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06.07.18 / Neue Wende auf »Prager Art« / Tschechische Regierung will wieder mit Kommunisten zusammenarbeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-18 vom 06. Juli 2018

Neue Wende auf »Prager Art«
Tschechische Regierung will wieder mit Kommunisten zusammenarbeiten
Gernot Facius

Die dunkelroten Schmuddelkinder der tschechischen Politik erhaschen wieder einen Zipfel der Macht in Prag. Vergessen sind die Schwüre der demokratischen Revolutionäre im Herbst 1989, den Kommunisten nicht mehr die Hand zu reichen: Die Zweier-Koalition von ANO-Partei und Sozialdemokraten (CSSD) verhandelt mit ihnen über einen Tolerierungspakt. Das heißt, die dem alten diktatorischen System nachtrauernde KP kann, ohne eigene Minister am Kabinettstisch zu haben, den Kurs des Landes mitbestimmen. Eine „Wende“ eigener, tschechischer Art. Die CSSD-Parteibasis hat sich in einem Mitgliedervotum mit 58,5 Prozent für eine Regierungszusammenarbeit mit ANO unter Premier Andrej Babis ausgesprochen 40,2 Prozent stimmten dagegen, die Beteiligung lag bei 65 Prozent.  

Der CSSD-Vorsitzende Jan Hamacek sprach von einem „starken Mandat“. Allerdings waren aus seiner Partei auch andere Stimmen zu vernehmen, die vermutlich der politischen Wirklichkeit näher kommen. So warnte der frühere Außenminister Lubomir Zaoralek, die Sozialdemokraten seien in einer zu schwachen Position gegenüber dem „Populisten“ Babis. Zusammen kommen alle drei Parteien (ANO, CSSD und die roten „Tolerierer“) auf 108 der 200 Sitze im Abgeordnetenhaus. Für eine Mehrheit der Bürger ist, das zeigen Umfragen, die Tatsache, dass die ehemalige Regimepartei KP wieder ins Spiel gebracht wurde, kein großes Problem mehr. Die weitgehend unreformierte Partei sei auch fast 

30 Jahre nach der „Wende“ Teil des politischen Systems, befand der Politologe Jiri Pehe. Alarm schlugen hingegen die in die Opposition verbannten Bürgerdemokraten (ODS). Ihr Vorsitzender Petr Fiala sprach vom „Überschreiten einer roten Linie“. Er fürchtet vor allem Probleme für die Außenpolitik des Landes. Fiala sieht wie andere Beobachter ein gefährliches Abweichen von einem bislang verteidigten europäischen Konsens. 

Die KP rückte zwar von alten Forderungen wie dem Austritt aus der NATO ab, verlangt aber weiter umfassende wirtschafts- und sozialpolitische Zugeständnisse, und sie hat auch in den vergangenen Wochen einige potenzielle Anwärter auf Ministerposten abgelehnt. 

Seit Jahrzehnten agiert sie zudem gegen jegliche Kontakte oder Zusammenarbeit mit den vertriebenen Sudetendeutschen. Dass künftig Mitglieder einer von den Kommunisten tolerierten Prager Regierung an einem Sudetendeutschen Tag (ST) teilnehmen, dürfte fraglich sein. Anzeichen einer solchen Zurückhaltung waren bereits beim jüngsten ST zu erkennen. Kein tschechischer Offizieller mit Kabinettsrang ließ sich in den Augsburger Messehallen sehen. Allein vorsichtige Hinweise auf die Existenz der Benesch-Dekrete reichten, um nicht nach Augsburg zu reisen. Und der amtierende Premierminister Babis, der sich im Übrigen gegen den Vorwurf des EU-Subventionsbetrugs verteidigen muss, hat die Möglichkeit eines ST auf tschechischem Boden als Spekulation abgetan. 

Die sudetendeutsch-tschechischen Beziehungen gehen wieder raueren Zeiten entgegen. Abzulesen ist das unter anderem an der Prager Reaktion auf eine Bemerkung von Angela Merkel anlässlich des „Weltflüchtlingstages“ am 20. Juni in Berlin. Für Vertreibung, so Merkel, gebe es „weder eine moralische noch eine politische Rechtfertigung“. Eine sehr zurück-haltende Formulierung, dazu noch eingebettet in ihre bekannte Stellungnahme, Vertreibung und Flucht der Deutschen seien eine unmittelbare Folge des Zweiten Weltkrieges und der NS-Verbrechen gewesen. 

Über seinen Sprecher ließ Staatspräsident Milos Zeman dennoch „tiefste Missbilligung“ mitteilen. Und Premierminister Babis sprach von „absolut inakzeptablen“ Äußerungen: „Es ist sehr unglück-lich, dass alte Wunden aufgerissen werden.“ 

Da protestierte selbst der für seine moderate Haltung gegenüber Prag bekannte Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, mit einer scharfen Presseerklärung: „Ein Teil des tschechischen Establishment befindet sich auf einer Rutschbahn in die kommunistische Vergangenheit. Vertreibungen sind elementare Menschenrechtsverletzungen, kein Demokrat darf sie beschönigen oder rechtfertigen. Wer so denkt wie die (tschechischen) Merkel-Kritiker, der wird den Weg zu einem freien und menschlichen Europa, das den Nationalismus überwindet, verpassen.“