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13.07.18 / Nicht nur ein Überfall – eine Premiere / Tondern Raid: Der erste Luftangriff mit Flugzeugen, die von einem Träger gestartet waren, um auf diesem später auch wieder zu landen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-18 vom 13. Juli 2018

Nicht nur ein Überfall – eine Premiere
Tondern Raid: Der erste Luftangriff mit Flugzeugen, die von einem Träger gestartet waren, um auf diesem später auch wieder zu landen
Klaus Gröbig

Am 19. Juli 1918, standen sieben Sopwith F.1 „Camel“ (Kamel), von der Sopwith Aviation Company entwickelte und gebaute Doppeldecker, mit jeweils zwei 50-Kilogramm-Bomben zum Start bereit. Die Jagdflugzeuge sollten einen Angriff auf den deutschen Zeppelinstützpunkt Tondern in Nordschleswig fliegen. Starten sollten sie zu ihrem Luftangriff nicht wie gewöhnlich von einem Flughafen, sondern von dem Flugdeck eines Schiffes, auf dem sie nach verrichtetem Zerstörungswerk auch wieder landen sollten. Das Unternehmen trug den offiziellen Titel „Operation F.7“, ist aber besser bekannt als „Tondern raid“ (Tondern-Überfall). Das Schiff, auf dem die Trägerflugzeuge stationiert waren, war das britische Kriegsschiff „Furious“ (wütend). 

Das 1915/16 bei Armstrong Whitworth in Elswick gebaute Schiff war eines der drei Großen Leichten Kreuzer (large light 

cruiser) die Winston Churchill und Lord „Jacky“ Fisher hatten bauen lassen, um in der Ostsee ein Landungsunternehmen gegen die Küste Pommerns durchzuführen. Die Einheiten waren als Artilleriekampfschiffe allerdings ausgesprochene Fehlkonstruktionen und wurden allesamt zu Flugzeugträgern umgebaut. Mit der „Furious“ wurde angefangen. Insgesamt viermal wurde das Schiff umgebaut, bis es eine brauchbare Konstruktion war und im Zweiten Weltkrieg wertvolle Dienste leisten konnte. 

Am 19. Juni 1918 lief die „Furious“-Gruppe aus, um letzte Flugversuche durchzuführen. Die Wetterbedingungen waren schwierig, Zwei deutsche Seeflugzeuge klärten gegen die Gruppe auf. Von der „Furious“ starteten zwei „Camel“. Die Piloten waren Lieutenant Graham Heath und Lieutenant Basedon. Heath hatte Erfolg und konnte eines der beiden Seeflugzeuge abschießen, das zweite verschwand unbehelligt in den Wolken. Während Heath sicher auf der „Furious“ landete, musste Basedon sein Flugzeug wassern und wurde vom Zerstörer „Wolfshound“ an Bord genommen.

Am 17. Juli 1918 wurde es ernst. Die „Furious“ verließ Rosyth mit den sieben Kampffliegern an Bord, die Tondern angreifen sollten. Als Nahsicherung begleitete die Force A den Träger. Neben einigen Zerstörern waren das die Leichten Kreuzer „Caledon“, „Galatea“, „Royalist“, „Phaeton“ und „Inconstant“. Als Fernsicherung standen das Erste Schlachtgeschwader, das siebte Kreuzergeschwader und einige Zerstörer bereit. Nicht alles lief rund. Ein schwerer Sturm am 18. Juli ließ einen erfolgreichen Start der Flugzeuge zweifelhaft erscheinen. So wurde der Luftangriff um 24 Stunden verschoben. Ursprünglich hatten acht Maschinen den Angriff ausführen sollen. Eine „Camel“ war aber abgestürzt, ohne dass kurzfristig Ersatz verfügbar gewesen wäre. 

Die „Furious“ steuerte einen Punkt 80 Meilen nordwestlich von Tondern vor der dänischen Küste auf der Höhe von Lyngvig an. Die „Camel“ standen auf dem Startdeck bereit. Es war noch dunkel, als um 3.14 Uhr die erste Gruppe der Angreifer startete. Die Piloten Jackson, Dickson und Williams hoben problemlos vom Startdeck ab und verschwanden in der Nacht. Acht Minuten später starteten die „Camel“ der Piloten Smart, Thyne, Dawson und Yeulett. Der erste Luftangriff von Radflugzeugen, die von der Startbahn eines Schiffes abgehoben hatten und auf diesem wieder landen sollten, hatte begonnen.

Nach knapp anderthalbstündiger Flugzeit, um 4.35 Uhr, waren die ersten drei Flieger über Tondern. Sie griffen die Toska-Halle, die größte der Zeppelinhallen, mit ihren Bomben an und sahen die Halle in Flammen aufgehen. Von sechs geworfenen Bomben trafen fünf die Halle, die nicht nur selbst abbrannte, denn auch die dort abgestellten Luftschiffe L 54 und L 60 wurden vernichtet.

Die nächste Welle erschien um 4.50 Uhr über Tondern. Von den ursprünglich vier gestarteten Maschinen waren aber nur noch drei dabei. Pilot Thyne hatte über der Nordsee Maschinenschaden und musste notlanden. Der Zerstörer „Viceroy“ rettete ihn aus Seenot. Auch um die Treffsicherheit der zweiten Welle war es weniger gut bestellt. Ein Flugzeug griff die Stadt Tondern an und warf eine Bombe auf dem Viehmarkt der Stadt. Die übrigen Angreifer attackierten die beiden älteren Hallen und brachten dort zwei Treffer an. 

Die Piloten Jackson und Willimson von der ersten Welle versuchten gar nicht erst, zur „Furious“ zurückzukehren. Sie wählten einen sicheren Weg. Nach dem Angriff hielten Sie Kurs Nord, bis sie die nahe dänische Grenze erreicht hatten. Captain Jackson machte in der Nähe von Bramming eine Bruchlandung, Lieutenant Williams konnte mit seiner Maschine unversehrt in der Nähe von Esbjerg aufsetzen.

Pilot Dickson von der ersten Welle hingegen flog zu seinem Mutterschiff zurück. Eine Landung auf dem Flugdeck versuchte er jedoch nicht, sondern wasserte. Ein Begleitzerstörer fischte ihn auf.

Pilot Yeulett nahm nach dem Angriff Kurs auf die offene See. Aber er erreichte das Mutterschiff nicht mehr und blieb zunächst verschollen. Später wurde seine Leiche an der dänischen Küste angespült und auf einem Friedhof beerdigt. Dawson flog ebenfalls mit Kurs Nord nach Dänemark und landete wohlbehalten in der Region Holmsland, wo er interniert wurde. Pilot Smart konnte die „Furious“-Gruppe erreichen, wasserte dort und sah schließlich wohlbehalten die Heimat wieder.

Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges verdrängten Flugzeugträger die Schlachtschiffe als „capital ships“. Heute sind letztere aus den Beständen der Flotten verschwunden. Die technische Innovation für den Flugzeugträgerbetrieb ging von Großbritannien aus. Die US-Amerikaner machten sie sich später lediglich zu Nutze.


Der Verfasser dieses Beitrags ist Autor des Heftes „Flugzeugträger ,Furious‘. Ein Schiff mit vielen Verwandlungen“, das als Nummer 121 in der Reihe „Schiffe – Menschen – Schicksale“ erschienen ist.