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06.07.18 / Die Galerie der Heiligen / Alter Meister der Schnitzkunst – Der Bildhauer Erasmus Grasser

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-18 vom 06. Juli 2018

Die Galerie der Heiligen
Alter Meister der Schnitzkunst – Der Bildhauer Erasmus Grasser
Susanne Habel

Tänzer und Märtyrer, Propheten und Päpste: Le­bensecht blicken großartige Skulpturen den Besucher an. Die teils farbigen, teils naturbelassenen Schnitzarbeiten fesseln durch Präsenz und Schönheit. Wie kein anderer Künstler prägte Erasmus Grasser die spätgotische Kunst in Bayern. Der Bildhauer starb vor 500 Jahren in München. Dort zeigt das Bayerische Nationalmuseum zum ersten Mal überhaupt Werke von Grasser in der Sonderschau „Bewegte Zeiten“.

Geboren etwa 1450 im oberpfälzischen Schmidmühlen bei Amberg, gelangte Grasser schon ab 1472 in München zu Ruhm: Er schuf die zehn geschnitzten Tänzerfiguren, Himmelsgestirne und Wappen für den „Tanzsaal“ des Alten Rathauses, einen wichtigen Versammlungsort – ein bedeutender Auftrag zur Zeit des Münchener Herzogs Albrecht IV. 

Fünf dieser „Moriskentänzer“ tanzen dem Besucher gleich im ersten Raum entgegen. Sie wirken so bunt-beweglich, dass man eher an einen heutigen Karnevalsumzug denkt als an eine spätmittelalterliche Tanzveranstaltung. Der Name bezieht sich auf ursprünglich wohl maurische Springtänze, die später auch bei Hofe aufgeführt wurden. So sieht man auch echte zeitgenössische Musikinstrumente in einem Exkurs-Raum, wo in das „Leben um 1500“ eingeführt wird. 

Eine weitere Abteilung schildert die „religiöse Welt“ der Zeit; die meisten erhaltenen Werke Grassers sind sakraler Natur und in kirchlichem Besitz. Rund 70 Originale sind durch Kooperation mit Kirchenstiftungen der Erzdiözese München und Freising sowie des Diözesanmuseums Freising als Leihgaben zu sehen. Eine ganze Galerie von Heiligen und Bibelfiguren blickt streng auf die Gäste herab, darunter 35 Büsten von Propheten, Aposteln, Evangelisten und Kirchenlehrern aus dem Chorgestühl des Münchner Liebfrauendoms. Andächtig stehen die Besucher vor dem echten Heilig-Kreuz-Altar aus der Wallfahrtskirche Sankt Maria in München-Ramersdorf. Viele bekreuzigen sich unwillkürlich vor den farbigen Tafeln und Altarfiguren.

Auch steht hier der rekonstruierte Hochaltar aus der Münchener Peterskirche mit den Tafelgemälden und der goldglänzenden Petrusstatue aus der Pfarrei Sankt Peter. Zeitgenössische Gemälde, Grafiken und Alltagsgegenstände stellen Grassers Werke in den Kontext seiner Lebenswelt. 1492 begann eine neue Zeit: Amerika wurde entdeckt, und mit Granada fiel auch die letzte Bastion der Mauren in Europa. Grassers Moriskentänzer erinnern an die damals untergegangene islamische Macht.


„Bewegte Zeiten. Der Bildhauer Erasmus Grasser (um 1450–1518)“ läuft bis 29. Juli im Bayerischen Nationalmuseum, Prinzregentenstraße 3, 80538 München, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr, Eintritt 12 Euro. Der Katalog (Hirmer Verlag, 408 Seiten) kostet im Museum 39 Euro, im Buchhandel 45 Euro. www. bayerisches-nationalmuseum.de