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06.07.18 / »Einer muss den Bluthund machen!« / Mit Gustav Noske kam vor 150 Jahren der unter Linken bestgehasste Weimarer SPD-Politiker zur Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-18 vom 06. Juli 2018

»Einer muss den Bluthund machen!«
Mit Gustav Noske kam vor 150 Jahren der unter Linken bestgehasste Weimarer SPD-Politiker zur Welt
Manuel Ruoff

Für die einen ist er ein „Retter Deutschlands“, für die anderen ein „Arbeiterverräter“. Gustav Noske polarisiert bis in die Gegenwart, vor allem in seiner eigenen Partei. Dabei verliefen die ersten Jahrzehnte der Vita dieses am 9. Juli 1868 in Brandenburg an der Havel geborenen SPD-Politikers der Kaiserzeit so unspektakulär wie die von unzähligen anderen. Er entstammte der Arbeiterschaft. Sein Vater war Weber und seine Mutter Arbeiterin. Er selber wurde nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule von 1874 bis 1882 Korbmacher. 1884 trat er in die SPD ein, in der er bis 1892 bis zum Vorsitzenden der Partei in Brandenburg aufstieg.

Für ausgewiesene Sozialdemokraten bot das Kaiserreich nicht sonderlich viele berufliche Aufstiegsmöglichkeiten. Neben den SPD-nahen Gewerk- und Genossenschaften sind hier insbesondere die Redaktionen sozialdemokratischer Zeitungen zu nennen. Auch der Korbmacher Noske wurde Journalist. 1892 arbeitete er in der Redaktion des SPD-Blattes seiner Heimatstadt, der „Brandenburger Zeitung“, 1893 wechselte er an die Pregelmetropole zur „Königsberger Volkstribüne“,  und 1897 wurde er Chefredakteur der „Volksstimme“ in Chemnitz.

Als Abgeordneter des Wahlkreises Chemnitz zog Noske 1906 in den Reichstag ein. Dort zeigte sich seine für einen Sozialdemokraten bemerkenswerte Affinität zum Militär und zu Kolonien. Bereits in seiner ersten Reichstagsrede äußerte er den Wunsch, „dass Deutschland möglichst wehrhaft ist“, und bezeichnete es als „unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit ... dafür zu sorgen, dass das deutsche Volk nicht etwa von irgendeinem Volk an die Wand gedrückt wird“. Noch zu Friedenszeiten erschien sein Buch „Kolonialpolitik und Sozialdemokratie“, in dem er sich für koloniale Erwerbungen aussprach. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges schrieb er: „So ist denn Krieg im Land. Uns alle beherrscht jetzt nur eine Frage: Wollen wir siegen? Und unsere Antwort lautet: Ja.“

Dies alles macht Noske bei der Linken unbeliebt, doch zum Hass­objekt wird er durch sein entschiedenes Vorgehen gegen die Versuche, die Novemberrevolution in ein Sowjetsystem münden zu lassen. 1918 ließ er sich von dem auch von seiner Partei unterstützten, demokratisch legitimierten kaiserlichen Reichskanzler Max von Baden nach Kiel schicken, um zu verhindern, dass von dort der revolutionäre Funke auf das Reich übergreift. Das gelang Noske zwar nicht, doch tat das seiner politischen Karriere keinen Abbruch. Als ausgewiesener Fachmann für militärische Fragen, der die Nähe zu den Waffenträgern des Reiches nicht scheute, wurde der politische Vertraute und persönliche Freund des SPD-Vorsitzenden Fried­rich Ebert nach dem Ausscheiden der Unabhängigen Sozialdemokraten aus dem Rat der Volksbeauftragten der für die Demobilisierung, Heer und Marine zuständige Volksbeauftragte. Bei der Bildung der ersten Weimarer Reichsregierung übernahm er das Reichswehrministerium. 

Mit den berühmten Worten „Meinetwegen! Einer muss den Bluthund machen! Ich scheue die Verantwortung nicht!“ übernahm er die Verantwortung für die militärische Verteidigung der parlamentarischen Demokratie gegen links.

Der enge Kontakt zu den Freikorps und den alten militärischen Eliten, die ihm beim Spartakusaufstand, den Berliner Märzkämpfen und diversen lokalen Aufständen halfen, wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Als seine Verbündeten selber 1920 putschten, wurde das von seinen Parteifreunden nicht zuletzt ihm vorgeworfen. Er sei zu nachsichtig, blauäugig, auf dem rechten Auge blind gewesen, habe sich täuschen lassen, statt dem Lüttwitz-Kapp-Putsch vorzubeugen. Nach dem Scheitern des Putsches verlor Noske nicht nur seinen Ministerposten, sondern wurde von seiner Partei auch nicht mehr als Kandidat für den Reichstag aufgestellt. Er wurde politisch kaltgestellt und auf den Posten des Oberpräsidenten der preußischen Provinz Hannover abgeschoben, wo er den Rest der Weimarer Republik verblieb. Politisch trat Noske in der Weimarer Zeit nicht mehr hervor, abgesehen davon, dass er nach dem Tode Eberts 1925 im Gegensatz zu seiner Partei nicht etwa den Zivilisten und Volksblockkandidaten Wilhelm Marx, sondern den Generalfeldmarschall und Reichsblockkandidaten Paul von Hindenburg bei den Präsidentschaftswahlen unterstützte. 

Im sogenannten Jahr der Macht­ergreifung wurde der rechte Sozialdemokrat erst beurlaubt und nach der Vollendung des 65. Lebensjahres entlassen. Noske hielt Kontakt zu vormaligen Genossen und stellte sich 1943 für den Fall eines Staatsstreichs als sogenannter Politischer Beauftragter im Wehrkreis IX (Kassel), in dem er seit 1933 wohnte, zur Verfügung. Nach dem Scheitern des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 wurde Noske verhaftet. Zu einer Verhandlung vor dem und Verurteilung durch den Volksgerichtshof kam es nicht mehr. Am 25. April 1945 wurde er aus dem Berliner Zellengefängnis Lehrter Straße entlassen.

Seine Ablehnung des Sowjet­systems verband ihn zwar mit dem neuen starken Mann in seiner westdeutschen Heimat, doch legte Kurt Schumacher auf seine Rückkehr auf die politische Bühne keinen Wert. Noske stand bei Kriegsende immerhin bereits im 77. Lebensjahr. Am 30. November 1946 erlag Gustav Noske in Hannover einem Schlaganfall.