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13.07.18 / Eine konservative Revolution steht an / Die Linksverschiebung des politischen Spektrums scheint ihren Höhepunkt überschritten zu haben – was nun kommen muss

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-18 vom 13. Juli 2018

Eine konservative Revolution steht an
Die Linksverschiebung des politischen Spektrums scheint ihren Höhepunkt überschritten zu haben – was nun kommen muss
Burkhard Voß

Auf die linke Revolution der Eliten folge eine konservative Revolution der Bürger. Mit dieser Aussage hat Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, die politische Linke im Land aufgescheucht. Aber was steckt eigentlich hinter dem Begriff?

Konservativ und Revolution – Was irgendwie nicht zusammen passt, passt bei näherer Betrachtung sehr wohl. Denn gerade im hysterisierten Medienzeitalter, wo das Motto gilt „Zuerst einmal durchdrehen, danach sehen wir weiter“, bedarf es schon einer Revolution, um Grundlegendes zu bewahren und zu schützen, Dinge, die es wert sind, weil sie sonst Gefahr laufen, einer hysterischen Neuerungssucht geopfert zu werden. 

Wie vor Kurzem die Ehe, die durch die Ehe für Alle am 1. Ok­tober 2017 ihre politisch korrekte Auflösung erfuhr. So fährt man, zumindest in diesem Punkt, 2000 Jahre Christentum mal eben an die Wand. Da kann auch eine Partei mit dem C im Namen für einen Moment ihre medial einstudierte Überzeugung links liegenlassen.

Wir leben in volatilen Zeiten, dennoch bleibt zumindest unterschwellig so manches aktuell, wie der aufbegehrende Konservatismus. Er machte sich kräftig Luft in Botho Strauß’ Essay „Anschwellender Bocksgesang“, der nach der Veröffentlichung im „Spiegel“ 1993 zu erbitterten Auseinandersetzungen in den Feuilletons führte.

„Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger“, schrieb der CSU-Politiker Alexander Dobrindt in einem Gastbeitrag für die „Welt“ Anfang Januar. Ob aus Kalkül oder echter Überzeugung, kann und muss nicht genau entschieden werden, richtig und überfällig war diese Forderung auf jeden Fall. Ganz so neu ist sie hingegen nicht. 

Ihre Vorläufer reichen bis mindestens 1918 zurück. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg entwickelte sich auf Deutschlands Straßen rasch die bekanntere November-Revolution. Auslösend war die Befehlsverweigerung von Kieler Matrosen, ein Schiff der britischen Armee anzugreifen und somit ihr Leben für eine militärisch sinnlose Aktion aufs Spiel zu setzen. Weitere Arbeiter und Soldaten schlossen sich der Revolutionsbewegung an. Doch bevor die beginnende politische Ordnung in Gefahr gebracht wurde, paktierte die Sozialdemokratie mit Freikorpssoldaten und bereitete der November-Revolution ein gewaltsames Ende.

Weniger bekannt ist die konservative Revolution, über die Armin Mohler, zeitweise Sekretär von Ernst Jünger und zuletzt Berater von Franz Josef Strauß, mit seiner Schrift „Die konservative Revolution in Deutschland 1918 bis 1932“ promovierte. Es ging um einen vierten Weg neben Kommunismus, Kapitalismus und Nationalsozialismus, gegen die Gefahren der Diktatur, aber auch gegen Auswüchse der Demokratie bis hin zur Ochlokratie, der Pöbelherrschaft. Um die Infragestellung des seit 1789 bestehenden Glaubens an den Menschheitsfortschritt. Es ging um die Absage an den „neuen Menschen“ und die Hinwendung zu einem realistischen Menschenbild. Oder, um es mit den Worten von Ernst Jünger auszudrücken: „Der Mensch ist aber nicht gut, sondern er ist gut und böse zugleich. In jeder Berechnung, die der Wirklichkeit standhalten soll, ist einzubeziehen, dass es nichts gibt, dessen der Mensch nicht fähig ist.“ 

Dies ist natürlich Kulturpessimismus pur, aber auch realistisch und fernab jeder Utopie. Also kein Grund zur Resignation. Konservative Revolution heißt auch, vehement dafür einzutreten, dass es Selbstverständlichkeiten gibt, die nicht weiter hinterfragt werden können. Selbstverständlich sind Mann und Frau keine sozialen Konstrukte, die man nach Belieben auswechseln kann. Oder doch? Manchmal kann zu viel fragen und reflektieren auch ein Kriterium der Dummheit sein. Zur konservativen Revolution gehört nach Mohler auch die besondere Wirkung der Romantik auf die deutsche Volksseele, die Hinwendung zum Irrationalen und Okkulten. 

Aber auch die Hochschätzung von Pflichten und Diensten. Dienen und Abtreten statt narzisstischer Selbstbespiegelung. Konservativ heißt auch nicht Rück­schritt, sondern engagiertes Arbeiten am Veränderbaren und Akzeptanz von Unveränderlichkeiten. Und, was nicht häufig genug betont werden kann, konservative Revolution hat mit Faschismus und Nationalsozialismus nichts zu tun, sie ist vielmehr ihr Gegner. 

Dies kann nicht häufig genug betont werden, da nach einer jahrzehntelangen und mittlerweile chronischen Verschiebung des politischen Koordinatensystems nach links alles als faschistisch beziehungsweise nationalsozialistisch bezeichnet wird, welches auch nur feinste Ausdünstungen von Preußentum oder Autoritarismus hat. 

Das ist ungefähr so, als würde man in Helmut Schmidt einen Stalinisten sehen, nur weil er Sozialdemokrat war und damit eher zum linken als zum rechten Spektrum der Politik gehörte. Undifferenzierte Betrachtungsweise ist kein Spezifikum der Rechten. Linke sind darin noch besser geschult. Manchmal sind Antifaschisten so perfekt und gnadenlos in der Political Correctness, dass Faschisten vor Neid erblassen. Historische Fakten werden dabei großzügig übersehen. So die Geschichte des Rechtsanwaltes Edgar Julius Jung (1894–1934), einer der Vordenker der konservativen Revolution. 

Als Privatsekretär von Franz von Papen verfasste er dessen berühmte Marburger Rede, in der er am 7. Juni 1934 die Nationalsozialisten heftig attackiert hat. Daraufhin war Papen gezwungen, aus der Regierung auszutreten. Jung plante ein Attentat auf Hitler, der ihm jedoch in der „Nacht der langen Messer“ am 30. Juni 1934 zuvorkam und ihn ermorden ließ. 

Nationalsozialismus und Konservatismus sind von Menschen erdacht – ab dann hört die Gemeinsamkeit auf. Einige Historiker interpretieren den Nationalsozialismus unter anderem als eine Ideologie gegen die Moderne. Das mag in Teilen so sein. Man kann ihn jedoch auch als eine  teuflische Pervertierung der Moderne sehen mit Menschenvernichtung und Menschenzüchtung. Aspekte, die aktueller denn je erscheinen.

Wenn konservative Werte von ehemals konservativen Parteien in Serie verraten werden, dann wird es höchste Zeit für eine Renaissance der konservativen Revolution. Diese ist weder auf Deutschland beschränkt, noch begann sie erst 1918. Im Grunde begann sie mit der französischen Revolution von 1789, als der Glaube entstand, die Essenz des Menschen verbessern zu können. Der sich dagegen erhebende Konservatismus blieb nicht auf Frankreich begrenzt, sondern entwickelte sich von Europa ausgehend zu einer fundamentalen politischen Konstante mit globaler Dimension.

Der Konservatismus sollte jedoch in einem entscheidenden Punkt modifiziert beziehungsweise neu gedacht werden. Der revisionsbedürftige Punkt heißt Hinwendung zum Irrationalismus. Gerade in Zeiten von „Fake News“ und Verschwörungstheorien besteht hier kein Erweiterungsbedarf. Es kann nicht sein, dass in einem Wohnkomplex ein Kernspintomograph, der definitiv keine Radioaktivität erzeugt, nicht installiert werden darf, nur weil ein hysterischer Zeitgenosse sagt: „Aber ich habe Angst“. 

Wenn naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu beliebig austauschbaren sozialen Konstrukten verkümmern, dann sind wir an den Hexenverbrennungen näher dran als die Zeit der französischen Revolution. Wissenschaft und Rationalität müssen wieder der Lackmustest für das werden, was man Wahrheit nennen darf. Wohl vergegenwärtigend, dass es eine Transzendenz gibt. Und dann hat auch die konservative Revolution eine realistische Chance.






Dr. med. Burkhard Voß ist Autor des Buches „Albtraum Grenzenlosigkeit“, Solibro Verlag, Münster 2017, 160 Seiten, 16,80 Euro,