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29.06.18 / Zu Besuch in der angeblichen Nazi-Hochburg / Reinhardtsdorf-Schöna war Zielscheibe heftiger Medienattacken, seit die NPD hier bis zu 25 Prozent holte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-18 vom 29. Juni 2018

Zu Besuch in der angeblichen Nazi-Hochburg
Reinhardtsdorf-Schöna war Zielscheibe heftiger Medienattacken, seit die NPD hier bis zu 25 Prozent holte
Wolfgang Kaufmann

Der Osten der Republik ist braun – besonders in Sachsen. Und die Sächsische Schweiz kommt noch ein wenig brauner daher als der Rest des Freistaats. Dabei liegt die absolute Nazi-Hochburg in der Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna an der Grenze zu Tschechien: „Dunkeldeutschland pur!“ So lautet der Grundtenor vieler Medien hierzulande. Doch wie sieht das Ganze in der Realität aus?

Als die ARD Anfang 2017 im Nachgang zum radikal-islamischen Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche zur Talkshow „Hart aber fair“ einlud, befand sich unter den Gästen auch der türkischstämmige Anwalt Mehmet Daimagüler. Der Jurist antwortete auf die Frage, ob man härter gegen terrorverdächtige „Flüchtlinge“ vorgehen solle, er sehe hierzulande eigentlich noch ganz andere Bedrohungen: „Ich traue mich mit meiner Schwester … nicht in die Sächsische Schweiz, weil da die Nazis sind.“ 

Damit bemühte Daimagüler ein Klischee, welches seit 2004 durch den Blätterwald geistert: In der idyllischen Felsenwelt südöstlich von Pirna vor den Toren der Landeshauptstadt Dresden feiere der Nationalsozialismus gerade fröhliche Urständ. Beispielsweise titelte die „Süddeutsche Zeitung“ damals aufgeregt: „Rechter Spuk im Märchenland.“ Noch deutlicher wurde einige Jahre später die deutsche Ausgabe der „Huffington Post“ mit der Aussage: „Reinhardtsdorf-Schöna ist die größte Nazi-Gemeinde Deutschlands.“

Auslöser für diese und ähnliche Schlagzeilen waren die Wahlergebnisse in der Gemeinde im hinteren Teil der Sächsischen Schweiz. Hier errang die NPD bei den Landtagswahlen 2004 bemerkenswerte 23,1 Prozent. Ein ähnlicher Erfolg gelang ihr bei der Kreistagswahl von 2008, wo sie auf 25,2 Prozent kam und damit sogar die CDU überrundete. 

Und auch die Wahlen zum sächsischen Landtag 2009 und 2014 waren für Schlagzeilen gut: Wiederum erreichte die NPD 19,4 beziehungeweise 16,1 Prozent. Von einer „Nazi-Gemeinde“ zu sprechen, verbietet sich aber nicht nur wegen des Umstandes, dass die meisten Einwohner ja ganz offenkundig doch andereParteien als die NPD gewählt hatten. So ist das kommunalpolitische Gewicht der NPD ebenfalls deutlich kleiner als behauptet. 

Zwar stellt sie seit der Gemeinderatswahl vom Mai 2014, bei der sie 20,5 Prozent erzielte, zwei Mitglieder des Gemeinderats, die restlichen zehn kommen aber allesamt aus freien Wählergemeinschaften. Deshalb ist auch der amtierende Bürgermeister und Gastronom Olaf Ehrlich kein „Nazi“, sondern Mitglied der Wählervereinigung 94. 

Ansonsten favorisieren die Menschen im Ort neuerdings eher die AfD. Das ergibt sich aus dem Ergebnis der jüngsten Bundestagswahl: Die AfD obsiegte in Reinhardtsdorf-Schöna mit 39,5 Prozent, während die NPD auf 6,4 Prozent abfiel. Womit sie freilich immer noch vor der SPD mit ihren kläglichen 5,8 Prozent lag.

Verantwortlich für die Wahlsiege der NPD war unter anderem der Versuch, die Gemeinde dem benachbarten Kurort Bad Schandau zuzuschlagen, um einen eventuellen „rechten“ Bürgermeister zu verhindern. Dass sie erfolgreich gegen diese verwaltungstechnische Intrige vorging und die Eigenständigkeit von Reinhardtsdorf-Schöna mittels Bürgerentscheid sicherte, verschaffte der NPD viele Stimmen. Wichtig ist zudem auch die Volksnähe ihrer Kandidaten. So kennen und schätzen fast alle im Ort den NPD-Spitzenmann Michael Jacobi, denn der rührige Klempnermeister rückt zu jeder Zeit und bei jedem Wetter aus, wenn irgendwo Heizung oder Toilette streiken.

Ebenso fallen die NPD-Slogans rund um das Thema Heimat hier auf besonders fruchtbaren Boden, denn Heimatverbundenheit gehört zu den wesentlichsten Eigenschaften der Menschen in der hinteren Sächsischen Schweiz, wo es sich zwar nicht so komfortabel und abwechslungsreich lebt wie im 50 Kilometer entfernten Dresden, wo man aber in vielerlei Hinsicht bodenständig geblieben ist. Davon zeugt beispielsweise die Heimatstube in einem traditionellen Umgebindehaus in Schöna, in der die Besucher gezeigt bekommen, wie mühsam und karg das Leben der Steinbrecherfamilien früher gewesen ist.

Dass das Wort „Heimat“ hier nicht nur eine Parole ist, erkennt der Gast zudem an diversen Details, wie dem liebevoll gestalteten und von jeglichen Randalespuren verschonten Grillplatz mit seinem Unterstand am Dorfrand, von dem sich ein atemberaubender Blick auf die markanten Felsen der Schrammsteinkette auf der anderen Elbseite bietet. 

Völlig selbstverständlich trägt er das Schild „Heimat“ – welches in manchen Stadtteilen Dresdens, in denen die „Antifa“ permanent ihre Duftmarken hinterlässt, keinen einzigen Tag hängen bliebe.   

Ein besonderes Wahrzeichen von Reinhardtsdorf ist die spektakuläre Dorfkirche. Dieses Kleinod des sogenannten Bauernbarock wurde zwischen 1680 und 1711 komplett ausgemalt und zeigt         50 biblische Szenen, wobei die Landschaft des Elbsandsteingebirges als Hintergrund für die Darstellungen diente. Finanziert haben das Vorhaben großzügige private Spender.

Diese christliche Prägung zugunsten von mehr „Buntheit“ zur Disposition stellen will offenbar niemand im Ort. Deshalb können die Menschen hier auch sehr gut ohne fanatisierte „Flüchtlinge“ leben. Ganz genau wie viele Touristen. Zwar führten die Wahlergebnisse seit 2004 dazu, dass linksorientierte Jugendgruppen aus Berlin und westdeutschen Großstädten Einrichtungen wie den „Waldhof“ und das Naturfreundehaus am Zirkelstein boykottieren. Dafür kommen aber andere, weniger vorurteilsbeladene Gäste, welche sich weder von der schlechten Presse des Ortes noch durch die zu ihm hinaufführende Buckelpiste von Straße abschrecken lassen.

Was sie in Reinhardtsdorf-Schöna vorfinden, ist freilich kein Nazi-Disneyland für Ewiggestrige, sondern ein völlig normales, höchst entspanntes Dorfleben. Hier wandert man geruhsam auf den Spuren bekannter Maler wie Caspar David Friedrich, nutzt die Zapfstelle für frische Rohmilch der Agrargenossenschaft Oberes Elbtal und freut sich über ebenso günstige wie bequeme Unterkünfte. So kosten manche Ferienhäuschen gerade einmal 30 Euro pro Nacht, und selbst im noblen „Wolfsberghotel“, welches den besten Panoramablick über das Land bietet, sind Zimmer schon ab 45 Euro zu haben. Ganz ähnlich sieht es in den benachbarten Ortschaften der „verrufenen“ Sächsischen Schweiz aus. 

Deshalb stiegen die Besucherzahlen in der Region allein von 2016 auf 2017 um mehr als fünf Prozent, wobei der Zuwachs bei ausländischen Gästen sogar             19,1 Prozent betrug. Und entgegen aller Gruselmärchen ist bisher auch kein einziger von diesen in der Sächsischen Schweiz zu Schaden gekommen. 

Es sei denn, er stürzte aufgrund seines eigenen Leichtsinns von einem Felsen. Das lag dann aber sicher nicht an der mangelnden „Willkommenskultur“ der Menschen vor Ort!





Die Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna entstand 1973 durch den Zusammenschluss der drei Dörfer Reinhardtsdorf, Schöna und Kleingießhübel, welche sämtlich in der Zeit ab 1200 gegründet worden waren. Sie besitzt derzeit etwa 1600 Einwohner. Asylbewerber gibt es hier genauso wenig wie im benachbarten Bad Schandau und zahlreichen anderen Erholungsorten der Sächsischen Schweiz, wo man oft kein Handynetz hat. Reinhardtsdorf-Schöna lebt vom Tourismus und der Landwirtschaft. Hausberge sind der Zirkelstein und die Kaiserkrone. Außerdem kann man von Kleingießhübel aus auf die höchste Erhebung im deutschen Teil des Elbsandsteingebirges, den Großen Zschirnstein (561 Meter), steigen. Als bedeutendster Sohn der Gemeinde gilt der Jurist und Reichstagsabgeordnete Wilhelm Schaffrath (1814–1893), der 1848 auch zu den Delegierten der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche gehörte und sich als radikaler Demokrat hervorgetan hatte. W.K.