25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.07.18 / Ihm konnte man nichts abschlagen / Der Gründervater der deutschen Minderheit wäre dieser Tage 100 Jahre alt geworden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-18 vom 06. Juli 2018

Ihm konnte man nichts abschlagen
Der Gründervater der deutschen Minderheit wäre dieser Tage 100 Jahre alt geworden
Chris W. Wagner

Die Deutschen in Polen feiern Johann Kroll, der am 25. Juni 100 Jahre alt geworden wäre, als mutigen Menschen, der in der Wendezeit die Chance ergriff und trotz offizieller Behauptungen bewies, dass es noch Deutsche in Polen gibt. Er trug maßgeblich dazu bei, dass am 16. Februar 1990 die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen im ‚Oppelner Schlesien‘ (SKGD) entstand, die bis heute die größte Organisation der Deutschen Minderheit in Oberschlesien ist.

Der Frührentner aus Gogolin, einer Kleinstadt bei Oppeln, hat ab 1988 Menschen in Oberschlesien überzeugen können, ihre Ängste zu überwinden und mit ihrer Unterschrift ihr Deutschtum zu bekunden. Mehr als 250000 Unterschriften hat er mit Mitstreitern sammeln können. Sein Überzeugungstalent war enorm, erinnert sich der Gogoliner Professor Joachim Piecuch. Der damals noch junge Geistliche begleitete Kroll auf seiner Zugreise in die deutsche Botschaft nach Warschau. „Im Gepäck hatten wir die Unterschriften von Menschen, die mit ihren Namen ihr Deutschtum dokumentierten. Es war kein ungefährliches Unterfangen und natürlich hatten wir Angst. Wir sind alle in dieser Atmosphäre der Angst aufgewachsen. Mit klopfenden Herzen haben wir es damals gemacht, schließlich wussten wir nicht, wie es ausgeht, ob die Deutsche Minderheit anerkannt wird. Dazu gehörte gewiss viel Mut, aber man hat viel Hoffnung im Herzen getragen“, so Pfarrer Piecuch, der sich selbst nicht als sonderlich mutig bezeichnet. „Johann Kroll konnte man kaum etwas abschlagen. Er war ein zutiefst herzlicher Mensch, dem man vertraute“, so Piecuch. 

Das Überzeugen war sein großes Talent, sagte der ehemalige Sejmabgeordnete der Deutschen in Polen und Sohn des 2000 verstorbenen „Mannes der Ersten Stunde“ im „Wochenblatt.pl“. „Als Kind, erinnere ich mich, dass er sich vor diesem Land und dem herrschenden System fürchtete. Aber er schaffte es, sich aus den Fängen der Angst loszureißen“, so Johanns Sohn Henryk Kroll, der unter anderem von 1991 bis 2008 als Abgeordneter die Organisation der Deutschen in der Woiwodschaft Oppeln anführte. Neben seinem Überzeugungstalent war Kroll senior auch ein hervorragender Organisator. Er gründete in Gogolin eine prosperierende landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft. „Manch einer sagte damals, was tust du da, es ist ja eine kommunistische Erfindung .... Aber ohne diese Genossenschaft hätten viele Menschen in der Gemeinde Gogolin damals nichts zu beißen gehabt und heute hätten sie auch keine hohe Altersrente! Doch mein Vater suchte dafür und für weiterer Unternehmungen keine Danksagungen und Ehrungen. Sein Ziel war es, hier in unserer Heimat etwas zu schaffen, was für seine Mitmenschen nützlich und brauchbar war. Das war für ihn Ehre genug und so erinnere ich mich an meinen Vater“, sagte Henryk Kroll.

Die Deutschen in Oberschlesien sind Kroll senior dankbar und drücken es auf unterschiedliche Weise aus. Pfarrer Piecuch, durch Kroll bestärkt, organisierte 1990 die ersten deutschsprachigen Messen in der Gogoliner Pfarrkirche und Maiandachten im Freien. „Ich hoffe, dass die Gläubigen nach der Messe mit einem Gerechtigkeitsgefühl nach Hause gehen und Freude an ihrem Deutschtum, der deutschen Sprache ausleben“, so Piecuch, der ohne Johanns Bestärkung und mutiges Handeln sein eigenes Deutschtum vielleicht nie offenbart hätte.

Im September vergangenen Jahres erhielt eine kleine Straße in Gogolin den Namen ulica Johanna Krolla. Es geschah im Zuge der Umbenennungen kommunistischer Namenspatrone gemäß des „Entkommunisierungsgesetzes“. Nur gleicht sie eher einem Feldweg. Dabei bemühen sich die Deutschen in Gogolin seit 2010 eine Straße nach dem Gründervater der Organisation in seiner Heimatstadt zu benennen. 2014, als eine neue Einfamilienhaus-Siedlung entstand, machten sie den Vorschlag, dort eine Straße nach Johann Kroll zu benennen, stießen in der Gemeinde jedoch auf taube Ohren. Nun scheint das Thema in der Gogoliner Gemeinde vom Tisch zu sein. Einen wirklichen Ehrenplatz erhielt Kroll in der Publikation „Berühmte Deutsche aus Schlesien“. Johann Kroll reiht sich in eine 14-köpfige Galerie zwischen Bernhard Grzimek, der Heiligen Hedwig, Edith Stein und Janosch ein. Am 30. Juni fand in Gogolin eine Debatte in memoriam Johann Krolls statt. Diskutiert wurde das Erbe der Organisationsgründerväter, an der neben Zeitzeugen und deren Nachkommen auch Wissenschaftler des Schlesischen Institutes aus Oppeln teilgenommen haben.