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06.07.18 / Als Berlin Insel im kommunistischen Machtbereich war

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-18 vom 06. Juli 2018

Als Berlin Insel im kommunistischen Machtbereich war
Karlheinz Lau

Vor 70 Jahren, am 28. Juni 1948, begann die von vielen damaligen Zeitgenossen für überhaupt nicht durchführbar gehaltene Luftbrücke. 

Zu jener Zeit war Groß-Berlin bereits eine politisch geteilte Stadt. Ost-Berlin, die spätere „Hauptstadt der DDR“, war der sowjetische Teil, in den drei Westsektoren hatten die USA, Großbritannien und Frankreich die politische Verantwortung. Ganz Berlin war umgeben von der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, sodass West-Berlin wie eine Insel im kommunistischen Machtbereich lag. Bis zum 13. August 1961 herrschte Freizügigkeit für die Deutschen zwischen den politischen Einflussgebieten. 

Diese Grundkenntnisse sind wichtig für das Verständnis des Buches. Es ist keine Sammlung persönlicher Erlebnisberichte von Berlinern aus allen Teilen der Stadt, die als Zeitzeugen die Luftbrücke unmittelbar erlebt hatten. In dieser Arbeit geht es vielmehr um Rezeption und Bewertung eines bisher einmaligen Ereignisses aus zeitlichem Abstand. Alle 20 Autoren sind nach 1949 geboren. Deutsche, Franzosen, US-Amerikaner und Polen, überwiegend Historiker, Journalisten, Kulturwissenschaftler, bearbeiten ihre Themen aus unterschiedlichen Perspektiven. So wird das Thema Luftbrücke in den USA, Großbritannien, Frankreich und Polen behandelt. Seltsamerweise fehlt ein eigener Beitrag über das Echo in der Sowjetunion und in Ost-Berlin und der Ostzone. 

Für Polen stand die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige Westgrenze ganz eindeutig im Vordergrund des politischen Interesses, die Blockade von West-Berlin wurde in den Medien kaum thematisiert. Breiten Raum nimmt die Berliner Luftbrücke aus politischer und historischer Perspektive ein, wobei hier persönliche Erinnerungen von Zeitzeugen einbezogen werden (Rosinenbomber ). Die Luftbrücke war aber auch Thema von Mode, Film und Wochenschau, die Zeit der heute gängigen Medien begann bekanntlich viel später. 

Interessante Beiträge beschäftigen sich mit dem Streit um das Luftbrückendenkmal für Berlin 1949 bis 1951 und dem Flugplatz Berlin-Gatow. Dieser war in den ersten Monaten der Blockade der wichtigste Flughafen für die Alliierten. Der neu erbaute Flugplatz Tegel wurde erst Ende 1948 für Gütertransporte eröffnet.  Tempelhof wird aber seit je mit der Luftbrücke assoziiert. Zu damaliger Zeit war das heutige und zukünftige Schicksal dieser drei Berliner Flughäfen nicht abzusehen: Gatow ist heute Luftwaffenmuseum der Bundeswehr, Tempelhof ist seit geraumer Zeit als Flugplatz entwidmet und Tegel soll nach Fertigstellung des BER geschlossen werden . Das letzte Wort scheint aber noch nicht gesprochen zu sein. 

Bis heute verbinden viele Menschen nicht nur in Berlin und in den Beiträgen des Buches zwei Persönlichkeiten mit der Luftbrücke: Ernst Reuter, damaliger Bürgermeister von Berlin, allerdings nur mit „Geltungsbereich“ West-Berlin, sowie der US-amerikanische Militärgouverneur General Lucius. Clay, auch Vater der Luftbrücke genannt. Er ist bis heute in der Stadt populär. Als bemerkenswert wird die mentale Einstellung der West-Berliner Bevölkerung während der Blockade geschildert. Aus den Besatzungsmächten USA, England und Frankreich wurden Schutzmächte und schließlich auch befreundete Staaten. Diese Sympathien sind bis heute spürbar. Jedwede Erinnerungen an die Bombardierungen bis zum Ende des Krieges 1945 spielten durch die  Erfahrungen der Luftbrücke bei den Menschen kaum noch eine Rolle. Etwas kurz geraten ist der Aspekt von der Freizügigkeit der Deutschen zwischen Ost und West nicht nur innerhalb Berlins, sondern auch in die Ostzone.  Herausragend war dabei die ablehnende Haltung der großen Mehrheit der West-Berliner, gegenüber jeglichen Angeboten, in Ost-Berlin Lebensmittel einzukaufen. Es wurde ein freiwilliger Boykott. Allen Autoren wird bescheinigt, dass sie ihre Themen aufgrund gründlicher Recherchen und  unter Berücksichtigung des neuesten Forschungsstandes bearbeitet haben. Es ist kein oberflächliches Werk, dem Leser wird viel an aspektreichen Informationen angeboten, das Buch ist für alle  Generationen zu empfehlen, die an deutsch e r, europäisch e r und internationaler Geschichte interessiert sind. Die Berliner Luftbrücke ist allerdings mehr als ein Erinnerungsort des Kalten Krieges, das Ereignis reiht sich ein in die  Geschichte des Widerstands von Bürgern gegen die kommunistische Zwangsherrschaft – 17. Juni 1953 in Ost-Berlin und in der DDR, in Polen, Ungarn und der CSSR und schließlich die „Wende“ 1989/90. 

Corine Derfrance/ Bettina Greiner/ Ulrich Pfeil (Hg.): „Die Berliner Luftbrücke. Erinnerungsort des Kalten Krieges“, C.H. Links Verlag, Berlin  2018, gebunden, 360 Seiten, 24,99 Euro