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29.06.18 / Sein Aufstieg begann mit einem Mord / Walter Ulbricht, Schüler Stalins und Erbauer der Berliner Mauer, wurde vor 125 Jahren geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-18 vom 29. Juni 2018

Sein Aufstieg begann mit einem Mord
Walter Ulbricht, Schüler Stalins und Erbauer der Berliner Mauer, wurde vor 125 Jahren geboren
Klaus J. Groth

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, fiepste der Vorsitzende des Staatsrates – und dann legten seine Baubrigaden los. Die Mauer quer durch Berlin stand, bevor jeder die Lüge Walter Ulbrichts begriffen hatte. Ulbricht, der „Spitzbart“, wie er verharmlosend genannt wurde, war nicht die sächselnde Witzfigur mit Fistelstimme, die man gerne aus ihm machte.

Für seinen Biografen Mario Frank war er der „zweitschlimmste deutsche Diktator, den es im 20. Jahrhundert gegeben hat. Frank nennt die Rangfolge: Hitler, Ulbricht, Honecker. Eine stimmige, aber keinesfalls zeitgeistig passende Rangfolge. Ulbricht war ein Machtmensch, der mit einem Federstrich aus einem Zuchthausurteil ein Todesurteil machte, der mit seiner berüchtigten „Turmrede“ den Abriss sakraler Bauten forderte, der lakonisch angesichts der Paulinerkirche in seiner Heimatstadt Leipzig verlangte „Das Ding muss weg“ (siehe PAZ 20/2018), der die Mauer trotz des Zögerns der Sowjets bauen ließ.

Als Sohn eines Schneiders am 30. Juni 1893 in Leipzig geboren, war Ulbricht früh aktiv in der sozialistischen Arbeiterbewegung Deutschlands. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges brachte er mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg Flugblätter in Umlauf. Er wurde als Soldat eingezogen, desertierte, kam erneut an die Front. 

Als der Krieg endete, gehörte Ulbricht während der Novemberrevolution dem Soldatenrat an. Damit begann sein Aufstieg in der Kommunistischen Partei Deutschlands. Es war der Anfang einer steilen Karriere. Ab 1929 fungierte er als Politischer Leiter der KPD im Bezirk Berlin-Brandenburg. 1931 stimmte Ulbricht dem Plan zu, den Leiter der Polizeirevierwache 7, Paul Anlauf, zu töten. Die Genossen Erich Mielke und Erich Ziemer übernahmen den Mordauftrag. Sie erschossen nahe dem Bülowplatz, auf dem gerade vor der Parteizentrale der KPD für die Auflösung des preußischen Landtages demonstriert wurde, die Polizisten Paul Anlauf und Franz Lenck aus kurzer Distanz hinterrücks. Ein dritter Beamter wurde schwer verletzt. Andere Polizisten auf dem Platz vermuteten einen Angriff und schossen in die Menge. Zwei Demonstranten trafen sie tödlich, 35 wurden verwundet. Mielke und Ziemer entkamen, sie flohen in die Sowjetunion.

Ziemer starb 1937, Mielke wurde in der DDR Minister für Staatssicherheit. Ein 1947 gegen ihn erlassener Haftbefehl wurde mit Hilfe der SED außer Vollzug gesetzt. Die von Ulbricht herausgegebenen „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ behauptete, die Parteiführung habe von den geplanten Morden nichts gewusst. 1993 verurteilte das Landgericht Berlin Mielke wegen des Doppelmordes zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. Zwei Jahre später wurde er auf Bewährung entlassen.

Wegen der Polizistenmorde wurde auch Ulbricht steckbrieflich gesucht. Er setzte sich 1933 nach Moskau ab. Während des Zweiten Weltkrieges agitierte er bei Radio Moskau, bei der Schlacht von Stalingrad forderte er die deutschen Soldaten zum Überlaufen auf.

Bereits im April 1945 kam Ulbricht nach Deutschland zurück. An der Spitze der nach ihm benannten „Gruppe Ulbricht“ gründete er in der sowjetischen Besatzungszone die KPD neu, aus der dann nach dem Zusammenschluss mit der SPD die SED wurde. Für die saß er im Landtag von Sachsen-Anhalt. Die Gründung der DDR im Oktober 1947 machte Ulbricht zum stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats und ein Jahr später zum Generalsekretär des Zentralkomitees der SED.

Als Gefolgsmann seines Lehrmeisters Josef Stalin formte Ulbricht die sozialistische DDR nach sowjetischem Vorbild: Die Betriebe wurden verstaatlicht, die Landwirtschaft kollektiviert, die Länder abgeschafft, die Abgrenzung zu Westdeutschland vorangetrieben, die Kasernierte Volkspolizei als Vorläufer der Armee der DDR gegründet, das Ministerium für Staatssicherheit aufgebaut. In Ulbrichts Verantwortung fällt der Abriss durch den Krieg beschädigter und auch intakter Kulturgüter: das Schloss in Berlin, das Stadtschloss in Potsdam, 60 Kirchen. Sie mussten zum Teil stalinistischen Neubauten weichen.

Das alles begleitete ein penetranter Personenkult. Große Unternehmen wie die Leuna-Werke oder das Synthesewerk Schwarzheide, bedeutende Einrichtungen wie die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft oder Sportarenen wurden nach Ulbricht benannt. Sein Kopf zierte Briefmarken, in jeder Schule musste sein Porträt hängen.

Das blieb nicht ohne interne Kritik. Zeitweise wies Ulbrichts Machtgefüge Risse auf. Dann aber kam der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 – und Ulbricht saß sicherer im Sattel als zuvor. Seine Entmachtung, befand man in Mos­kau, könnte als Zeichen der Schwäche gedeutet werden, und das durfte nicht sein. Ulbricht wurde gehalten und 1960 Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrats und des Staatsrats. Damit herrschte er über Staat und Partei.

Gegen Widerstand aus dem Kreml setzte Ulbricht 1961 den Bau der Mauer durch. Wegen der miserablen Lebensverhältnisse wanderten die Menschen in Scharen aus der DDR ab, die Leistungsträger voran. Das wollte und musste Ulbricht stoppen. Im Juni 1961 antwortete er bei einer Pressekonferenz auf eine vage Frage: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“. Zwei Monate nach diesem Dementi rückten am 13. August 1961 in der Nacht die Baubrigaden an. Die Grenze zwischen Ost-Berlin und West-Berlin sowie zur DDR wurde hermetisch geschlossen.

Ende der 60er-Jahre bröckelte Ulbrichts Position in der Partei. Für wirtschaftliche Vorteile war er bereit, die völkerrechtliche Anerkennung der DDR nicht länger mit Nachdruck zu fordern. Das schadete ihm im Politbüro. Er behauptete, der Sozialismus in der DDR sei so hoch entwickelt wie in der Sowjetunion. Das schadete ihm im Kreml, der ihm 1971 seine Unterstützung entzog. Im Mai 1971 trat er „aus gesundheitlichen Gründen“ zurück. 

Ulbricht starb zwei Jahre nach seiner Entmachtung am 1. August 1973. Wenige Tage zuvor war das „Walter-Ulbricht-Stadion“ umbenannt worden in „Stadion der Weltjugend“.