26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.07.18 / Keiner will Neuwahlen / Warum die im Bundestag vertretenen Parteien am Fortbestand der Groko interessiert sind

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-18 vom 13. Juli 2018

Keiner will Neuwahlen
Warum die im Bundestag vertretenen Parteien am Fortbestand der Groko interessiert sind
Peter Entinger

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben sich in den Sommerurlaub verabschiedet. Die Bundesregierung bleibt nach dem mühsam gefundenen sogenannten Asylkompromiss im Amt. Aber wie lange noch?

Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Große Koalition nach den Ferien nicht wesentlich harmonischer agieren wird als in den vergangenen Wochen. Zuviel steht auf dem Spiel, wenn im Herbst zunächst in Hessen und wenig später dann in Bayern gewählt wird. Das Einlenken der CSU nach dem erbitterten Streit, die milden Töne der Bundeskanzlerin Angela Merkel in Richtung der Schwesterpartei und das allzu willfährige Abnicken des sogenannten Asylkompromisses durch die SPD lassen nur einen Schluss zu: Niemand innerhalb der Großen Koalition hatte Interesse an Neuwahlen, schon gar nicht im Doppelpack mit der Bayern-Wahl.

„Wir könnten über Nacht losschlagen und Kreisverbände gründen. Diese Planungen gab es schon vor Jahren“, sagte der frühere thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel über einen möglichen Wahlantritt der CDU in Bayern. Dass es Merkels Partei gelungen wäre, eine halbwegs vernünftige Landesliste im Freistaat zur Bundestagswahl aufzustellen, steht außer Frage. Ein flächendeckender Antritt zur Landtagswahl wäre in der Kürze der Zeit aber wohl nur schwierig zu bewerkstelligen gewesen. 

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte sich beeilt zu erklären, es gebe keinen Plan dafür in der Schublade. Gefordert hatte das Christian Bäumler, Vizevorsitzender des CDU-Arbeitnehmerflügels. Vorbereitungen zur Gründung eines CDU-Landesverbandes „könnten der CSU näherbringen, dass Wahlen auch in Bayern nicht am rechten Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft gewonnen werden«, sagte er dem „Handelsblatt“.

Gebannt haben Politiker aller Parteien zuletzt auf die Demoskopen geschaut. Doch es hat sich erstaunlich wenig getan. Union und SPD liegen nach wie vor leicht unter ihrem Ergebnis der Bundestagswahl, FDP, Grüne und Linke legen mal leicht zu, mal geben sie leicht ab. Lediglich die AfD könnte mit einem Plus von drei bis vier Prozentpunkten merklich zulegen, eine tiefgreifende politische Wende ist aber nicht in Sicht.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich gegen Spekulationen über mögliche Neuwahlen gewandt. „Die Bürger haben gewählt“, sagte der stellvertretende SPD-Chef der „Rheinischen Post“. „Wir haben vom Wähler das Mandat bekommen, das Land voranzubringen“, fügte er hinzu. Der Koalitionsvertrag sei „eine gute Grundlage“ für die Arbeit der Regierung, sagte Scholz und fügte hinzu: „Es gibt dazu keine seriöse Alternative.“

Dennoch berichteten Korrespondenten aus der SPD-Zentrale, man habe dort die Befürchtung, eine Zustimmung zum Asylkompromiss könne die Basis verärgern und damit das Ende der Regierung einläuten. Sollten sich bei möglichen Neuwahlen die Kräfteverhältnisse nicht merklich verschieben, stünden die Genossen dann vor einem Dilemma und müssten wohl abermals ihre Mitglieder befragen. Viele Mitglieder hätten beim Mitgliederentscheid im vergangenen Herbst nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst vor einem Untergang der Partei bei Neuwahlen für die Neuauflage des Bündnisses mit der Union gestimmt. 

Neuwahlen kämen aber nicht nur für die Regierungsparteien zur Unzeit. Auch die größte Oppositionspartei war zuletzt spürbar erleichtert, dass ihre Abgeordneten ohne die Aussicht auf einen erneuten Bundestagswahlkampf in die Sommerferien gehen konnten. Entgegen aller Unkenrufe hatte sich die AfD-Fraktion nach der Bundestagswahl im vergangenen September schnell gefunden, sogar den Austritt der ehemaligen Parteivorsitzenden Frauke Petry gut verkraftet. Viele Abgeordnete hatten aber Mühe, geeignetes Personal zu finden. Jetzt, wo gerade erst eine professionelle Arbeitsleistung gewährleistet sei, kämen Neuwahlen gar nicht gut, heißt es aus der Fraktion. Offiziell klingt das natürlich anders, wenn Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland erklärt, seine Partei freue sich auf einen Wahlkampf gegen die Kanzlerin Merkel, aus dem die AfD als großer Gewinner hervorgehen würde. Gaulands Wiederwahl wäre naturgemäß sicher, allerdings fürchten viele Abgeordnete, in den chronisch unruhigen Landesverbänden könnte es ein Hauen und Stechen um aussichtsreiche Listenplätze geben. Es seien Anfechtungen zu befürchten, am Ende liefe die AfD gar Gefahr, nicht in allen Bundesländern antreten zu können, heißt es aus der Partei.

Ähnlich unruhig könnte es für den Fall der Fälle bei der Linkspartei zugehen. Obwohl die Umfragewerte gut sind, gelten Partei- und Fraktionsspitze als zerstritten. Bei möglichen Listenaufstellungen könnten die Anhänger von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht unter Druck geraten, da diese im Verdacht steht, eine neue Partei gründen zu wollen, weil sie seit Monaten für eine linke Sammlungsbewegung trommelt. 

Verdächtig ruhig ist es dagegen bei der FDP. Das liegt auch daran, dass der Vorsitzende Christian Lindner in Berlin eine One-Man-Show veranstaltet und händeringend ein Thema zur Selbstdarstellung sucht. Ihre Weigerung, in eine Jamaika-Koalition einzutreten, hat der FDP viele Optionen genommen. „Warum FDP wählen?“, könnten sich viele Bürger bei Neuwahlen fragen. Ganz ähnlich ist die Sachlage bei den Grünen. Dort sind die Umfragewerte zwar gut, zudem wird der neue Parteichef Robert Habeck als Medienliebling durch die Diskussionssendungen gereicht. Aber die einzige Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung wäre es, den Platz der CSU in einem Bündnis mit SPD und CDU einzunehmen. Das sei der teilweise sehr linken Basis kaum zu vermitteln, heißt es aus der Partei.