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29.06.18 / Dieselskandal mit voller Wucht zurück / Nach dem Haftbefehl gegen Audi-Chef Stadler scheint die Justiz weitere Hauptdarsteller im Visier zu haben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-18 vom 29. Juni 2018

Dieselskandal mit voller Wucht zurück
Nach dem Haftbefehl gegen Audi-Chef Stadler scheint die Justiz weitere Hauptdarsteller im Visier zu haben
Peter Entinger

Lange Zeit wähnte die deutsche Automobilindustrie den Diesel-skandal überwunden. Nun kehrte er mit voller Wucht zurück. 

Es gibt in der deutschen Nachkriegswirtschaft nur wenig vergleichbare Fälle. Überraschend – vor allem für den Betroffenen – wurde Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender von Audi, in der vergangenen Woche in seiner Villa in Ingolstadt festgenommen. Die Staatsanwaltschaft sieht eine Verdunkelungsgefahr bei der Aufklärung des Skandals um die Manipulation von Millionen Dieselautos des VW-Konzerns. Mit Stadler sitzt nun erstmals ein amtierender Spitzenmanager in Haft. Bisher hatten sich die Festnahmen hauptsächlich auf die USA und dort vor allem auf die zweite oder dritte Reihe bei Volkswagen konzentriert.

Die Verhaftung Stadlers, so spekuliert das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, könne auch als Signal an Volkswagen verstanden werden. Zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Dieselbetrugs soll der Konzern endlich kooperieren und erklären, wie es zu diesem großen Betrug kam. „Damit ist die Mär der Autoindustrie endgültig in sich zusammengefallen, beim Abgasskandal handle sich um die Verfehlungen einzelner Ingenieure“, kommentierte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer die Stadler-Festnahme. „Immer klarer wird: Das Tricksen und Betrügen ist in den Konzernen von ganz oben mindestens toleriert, wenn nicht sogar angeordnet worden. In fast drei Jahren seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals haben es weder der VW-Konzern noch die Branche insgesamt geschafft, einen klaren Schnitt zu ziehen.“

Vor Stadler wurden in Deutschland bislang lediglich ein Porsche-Ingenieur sowie ein ehemaliger Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung von Porsche festgenommen. In den USA wurde ein Haftbefehl gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn ausgestellt, gegen den in Deutschland zudem zahlreiche Schadenersatzklagen laufen, die seinen wirtschaftlichen Ruin zur Folge haben könnten. Strafen und Bußgeld summieren sich in den USA auf 4,3 Milliarden Dollar (3,7 Milliarden Euro). In Deutschland erging Mitte des Monats wegen der Verletzung von Aufsichtspflichten eine Geldbuße über eine Milliarde Euro an VW.

Die Staatsanwaltschaft hat sich in strafrechtlicher Hinsicht lange Zeit gelassen. Solange, dass schon gemutmaßt wurde, aus politischen Gründen könnten Deutschlands Automobilgranden verschont werden.

Doch in der Branche wächst nun die Anspannung. Nach Stadlers Verhaftung könnte ein Dominoeffekt eintreten. Die Untersuchungshaft gegen den 55-Jährigen kann ein halbes Jahr oder auch länger dauern. Stadler will den Ermittlern gegenüber aussagen. Von seinen Aufgaben als Audi-Chef und Vorstandsmitglied des VW-Konzerns ist er entbunden. 

Heißer Kandidat auf einen Haftbefehl ist sicher auch Ex-VW-Boss Winterkorn, die Schlüsselfigur des Skandals. Der 71-Jährige war von 2007 bis zum Bekanntwerden des Dieselbetrugs im Herbst 2015 Chef des VW-Konzerns. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt wegen Marktmanipulation und der Stickoxid-Thematik gegen ihn. Nach einer Strafanzeige der Finanzaufsicht Bafin ist auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen möglicher Marktmanipulation im Spiel, hier geht es um Vorfälle der VW-Tochter Porsche. 

Auch Winterkorns Nachfolger Matthias Müller ist noch lange nicht aus dem Schneider. Der ehemalige Porsche-Chef ersetzte Winterkorn, nachdem das ganze Ausmaß des Skandals im Herbst 2015 sichtbar wurde. Er schaffte eine Trendwende im operativen Geschäft, gab sich ahnungslos ob der Dieselaffäre und sich nicht viel Mühe, an der Aufarbeitung der Affäre mitzuhelfen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erklärte in der vergangenen Woche, dass die Ermittlungen gegen Müller, der im April gehen musste, noch nicht abgeschlossen seien. Aus ermittlungstaktischen Gründen wolle man keine Auskunft über den Stand geben. Gleiches gilt für Müllers Nachfolger Herbert Diess. Auch gegen ihn laufen noch Ermittlungen – mit unabsehbarem Ende. 

Fest steht mittlerweile, dass Audi die Keimzelle des Abgasbetrugs war. In Ingolstadt wurde die Software entwickelt, die später in Millionen Autos der Marken VW, Audi, Porsche, Seat und Skoda verwendet wurde. Stadler, seit 2007 an der Audi-Spitze, will davon nichts gewusst haben.

Bei Audi reagierte man unterdessen und bestimmte den unbelasteten Bram Schot zum vorrübergehenden Nachfolger. Dass Stadler noch einmal an die Firmenspitze zurückkehrt, wird innerhalb der Branche stark angezweifelt. Bei VW versucht man es immer noch mit Aussitzen. Deutschlands größter Autobauer hat die Strafzahlung akzeptiert und erklärt permanent, nach vorne schauen zu wollen. Die Krise sei abgehakt. Das „Handelsblatt“ kommentierte jüngst, der VW-Aufsichtsrat um Hans Dieter Pötsch habe es bis heute versäumt, den Skandal wirkungsvoll aufzuklären. „Das interne Gutachten der Kanzlei Jones Day, das die Vorgänge bei VW und Audi auch für die Öffentlichkeit aufarbeiten sollte, ließ der Aufsichtsrat in der Schublade verschwinden“, heißt es. Doch Stadlers Festnahme könnte eine Zeitenwende bedeuten. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor nur kurz von Anfangsermittlungen berichtet, der Zugriff sei extrem überraschend gewesen. Aus der VW-Zentrale ist nach einem „Spiegel“-Bericht zu hören, dass man dort damit rechne, „dass sie morgen vor der Tür stehen“ könnten.