquicklichem Ausgang und ein bisschen Lebenshilfe für die Hosentasche. Nicht zuletzt ist er aber ein sehr hübsches Dekorationsstück für die Wohnung des Achtsamen, der damit negative Energien aus seinem Lebensbereich heraushalten möchte. Sein Geheimnis gibt dieser Stein erst preis, wenn man die Perspektive wechselt. 

Vielleicht liegt darin sein besonderer Wert als Heilstein, denn er bringt uns dazu, den scheinbar undurchsichtigen Dingen genauer auf den Grund zu gehen.