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29.06.18 / Ratschläge einer Bloggerin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-18 vom 29. Juni 2018

Ratschläge einer Bloggerin
Dagmar Jestrzemski

Für Internetkonzerne wie Facebook und Google machen sich die Nutzer mehr oder weniger freiwillig zum gläsernen Menschen, indem sie ihnen ihre Daten  überlassen, mit denen die werbegetriebenen Konzerne Milliardenumsätze machen. Journalisten und Netzaktivisten halten die Frage, wer unsere Daten kontrolliert, für eine der wichtigsten unserer Gesellschaft. 

Dieser Auffassung ist auch Katharina Nocun, eine 1986 in Polen geborene und in Deutschland aufgewachsene prominente Netzaktivistin und Bloggerin. Nocun war bis 2016 Mitglied der Piratenpartei und engagierte sich mit Internetkampagnen gegen den, wie sie es nennt, „Überwachungsstaat“. 

Mit ihrem Buch „Die Daten, die ich rief. Wie wir unsere Freiheit an Großkonzerne verkaufen“ setzt sie ihren „Kampf um Privatsphäre“ in einer Art von Rundumschlag fort. Sie warnt: Längst haben sich auch andere Unternehmen wie Lebensmittelketten auf das Sammeln und Auswerten von Verbraucherdaten verlegt, um uns das Geld aus der Tasche zu ziehen. Desgleichen sammeln Telefonkonzerne, Behörden, Geheimdienste, Arbeitgeber und Krankenkassen die Datensätze von Bürgern und Kunden, um mit Hilfe von Algorithmen abzuschätzen, wie wir uns verhalten werden. Nocun klärt anhand von Beispielen über Datenspeicherung und Datenmissbrauch auf, über Spähmanöver der IT-Anbieter, Online-Mobilisierung bis hin zur Kontrollindustrie von Diktaturen. 

Dazu liefert sie einen Katalog von Vorschlägen, die geeignet seien, die täglichen Datenspuren zu reduzieren. Wer sich nicht um seine Datensätze kümmert, müsse mit unerwünschten Folgen rechnen, beispielsweise mit einem abschlägigen Bescheid. Doch auch ohne nachvollziehbaren Grund könne man leicht Opfer einer falschen Verdächtigung werden, wie etwa bei einer Massenüberwachung. 

Was die Dienste der IT-Anbieter betrifft, sei Vorsicht leider mit einiger Mühe verbunden. Jeder sei gut beraten, die seitenlangen staubtrockenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu lesen, bevor er auf „ok“ klickt, rät Nocun – einerseits. Andererseits könne es niemand zeitlich bewältigen, jeden Online-Vertrag zu prüfen. Für Nicht-Juristen sei es außerdem schwierig zu verstehen, was genau man unterschreibt. Sie hat einen Fachmann der Verbraucherzentrale Bundesverband um seine Einschätzung gebeten. Der meint, das tieferliegende Problem seien nicht einzelne Klauseln, sondern was Unternehmen wie Facebook tatsächlich speichern. In Relation dazu dürfte daher auch von nachgeordneter Bedeutung sein, was die Autorin anhand von Selbstversuchen über Facebook und Google herausgefunden hat. 

Bisher hat sie ihre Hoffnung berechtigterweise nicht auf die regulierungsunwillige Politik gesetzt. Trotzdem fordert sie nun „strengere Datenschutzgesetze und mehr Geld für eine effektive Kontrolle der Einhaltung von Recht“. Das klingt nach Zweckoptimismus, da der Trend im internationalen Wettstreit bei der Digitalisierung und Automatisierung genau in die entgegengesetzte Richtung geht. 

Nocun erklärt, sie sei selbst eine begeisterte Nutzerin der On-line-Dienste. Sogar ihre Einkäufe tätigt sie fast nur online. Das dürfte nicht überall gut ankommen, da dieses Verhalten bekanntlich zum schleichenden Absterben des Einzelhandels beiträgt und damit zur Verödung der Innenstädte. Aus dieser Sicht wäre es wahrscheinlich sinnvoller, wenn Netzaktivisten zum „analogen“ Einkaufen aufrufen, als ein gefühlt hundertstes Buch zum Thema Datenschutz zu schreiben.

Katharina Nocun: „Die Daten, die ich rief. Wie wir unsere Freiheit an Großkonzerne verkaufen“, Bastei Lübbe Verlag, Köln 2018, broschiert, 347 Seiten, 18 Euro