Kleider machen Leute. Seit der gleichnamigen Erzählung von Gottfried Keller ist dies allgemein bekannt. Wer wissen möchte, wie zumindest in früheren Tagen Bekleidung, die nicht aus Asien stammt, hergestellt wurde, erhält im Textilwerk in Bocholt einen lebendigen und anschaulichen Eindruck davon. Nach einem fünfmonatigen Umbau und einer Runderneuerung der Dauerausstellung ist die Weberei des Textilwerks seit dem 30. Mai wieder für die Allgemeinheit eröffnet worden.
Das Textilmuseum ist einer von acht Standorten des LWL-Industriemuseums Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur, das 1979 vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eingerichtet wurde, um nach eigenen Angaben „die Kultur des Industriezeitalters von den Anfängen bis zur Gegenwart“ zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es ist wohl das erste und größte Industriemuseum in Deutschland.
Die zum Münsterland zählende Stadt Bocholt gehörte einst zu den wichtigsten Standorten der westfälischen und deutschen Textilindustrie. In seiner Blütezeit beschäftigte die Branche bis zu 10000 Menschen. Als der Strukturwandel einsetzte, eröffnete der Landschaftsverband 1984 am Bocholter Aasee das Textilmuseum. Eine Fabrik stand damals allerdings nicht zur Verfügung – also wurde eigens eine Weberei nach historischem Vorbild aufgebaut.
In einem Maschinenhaus arbeitet eine große, zweizylindrige Dampfmaschine aus dem Jahr 1917, die das Herz der Weberei ist. Im großen Saal sind die Webstühle tätig. Hier kann der Besucher den Webvorgang nachvollziehen, der mit jedem sogenannten Schuss „wächst“.
Das Arbeiterhaus hat Schlafräume, eine gute Stube und Vorratskeller. In der engen Wohnküche soll der Alltag nach der Schicht in der Fabrik lebendig werden. An Hörstationen erzählen Zeitzeugen vom Waschen, Kochen und der Arbeit im Garten hinter dem Haus. Draußen im Gemüsegarten wachsen auch heute noch Kohl und Kartoffeln, während Hühner nach Futter picken.
In der Spinnerei Herding haben sich in früheren Tagen über 20000 Spindeln gedreht. Heute als Forum für Textilkultur genutzt, sind in dem Gebäude, das sich nicht auf dem eigentlichen Museumsgelände, sondern in einem eigenständigen Komplex ganz in der Nähe befindet, Sonderausstellungen zu sehen.
Ein umfangreiches museumspädagogisches Angebot für Kinder, Jugendliche und andere Personengruppen sorgt dafür, dass sich hier viele Familien und Schulklassen einfinden. Doch auch als individueller Besucher taucht man hier in eine (Industrie-)Geschichte ein, die zwar noch nicht allzu lange her ist, trotzdem aber schon irgendwie fremd geworden ist. Gut, dass sie hier aufbewahrt wird.
www.lwl.org/industriemuseum