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13.07.18 / Zerbrechliches Gold / Porzellan als Globalisierungsopfer – Doch Rettung naht bereits

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-18 vom 13. Juli 2018

Zerbrechliches Gold
Porzellan als Globalisierungsopfer – Doch Rettung naht bereits
D. Jestrzemski

Als die insolvente Höchster Porzellanmanufaktur An­fang Juni dieses Jahres gerettet wurde, war die Erleichterung vieler Menschen in Frankfurt und im Land Hessen groß. Ein Investor aus Hongkong soll die 1746 gegründete, zweitälteste deutsche Porzellanmanufaktur gekauft haben. Alle 13 Mitarbeiter wurden übernommen. Bereits 2006 war die chronisch defizitäre Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM), gegründet 1767 durch König Friedrich II., aus staatlichem in privaten Besitz übergegangen. Der Käufer war ein Berliner Bankier, der damit einer Übernahme durch chinesische In­vestoren zuvorkommen wollte.

Jahrhundertelang war fein gearbeitetes Porzellan aus Deutschland ein Luxusgut. Ende der 1970er Jahre aber begann die Nachfrage zu sinken. Der globalisierte Handel schwemmte billiges Gebrauchsporzellan aus Fernost in die Auslagen der Kaufhäuser, die Kunden griffen zu. Es war der Beginn eines Kulturwandels, der mit veränderten Lebens- und Konsumgewohnheiten einherging. Mit dem massentauglichen Design und minderer Qualität der Ware kam das Prestige des „weißen Goldes“ abhanden und damit die Wertschätzung für das geerbte oder für viel Geld angeschaffte Familien-Service. 

Die Auflösungserscheinungen setzten sich bei der Tischkultur fort. Traditionell traf sich die Familie früher sonntags am Ess­tisch, der mit einer feinen Tischdecke und dem guten Geschirr eingedeckt war. Mittlerweile be­sitzt kaum noch jemand ein zwölf- oder gar 18-teiliges Service für ein großes, festliches Gastmahl. Wenn eine Tasse, ein Krug oder eine Schüssel zerbricht, löst das keinen Kummer aus. Ersatz gibt es günstig und in immer neuen Varianten beim Supermarkt um die Ecke, im Möbelhaus oder über das Internet.

Preisdruck und mangelnde Nachfrage versetzten die energie- und lohnintensive europäische Porzellanindustrie in eine Dauerkrise. Anfang der 2000er Jahre spitzte sich die Lage zu. Die meisten deutschen Porzellanhersteller verschwanden vom Markt. Von den Traditionsmarken schlüpften einige unter das Dach eines Konkurrenz-Unternehmens. So er­warb die Rosenthal-Sambonet-Gruppe kürzlich die Markenrechte an der insolventen Firma Arzberg. 2009 hatte der italienische Besteckproduzent Sambonet die börsennotierte Rosenthal AG ge­kauft, die ihrerseits im Jahr 2000 die Löwenmarke Hutschenreu­ther und das Werk in Selb übernommen hatte. Der Konzentrationsprozess befreit den Sektor aber nicht von den Herausforderungen durch Billigware und Plagiate aus Fernost.

Von dem kontinuierlichen Um­satzrückgang war auch der Einzelhandel betroffen. Nicht nur die Fachgeschäfte für Porzellan- und Glaswaren kamen ins Schlingern, sondern auch Läden mit dem Kernsortiment rund um Tisch und Küche. Nur wer als Händler eine lukrative Nische findet und seine Ware auch über das Internet vertreibt, hat reelle Chancen auf dem schwierigen Markt. 

In jüngerer Zeit sind Porzellanwaren des gehobenen bis luxuriösen Preissegments wieder sehr begehrt. Deutsche Hersteller hoffen auf die Begehrlichkeit chinesischer Konsumenten, die europäische Luxus- und Premiummarken eher schätzen als heimische Plagiate.