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13.07.18 / Die Hauptstadtbühne vibriert / Beim Konzertsommer Berlin kommen Jung und Alt zusammen – Für sie alle heißt es: Eintritt frei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-18 vom 13. Juli 2018

Die Hauptstadtbühne vibriert
Beim Konzertsommer Berlin kommen Jung und Alt zusammen – Für sie alle heißt es: Eintritt frei
Susan Bäthge

Die Hauptstadt vibriert. Leichtigkeit liegt in der heißen Luft, Le­bendigkeit regiert. In allen Bezirken, an nahezu jeder Straßenecke finden Kiezfeste, Partys und Festivals statt. Kulturgenuss muss nicht teuer sein. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen und Konzerte aller Art sind kostenlos. 

Bei schönem Wetter kann in der Strandbar am Monbijoupark in Mitte sogar das Tanzbein ge­schwungen werden. Swing-, Tango-, Walzer- und Salsaklänge laden an jedem Abend direkt an das Spreeufer mit Blick auf das historische Bodemuseum inklusive. Im August versammelt das Straßenmusik-Festival „East Side Music Days“ in Friedrichshain Nachwuchsbands an einem Ort, und am 1. Juli startete der Berliner Konzertsommer im Tiergarten mit einer wahren Jazzlegende in die Saison. Das Teehaus, ein besonders verwunschener Ort, bietet zum 20. Mal in Folge Musikern eine Plattform mitten im Grünen. Bis Anfang September jeden Sonntag ab 16 Uhr.

Die kleine Bühne im Berliner Englischen Garten ist eröffnet. Gesangsvirtuose Keith Tynes, der schon mit Größen wie Stevie Wonder, Gloria Gaynor oder den Weather Girls weltweit Konzerthallen zum Beben brachte, strahlt mit der Abendsonne um die Wette, und seine verschmitzten braunen Augen verraten die ungebändigte Lebensfreude, die ihn antreibt. Das ist purer Enthusiasmus seit 50 Jahren.

Als Mitglied der legendären US-Band „The Platters“ tourte der Strahlemann rund um die Welt und sang Schlager wie „Only You“, „The Great Pretender“ oder „Smoke Gets in your Eyes“. Er liebt und lebt den Soul der 70er und 80er, lässt Popsängerin Chaka Khan aufleben, huldigt der Band Earth, Wind and Fire, verehrt Lionel Richie „all night long“ und setzt Whitney Houston mit seiner Interpretation ihrer Ballade „Greatest Love of All“ ein musikalisches Denkmal. Sehnsuchtsvolle Erinnerungen an die Jugend spiegeln sich in vielen Gesichtern wieder. 

„Es ist so wahnsinnig aufregend hier zu spielen. Dieser einmalige Park, das schöne Wetter, all die Gerüche, ein Genuss für alle Sinne. Berlin findet draußen statt, ich bin nie zu Hause im Sommer“, verrät der 63-jährige Wahlberliner. Ein echter Alleinunterhalter mit Herz und Stimmvolumen, der sich selbst wie 27 fühlt, eröffnet den diesjährigen Konzertsommer im Tiergarten. „I feel good“, interpretiert er ausdrucksstark Blues- und Soul-Legende James Brown, und die Zuhörer singen nicht nur den Refrain mit, sondern tanzen ausgelassen miteinander. Musik verbindet und verzaubert eben.

„Der Mix aus Gästen ist fantastisch“, schwärmt Teehaus-Betreiber Christian Münster. „Zu uns kommen die Abgedrehten und Aristokraten, die Jungen und Alten.“ Und die Stimmung ist fantastisch. Es wird laut mitgesungen, mitgetanzt, mitgefiebert. Und das bei 20 Konzerten mit einem breiten Spektrum von Latin, Jazz und Folk bis zu Reggae, Ska und Elektro-Swing. Am ersten Septembersonntag schließt die Göttin des Souls, Ingrid Arthur aus Georgia, mit ihrer Jam-Session die Sommerbühne. 

Umsonst und draußen – wie es früher hieß – zieht die Berliner und ihre Gäste in den Bann. Wer Glück hat, sichert sich im Teehaus einen der rund 400 Plätze im Außenbereich, Verzehrpflicht gibt es keine. Die saftig grünen Rasenflächen des Tiergartens rundherum laden zum gemütlichen Pick­nick ein. Unter großen alten Eichen und verspielt wirkenden Akazienbäumen breiten Musikliebhaber ihre Decken aus, bunte Tupperboxen ploppen, Sektkorken knallen. Die pulsierende Weltmetropole entwickelt auf einmal einen besinnlichen Klang.

Man genießt und feiert unter freiem Sommerhimmel. Fernab des Hauptstadttrubels, voller Straßen und grölender Fußball-Liebhaber. Die Fanmeile wenige Meter weiter an der Straße des 17. Juni war nicht zu hören. 

Das Teehaus liegt idyllisch, eingebettet in das grüne Herz Berlins. Ende des 17. Jahrhunderts ließ Kurfürst Friedrich III. aus dem ehemaligen Jagdrevier einen Lustpark für die Bevölkerung anlegen. Im 19. Jahrhundert wurde der dann vom berühmten Landschaftsgestalter Peter Joseph Lenné in einen englischen Volkspark verwandelt. Eine der schönsten Ecken ist der rund um einen Teich angelegte Englische Garten, der Einblick in die Landschaftsarchitektur der Heimat von Shakespeare und den Beatles gibt.

Jüngere Bands wie die Lehmann Brothers aus Frankreich reisen im Schnellzug aus Paris zum Berliner Konzertsommer an, schlafen zu neunt unter irgendeinem Baum und freuen sich ihres Lebens. Ihren rhythmischen Hip-Hop präsentieren sie ambitioniert und völlig losgelöst. Dabei sein ist eben alles!

Mit Herzblut und Engagement haben Christian Münster und seine Ehefrau Bianca Schönemann ihre Konzertreihe vorbereitet. Sie geben, ohne gleich an das Nehmen zu denken. „Wir bekommen keine müde Mark von der Stadt, weil man uns nicht für förderwürdig hält. Wir haben einfach Lust, Berlinern und Touristen etwas Kultur zu bieten.“

100000 Euro verschlingen die 20 Konzerte an zehn Sonntagen. Einnahmen von eisgekühlten Cocktails und frisch Gegrilltem, heißem Kaffee und selbstgebackenem Kuchen decken die Ausgaben bei Weitem nicht. Werbewirksam sind die Freilicht-Konzerte natürlich schon. Damit kennt sich der Werbefachmann, der die Kosten mit seiner Kölner Agentur kompensiert, aus. 5000 Gäste sorgen für Mund-zu-Mund-Propaganda, weit über die Landesgrenzen hinaus.

„Are you happy?“ schmettert Strahlemann Keith Tynes mehrfach in die brodelnde Menge. „Jaaa, Jaaa!“ Seine pure Herzensenergie schwappt direkt zurück auf die Bühne. Eine kleine intime Feier inmitten einer Weltstadt. „Celebrate good times, come on“: Der Kool-&-the-Gangs-Klassiker gibt an diesem Sonntag eindeutig den Ton an.


Infos und Programm unter www.konzertsommer.jimdo.com