29.03.2024

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06.07.18 / Hier blüht der Osten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-18 vom 06. Juli 2018

Hier blüht der Osten
Vera Lengsfeld

Während das politische Berlin gespannt auf das Ende der Politsatire, genannt Streit der Schwesterparteien CDU und CSU, wartete, ging das Alltagsleben weiter. 

Radio 1, das sich als Projekt vorgenommen hat, die schönen Straßen Berlins vorzustellen, war in meinem Kiez.

Die Pankower Florastraße hat eine bewegte Geschichte. Einst standen hier die Blumenfelder, die das Schloss von Elisabeth Christine, der ungeliebten Frau Friedrich des Großen, belieferten. In der Gründerzeit mussten sie dem 

Bauboom weichen. Parallel zur S-Bahnstrecke Gesundbrunnen–Bernau entstand eine Wohn- und Geschäftsstraße, die von der Mitte Pankows bis zum Wedding führte. In den Vorderhäusern wohnten die betuchten Bürger, die Hinterhäuser beherbergten die Wohn-und Arbeitsstätten der Handwerker und der Arbeiter. In der einen oder anderen Toreinfahrt sieht man noch Reste der Schiene für die Droschken, die auf den Hof fahren mussten. Aus den ehemaligen Stallungen und Werkstätten sind heute schicke Gartenhäuser geworden. 

In den 20er Jahren gab Carl von Ossietzky hier seine „Weltbühne“ heraus. Ihm zu Ehren wurde das hiesige Gymnasium nach ihm benannt. Zu DDR-Zeiten verkam der vordere Teil der Florastraße. Sie geriet in den Ruf, eine 

Asozialenstraße zu sein. Der hintere Teil verfiel zwar auch, wurde aber zu einem Refugium für Künstler und Schauspieler. Das beste Restaurant Ost-Berlins stand an der Ecke Görschstraße. Es wurde sogar von Diplomaten besucht, so gut war die Küche, so erlesen waren die Weine.

Als die Mauer fiel, stand das Schicksal der Florastraße auf der Kippe. Die meisten Häuser waren stark reparaturbedürftig, die ehemaligen Läden und Kneipen standen leer, das Haus, in dem sich das Edelrestaurant befand, wurde von der Antifa besetzt. Dann kam viel Geld für den Aufbau Ost, das abgerufen werden musste. 

Der Stadtbezirk beschloss, aus dem Kiez ein Sanierungsgebiet zu machen. Der Plan glückte, der Erfolg war größer als erwartet. Als die zum Teil leergezogenen Häuser restauriert waren, kamen viele Familien aus dem Prenzlauer Berg hierher. Es war ihnen dort zu laut und zu touristisch geworden. Nach und nach wurden auch die Geschäfte und Kneipen neu eröffnet.

Es riecht wieder nach Blumen in der Florastraße, denn vier Blumenläden haben sich angesiedelt, die einander zu übertreffen suchen. Es gibt sechs Cafés, kleine und größere Restaurants. Der Italiener, der hier aufmachte, ist 

inzwischen so begehrt, dass man Tische reservieren muss, um einen Platz zu bekommen.

Hier gibt es den einzigen Hörbuchladen der Stadt, einen exklusiven Fischladen und einen Fleischer, zu dem man aus anderen Stadtbezirken gefahren kommt. 

Hier blüht der Osten, wie Radio 1 staunend und begeistert feststellte.