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13.07.18 / Profit mit dem Müll / Das geplante Verpackungsgesetz wirft seine Schatten voraus – Discounter Lidl will bei der Müllentsorgung mitverdienen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-18 vom 13. Juli 2018

Profit mit dem Müll
Das geplante Verpackungsgesetz wirft seine Schatten voraus – Discounter Lidl will bei der Müllentsorgung mitverdienen
Peter Entinger

Am 1. Januar 2019 tritt das neue Verpackungsgesetz der Bundesregierung in Kraft. Derzeit sortiert sich der Markt neu, denn der Müll könnte für Hersteller teurer und für Entsorger lukrativer werden. Nun mischt auch noch der Discount-Riese Lidl mit.

Die im baden-württembergischen Neckarslum ansässige Schwarz-Gruppe, einer der größten Lebensmittelhändler der Welt, hat Anfang Juli angekündigt, das Abfallunternehmen Tönsmeier zu übernehmen. Damit kommt die Gruppe, zu der die Supermarktkette Lidl und der die Einkaufsmärkte von Kaufland gehören, einen wichtigen Schritt beim Ausbau ihres Entsorgungs- und Recyclinggeschäfts voran. 

Die Übernahme soll rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres durch Green Cycle, ein Tochterunternehmen des Schwarz-Konzerns, erfolgen. Hintergrund des Deals ist offenbar ist das neue Verpackungsgesetz. Es schreibt den Dualen Systemen wie „Der Grüne Punkt“, die gelbe Tonnen und Säcke organisieren, ab dem kommenden Jahr vor, ihre Preise an die Wiederverwertbarkeit von Verpackungen zu koppeln. 

Die neue Regelung soll Anreize für die Hersteller schaffen, auf wiederverwertbare Verpackungen zu setzen. Wie das Umweltbundesamt mitteilte, stieg die Verpackungsabfall-Menge zuletzt auf den Höchststand von 18,2 Millionen Tonnen. Verantwortlich hierfür seien Trends zu kleineren Portionen, Fertiggerichten, Versandhandel und dem Verkauf „zum Mitnehmen“ von Speisen und Getränken. 

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte der Deutschen Presseagentur, die neue Regelung setze einen „ökologischen Wettbewerb“ in Gang. „Den brauchen wir, damit das Vertrauen in unser Entsorgungssystem wieder wächst.“ 

In Abstimmung mit dem Umweltbundesamt (UBA) stellte die Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR), die ab 2019 das Recycling kontrolliert, Ende Juni Vorschläge vor. Ein Jo­ghurtbecher mit großer Papp-Hülle und Aludeckel oder bestimmte gefärbte Plastik-Verpackungen könnten demnach für die Hersteller künftig teurer und damit für die Entsorger lukrativer werden. 

Jahrelang hat es sich Deutschland einfach gemacht. Früher verschiffte Deutschland allein 

1,5 Millionen Tonnen Altplastik in die Volksrepublik China und nach Hongkong. Die Asiaten brauchten den Rohstoff für die heimische Wirtschaft. Das Geschäft mit dem Müll war durchaus lukrativ. Pro Tonne Plastikmüll flossen 20 Euro an deutsche Recycling-Unternehmen. Doch damit ist Schluss, weil Peking ein eigenes Recycling-System installiert hat. 

Der Importstopp komme nicht überraschend, sagte Peter Kurth, Präsident des Bundesverbandes der Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) gegen­über der Deutschen Welle. Er fordert einen deutlichen Ausbau der Kreislaufwirtschaft nicht nur für Plastikmüll in Deutschland: „Es geht nicht nur darum, den Plastikmüll noch besser zu sammeln und zu trennen. Jetzt sind auch die Hersteller von Verpackungen gefragt.“

Genau in diese Richtung zielt auch das neue Gesetz. Und es könnte die Entsorgung richtig lukrativ machen. Durch die Übernahme tritt die Schwarz-Gruppe nun in direkten Wettbewerb zu den Branchenführern wie Remondis und Alba oder Veolia und Suez. Den Einstieg bei Tönsmeier, der bisherigen Nummer Fünf auf dem deutschen Entsorgungsmarkt, vollzieht die Lidl-Mutter dabei über die Tochtergesellschaft GreenCycle. Der Recyclingdienstleister ist für die Sammlung, Sortierung und Verwertung von jährlich rund zwei Millionen Tonnen Wertstoffen verantwortlich, die in den Filialen von Lidl und Kaufland anfallen. „Wir verfolgen eine klare Wachstumsstrategie und möchten uns als Treiber der Kreislaufwirtschaft und mit nachhaltigen Innovationen am Markt etablieren“, erklärte Dietmar Böhm, der Geschäftsführer von GreenCycle gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“. 

Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtet, stand die Tönsmeier-Gruppe mit Sitz im nordrhein-westfälischen Porta Westfalica seit Frühjahr zum Verkauf. Als Interessenten seien unter anderem der Branchenführer Remondis, die deutsche Tochtergesellschaft der französischen Veolia und der niederländische Finanzinvestor Waterland gehandelt worden. Das Gesamtpaket von Greencycle habe allerdings am meisten überzeugt. „Tönsmeier hat jetzt beste Chancen, unter dem neuen Eigentümer weiterhin profitabel zu wachsen“, teilte die Eigentümer-Familie mit. 2017 hatte das Unternehmen mit etwa 3000 Mitarbeitern rund 500 Millionen Euro umgesetzt. Der Gewinn lag dabei immerhin im zweistelligen Millionenbereich.

Mit der Übernahme von Tönsmeier will die Schwarz-Gruppe, die bisher die firmeninterne Entsorgungsfirma fast ausschließlich für den Eigenbedarf einsetzte, auf dem bundesweiten Entsorgungsmarkt mitmischen. „Wir erweitern dieses Marktsegment und wollen damit Geld verdienen. Diese Dienstleistung muss ohnehin bezahlt werden. Und bei unserer Größe ergibt es durchaus Sinn, die Sammlung selbst zu übernehmen“, erklärt eine Sprecherin: „Wir schaffen damit Wertschöpfung im Unternehmen.“

Wie die „FAZ“ unter Berufung auf Branchenexperten schrieb, plane die Schwarz-Gruppe zudem, ein eigenes duales System aufzumachen. „Der Markt für die dualen Systeme sortiert sich neu“, teilte das Unternehmen dazu lapidar mit. Man stehe am Anfang einer größeren Konsolidierungswelle. Schwarze Schafe, die bisher versucht hätten, Lücken im Gesetz auszunutzen, stünden schweren Zeiten gegen­über. 

„Tönsmeier bringt großes Wissen in unsere Gruppe ein. Jetzt können wir Kreisläufe noch besser schließen und unser Wertstoffgeschäft ausbauen“, erklärte die Schwarz-Gruppe. Der Jahresumsatz von zuletzt mehr als 400 Milliarden Euro dürfte weiter steigen, was Lidl im Kampf gegen Aldi um die Nummer 1 unter den Discountern weiter Auftrieb geben wird.