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29.06.18 / Maritimer Kontinent / Ausstellung »Europa und das Meer« im Deutschen Historischen Museum in Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-18 vom 29. Juni 2018

Maritimer Kontinent
Ausstellung »Europa und das Meer« im Deutschen Historischen Museum in Berlin
Dirk Klose

Deutschlands Zukunft liegt auf dem Wasser“. So hatte es Kaiser Wilhelm II. bald nach seinem Regierungsantritt verkündet. Es war ein spätes Erwachen, denn für die Völker Nord-, West- und Südeuropas ist die Verbundenheit mit dem Meer seit Jahrhunderten selbstverständlich. Längst sind die Meere, auch die großen Ozeane, keine Barrieren mehr, denn Schifffahrtswege verbinden wie Landstraßen die Kontinente miteinander. 

Die Bedeutung der Meere für das heutige Zusammenleben von Völkern und Staaten wieder etwas bewusster zu machen, ist das Ziel der Ausstellung „Europa und das Meer“, die am 12. Juni im Deutschen Historischen Museum Berlin (DHM) eröffnet wurde. Angesichts des schier uferlosen Themas wurden diesmal zwei Etagen des schönen Pei-Baus, dem modernen Anbau an das traditionsreiche Zeughaus, als Ausstellungsfläche genutzt. Man wolle, so sagten es die Kuratoren, 2500 Jahre maritime Kulturgeschichte zeigen, angefangen bei Zeugnissen der Antike über die großen Seestädte in Mittelalter, Renaissance und Neuzeit, ferner die großen Auswanderungswellen im 19. Jahrhundert, als über 20 Millionen Menschen in die USA emigrierten, bis zu ihrer Umkehrung heute in der anhaltenden Immigration aus Nahost und Afrika in die EU.

Die obere Etage im DHM ist für das Thema Handel, Meeresforschung, Tourismus und Badeurlaub sowie dem Meer als Gegenstand der Kunst gewidmet. Neben Exponaten aus eigenen Beständen sind teilweise ganz außerordentliche Leihgaben aus großen europäischen Museen zu sehen, etwa aus Spanien das Bordtagebuch des Christoph Kolumbus und der Brandbrief des Mönches Las Casas gegen die Zerstörung der indianischen Kulturen durch die spanischen Eroberer, nautisches Gerät wie Sextanten aus den Niederlanden oder ebenso großartige Gemälde aus Dresden.

Wer eine „maritime Ader“ hat, erlebt die Ausstellung mit vielen Aha-Erlebnissen des Wiedererkennens. Aber auch für ausgemachte „Landratten“ lohnt sich der Museumsbesuch. Die Ausstellung ruft die bedeutende Stellung der großen Seestädte wie Venedig, Genua, Sevilla (für die spanischen Territorien in Südamerika), Lissabon und Amsterdam (Besitzungen in Ostasien) mit zeitgenössischen Dokumenten, nautischem Gerät und Bildern in Erinnerung. Zum Alptraum wird die Schau beim Thema Sklavenhandel. Der Transport von Millionen afrikanischer Sklaven im 18. Jahrhundert nach Amerika war ein höchst lukratives Geschäft. Gezeigt wird ein Sklavenschiff, auf dem die Menschen wochenlang in extremster Enge zusammengepfercht waren, konkret das Schiff eines französischen Reeders, der das Bild sogar noch als Reklame für seine Transporte anpries.

Aktuell wird die Ausstellung beim Thema Meeresforschung und Klimawandel. Beides hängt heute zusammen; Meeresforschung erlaubt aus der Messung von Strömungen, Temperaturen, Fischbeständen und Bodenbeschaffenheiten Rückschlüsse auf Klimaschwankungen. Vieles deutet darauf hin: Die Zeichen stehen auf Sturm! Die intensive Ausbeutung von Bodenschätzen (Erdöl in der Nordsee) oder die massenhafte Installierung von Windparks hat die Meere zumindest im Norden Europas fast schon zu Industrierevieren werden lassen. Da ist es ein freundlicher Schluss, wenn gezeigt wird, wie sehr das Wechselspiel von Licht und Wellen immer wieder große Künstler inspiriert hat; zu sehen sind schöne Beispiele unter anderem von Carus, Courbet und Max Liebermann.

Bei einem so umfassenden Thema kann man nie alles zeigen. Gerne hätte man beispielsweise einige große Meeresforscher aus den Niederlanden, England oder Norwegen (Amundsen, Nansen) erlebt. Wirklich erstaunt, dass dem militärischen Aspekt des Meeres und der Seefahrt keinerlei Aufmerksamkeit gilt. Bekanntlich waren auch einige Seeschlachten von welthistorischer Bedeutung, etwa die von Salamis (480 v. Chr.), Lepanto (1571) oder Trafalgar (1805). Aber vielleicht genügte den Kuratoren die heutige Misere, wenn sie mit Blick auf die Immigrantenströme (etwas moralisierend) bedauern, dass das Meer um Europa heute nicht mehr nur verbindet, sondern wieder zur Grenze, zu einem „gigantischen Wassergraben“ geworden sei.


„Europa und das Meer“, Deutsches Historisches Museum in Berlin, Ausstellung bis zum 6. Januar 2019, täglich geöffnet von  10 bis 18 Uhr.