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29.06.18 / Rassismus auf Arabisch / Vertriebene in Libyen – Die schwarze Bevölkerung von Tawurga

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-18 vom 29. Juni 2018

Rassismus auf Arabisch
Vertriebene in Libyen – Die schwarze Bevölkerung von Tawurga
Bodo Bost

Tausende von Menschen in der libyschen Stadt Tawurga, die wegen ihrer angeb­lichen Unterstützung für den gestürzten Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi nach dessen Sturz im Jahr 2011 ins Exil gezwungen wurden, sollen dank eines neuen Abkommens in ihre Heimat zurückkehren können, kündigte die Regierung der nationalen Einheit an. Die 35000 Einwohner von Tawurga leben seit mehr als sieben Jahren in libyschen Lagern unter erbärmlichen Bedingungen und mit dem Verbot, nach Hause zurück­zukehren. Die Nachbarstadt Misrata, 200 Kilometer östlich von Tripolis, die an der Spitze der Revolution gegen den ehemaligen Diktator stand, hatte die Menschen von Tawurga gezwungen, 40 Kilometer weiter südlich ins Exil zu gehen.

Staatspräsident Fayiz as-Sarradsch hatte einen Versöhnungs-pakt zwischen den Bürgermeistern von Tawurga und Misrata ausgehandelt, um „die sichere Rückkehr der Bewohner zu ermöglichen“, heißt es auf der Facebook-Seite der Regierung. „Diese Rückkehr wird der Beginn der Rückkehr aller vertriebenen Libyer innerhalb und außerhalb des Landes sein“, sagte er. 

Bereits am 1. Februar war es nach jahrelangen Verhandlungen zu einem Vertrag zwischen dem sogenannten Präsidialrat von Misrata und dem Tawurga-Stamm gekommen, gemäß dem die Vertriebenen in ihre Heimat zurückkehren sollten. Allerdings erlebten die etwa 43000 rückkehrwilligen Tawurgas, die sich auf den Weg gemacht hatten, eine böse Überraschung: Milizen, vor allem aus Misrata, blockierten die Straße zu ihrer Stadt. Die Menschen sitzen nun auf freiem Feld ohne Versorgungsmöglichkeiten fest. Die Stadtverwaltung von Misrata verweigerte den Vertriebenen die Rückkehr weil keine Zahlungen geleistet wurden. 

Misrata hatte von den bettelarmen Tawurgas drei Milliarden Dollar für die Duldung ihrer Rück­kehr gefordert. Die Zahlung dieser Summe durch die Vereinten Nationen wurde von dieser abgelehnt. Zusätzlich zu dem Geld verlangen die Milizen eine nochmalige Entschuldigung für „begangene Verbrechen“ und eine Übergabe aller Personen, die für Gaddafi gekämpft haben sollen. 

Tawurga (in der Sprache der Berber: Die grüne Insel) war einst nicht nur wegen seiner grünen Palmen und Datteln bekannt, die als sein wahrer Reichtum bezeichnet wurden. Tawurga war auch bekannt als das Zentrum des schwarzen Libyens, weil die Stadt fast ausschließlich von einem Stamm schwarzer Araber besiedelt war, die als Nachkommen ehemaliger Sklaven seit Jahrhunderten in Libyen wie in allen anderen arabischen Ländern leben. Der Islam lässt zwar offiziell keinen Rassismus zu, allerdings brodeln auch unter dem Islam rassistische Vorurteile in weiten Bevölkerungskreisen. Diese kommen vor allem in Konfliktzeiten, wie während des Libyenkrieges, zum Vorschein. 

Die Schwarzen, auch wenn sie Araber waren, galten unter der mehrheitlich weißen Bevölkerung Libyens wegen der kolonialen Ambitionen Gaddafis in Richtung Schwarzafrika als besonders verhasst. Auch aus diesem Grunde wurde Tawurga nach dem offiziellen Ende der Revolution am 

23. Oktober systematisch zerstört. Die Bewohner wurden vertrieben und viele ermordet. Frauen wurden vergewaltigt. Inzwischen wurden über 100 Massengräber gefunden, viele davon gefüllt mit den Leichen Schwarzer. Nach internationalem Recht ist in Tawurga ein schweres Kriegsverbrechen begangen worden, weil die Stadt erst nach Abschluss der Kriegshandlungen zerstört wurde.

Häufige Berichte über Sklaverei in Flüchtlingslagern von Schwarzafrikanern haben Libyens einst guten Ruf in Afrika ruiniert. Deshalb hatten es die Machthaber nach jahrelangem Aussitzen der Tawurga-Krise plötzlich eilig mit guten Nachrichten über einen vermeintlich erfolgreichen Kampf gegen Rassismus.