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29.06.18 / Der satirische Wochenrückblick mit Klaus J. Groth / Tausendmal ist nix passiert / Warum wir von Gipfel zu Gipfel stürmen, Wunschzettel geschrieben werden und der Gefährder aus Bayern kommt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-18 vom 29. Juni 2018

Der satirische Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
Tausendmal ist nix passiert / Warum wir von Gipfel zu Gipfel stürmen, Wunschzettel geschrieben werden und der Gefährder aus Bayern kommt

Still ruhte der See. Ab und zu tauchte ein Seehofer auf und versuchte, Wellen zu machen, aber der See lag still. Da bewegte sich nichts. Nun aber gehen die Wogen hoch. Verlässlich werfen sich die bekannten Wellenbrecher in die Gischt: vom Maschi-

nisten Volker Kauder bis zum Leichtmatrosen Daniel Günther, ganz zu schweigen von der neuen Mamsell in der Kombüse, Annegret Kramp-Karrenbauer, die uns mit ihrer unerwarteten Wiedererweckung des Geistes Helmut Kohls überraschte.

Tausendmal wurde das Thema der Zuwanderer berührt, tausendmal ist nix passiert. Und plötzlich hat es zoom gemacht. Aber anders als in dem Schlager von Klaus Lage bedeutet zoom nicht Hingabe von jetzt auf gleich. Davor bewahre uns die Kanzlerin. Die Freundin der kleinen Schritte hat es allerdings von jetzt auf gleich eilig. Sie hetzt von Gipfel zu Gipfel, stürmt vor dem Sondergipfel noch einen Sondergipfel. Toll. Na ja, vielleicht ist das Bild von der Gipfelstürmerin etwas zu hoch gegriffen. Vielleicht kraxelt sie eher mühsam auf die Gipfel? Unterstützt von ihrer Seilschaft? Die tut, was sie kann, alle hängen schließlich am selben Seil. Die Gipfelstürmerin aber tut, was sie am besten kann: Sie baut den Gipfel auf und kurz bevor es aufwärts gehen soll, redet sie den Gipfel flach. So etwa auf das Niveau der Anhöhen in Nordfriesland. Dort ist bekanntlich alles ziemlich platt. Ähnlich seien die Erwartungen an den Sonder-Sondergipfel, nämlich gar keine. Darauf wies die Kanzlerin schon mal vorsorglich hin. Wer sein Wahlvolk so mental vorbereitet, kann es nicht enttäuschen. Da wagt man gar nicht mehr, die Frage zu stellen, was in den vergangenen drei Jahren auf der vielzitierten europäischen Ebene gemacht wurde, wenn das drängende Thema Migration auf der Tagesordnung stand. Socken gestrickt? Das wäre immerhin etwas, was man real vorweisen könnte.

Was sich drei Jahre lang nicht bewegte, soll plötzlich laufen wie geschmiert? So ruckzuck, zack zack und holterdiepolter? Wenn man sich endlich auf die Socken macht, müssen zuvorderst die Wünsche der europäischen Partner geklärt werden. Also die Wünsche, die über das gemeinsame Stricken von Socken hinausgehen. Das wird teuer. Sehr teuer sogar. Eine kleine Anzahlung gab es in Meseberg schon beim konspirativen Extragipfel vor dem Sondergipfel zur Vorbereitung des Sondergipfels. Frankreichs Emmanuel Macron braucht Geld? Klar, machen wir. Ist ja nicht für Frankreich, ist ja für Europa. Sagt Macron. Woher die Milliarden kommen? Ach, das sind so Detailfragen. Es wird sich schon was finden. Irgendetwas ist immer noch nicht mit einer Steuer belegt. Und das Geld ist schließlich für Europa, das ist immer für einen guten Zweck. 

Nun werden mitten im Sommer Wunschzettel geschrieben. Athen wünscht Erleichterung bei den angehäuften Schulden, Italien spekuliert auf einen Nachlass bei seinen Schulden, Spanien möchte gemeinschaftliche Haftung für seine maroden Banken, Bulgarien ist immer klamm. Da kann man nicht zimperlich sein, wenn sich die bedrängte deutsche Kanzlerin ein wenig Entgegenkommen im Streit um die Asylsucher erhofft. Aber selbstverständlich hat das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Nur wer böse Absichten hegt, behauptet das. 

Wer zu diesen finsteren Gestalten gehört, ist klar wie Kloßbrühe. Horst Seehofer allemal. Andrea Nahles hat es erkannt: „Seehofer ist eine Gefahr für Europa.“ Danke, Frau Nahles. Es musste einmal gesagt werden. Da sitzt einer im Kabinett Merkel, da sitzt einer mit Ihnen am Tisch, der ist eine Gefahr für Europa. Endlich hat jemand mal ausgesprochen, wo die wirklichen Gefährder sitzen. Wahrscheinlich würde sich Frau Nahles im Fall des Gefährders Seehofer ausnahmsweise strikt gegen jegliche Familienzusammenführung aussprechen. 

Was Frau Nahles betrifft, ist die Sache einigermaßen klar. Die kann nur Opposition, das liegt ihr, in welcher Funktion auch immer. Aber was ist mit dem Kieler Leichtmatrosen Daniel Günther? Der schleswig-holsteinische Mi-nisterpräsident ist nicht so rabiat, von dem gibt es nichts „in die Fresse“. Aber finstere Absichten hat er dem Parteifeind von der Schwesterpartei CSU schon angehängt. In die dunkelste rechte 

Ecke wolle der die Partei führen, um Asylsucher gehe es dem gar nicht. Die würden lediglich vorgeschoben, um die Kanzlerinnen-Dämmerung vorzubereiten. Da tun sich Chancen auf für einen Leichtmatrosen, der auf der „Titanic“ anheuern möchte, kurz bevor es am Eisberg kracht. Da haben wir es wieder einmal: Es geht immer um etwas anderes. Flüchtlinge sind schließlich nur in Einzelfällen Problemflüchtlinge.

Probleme machen vielmehr die Finstermänner von der Visegrád-Gruppe. Allesamt sind die eine Gefahr für Europa, jedenfalls nach der Einschätzung der wirklich anständigen Europäer. Dass sie überhaupt dabei sein dürfen, die Ungarn, die Polen, die Tschechen, die Slowaken. Was man an denen hat, wissen die wirklich anständigen Europäer schon lange – nichts Gutes. Darum dürften die es auch nicht bedauern, dass die Visegráder sich weigerten, auf dem Sondergipfel vor dem Sondergipfel zu schwätzen. Dabei könnte man es sich doch ganz bequem machen. Schließlich war die Schlusserklärung dieses Gipfels bereits formuliert, ehe er einberufen wurde. Da muss man sich nicht anstrengen, nicht um Formulierungen streiten, da weiß man, was man hat. Nun sind in der Visegrád-Gruppe leider ausschließlich Staaten zusammengeschlossen, die über Jahrzehnte sozialistischer Beglückung erfahren muss-ten, was es bedeutet, wenn das Ende bereits vor dem Anfang vom großen Brudervolk protokolliert wurde.

Die Visegráder hatten einfach keinen Appetit auf die diplomatische Sülze, die ihnen serviert werden sollte. Bei Sülze ist es doch so: Auf den ersten Blick alles total transparent, die Durchsichtigkeit in Aspik schlechthin. Alles klar erkennbar. Bei näherem Hinsehen jedoch, also im Detail, erkennt man ein reichliches Durcheinander. Nichts passt zu nichts. Aber es vereint sich doch. Ob Kaisersülze oder schlichte Gemüsesülze, es bleibt ein labil zusammengepapptes Konglomerat. Klar, das hat gar nichts mit Europa zu tun. Oder doch? Könnte es sein, dass das eilig zusammengesülzte Europa gar nicht die Bindekraft besitzt, die von einer ordentlichen Gelatine zu erwarten ist? Die Achse der Unwilligen wird jedenfalls immer länger. Kein Wunder, dass bei dem Vorgipfel zum Sondergipfel nur das herausgekommen ist, was zu erwarten war: nichts. Das gehört zu den oft erprobten, leichteren Übungen: Erst den Mund voll nehmen, dann mit leeren Händen dastehen und das schönreden. So wie diesmal wieder: Es sei ein großes Maß an Gemeinsamkeiten und viel guter Wille erkennbar gewesen, sagt die Kanzlerin. Das passt immer und überall. Und bedeutet nur: Angela ist allein zu Haus.

Gar nicht allein ist hierzulande der türkische Staatschef, auch wenn er hier nicht zu Hause ist. Aber seine Anhänger sind es. Zwei Drittel der in Deutschland lebenden Türken mit türkischem Pass haben Recep Tayyip Erdogan gewählt. Das ist ein Stimmenanteil von 20 Prozent mehr als in der Türkei. Da hat sich der Einsatz der Herren Mesut Özil und Ilkay Gündogan doch gelohnt, die ihren „Präsidenten, hochachtungsvoll“ hofierten. Offenbar kam das bei der türkischen Gemeinde gut an. So gut, dass das Wahlergebnis auf den Straßen deutscher Städte kräftig gefeiert wurde. Mit vielen türkischen Fahnen und dem Ruf „Recep Erdogan, unser Führer“. Und wer trägt die Schuld an dieser absoluten Entgleisung? Na, dreimal dürfen Sie raten. Die Deutschen selbstverständlich. Die haben es nämlich verabsäumt, die in Deutschland lebenden Türken zu integrieren. So jedenfalls deutet die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe aus Berlin-Kreuzberg den Erfolg Erdogans. Seit Jahrzehnten habe es „faktisch“ keine Integrationspolitik gegeben, die Menschen fühlten sich ausgegrenzt. Sagt die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe.