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13.07.18 / Der satirische Wochenrückblick mit Klaus J. Groth / Betteln und Hausieren / Von der Dämmerung später Einsicht, wie man aus einem Elefanten eine Mücke macht und warum linde Lüftlein stinken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-18 vom 13. Juli 2018

Der satirische Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
Betteln und Hausieren / Von der Dämmerung später Einsicht, wie man aus einem Elefanten eine Mücke macht und warum linde Lüftlein stinken

Irgendwo in einer vollgerümpelten Kellerecke müssen sie noch liegen, die fast vergessenen Hinweisschilder in geschwungener Fraktur: „Betteln und Hausieren verboten“. Wir dürfen davon ausgehen, dass so manch regierungsamtlicher Hausmeister bei den europäischen Nachbarn den Auftrag bekam, nur ja rasch nach diesen Schildern zu suchen. Sie werden dringend benötigt, wenn der Seehofer kommt. Oder gar die Merkel. Gar nicht schnell genug kann das Schild an die Haustür genagelt werden. Man lässt sich doch keine Asylsucher andrehen, die man schon immer und noch nie haben wollte. Wozu soll denn das Durchwinken gut gewesen sein, die großzügig verteilten Freifahrtscheine nach Norden, wenn jetzt Retouren kommen. Von einem Rückgaberecht bei Nichtgefallen war niemals die Rede. Da mag man in Berlin die Reklamationen noch so trickreich runterrechnen. Europa staunt, wie Berlin aus einem Elefanten eine Mücke machen kann.

Um nicht in die Nähe der gaulandschen Vogelabsonderung zu geraten, ist in der Asylpolitik die erstaunliche Abschwächung vom Furz über den Pups zum linden Lüftlein zu registrieren. Das stinkt zwar auch, aber es kracht nicht knödelgesättigt. Dagegen genügt ein Duftbäumlein aus der Berliner Schonung. Das wirkt so: Worüber sich CDU und CSU tagelang heftig stritten, heilt die SPD in nur einer Stunde. Nach dieser einen (Wiederholung: einen) Stunde ist die Welt wieder heile. Die „Transitzentren“ heißen nicht mehr „Transitzentren“, sondern „Transferzentren“, und die sind etwas vollkommen anderes. Tusch für diese geniale Lösung. Gäste dieser Transferzentren werden sich höchstens 48 Stunden der Gastfreundschaft einer Polizeistation erfreuen dürfen. Die sind hierzulande nicht von Stacheldraht umsäumt. Der Innenminister wies ausdrücklich darauf hin. Danke. Nach den hoffentlich angenehmen 48 Stunden sind die Aufgegriffenen wieder „in totaler Freiheit“. Nochmals Danke. Aber, darauf muss ausdrücklich hingewiesen werden, allenfalls zwei bis fünf Asylsucher pro Tag (Wiederholung: zwei bis fünf Asylsucher pro Tag), kämen in diese Obhut. Und die anderen? Die betrifft das nicht. Und wie sortiert man diese zwei bis fünf Zugereisten aus? Ganz einfach, sie müssen so blöd gewesen sein, das Wort „Asyl“ schon anderswo vergeudet zu haben. Wer das nicht getan hat, der durchläuft das ganze geordnete Verfahren. Um den neuen Durchsetzungswillen zu demonstrieren, wird in der Vereinbarung der Regierungsparteien ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht nur an der bayrischen Grenze kontrolliert, sondern die Schleierfahndung an allen Grenzen ausgeweitet werden soll. Der starke Staat greift durch. Besonders an der deutsch-polnischen Grenze ist das migrationsmäßig dringend erforderlich. Oder gegen das, was aus Dänemark alles einsickert.

Allzu sehr sollten wir bei der Betrachtung dessen, was denn nun vereinbart worden ist, nicht ins Detail gehen. Das kann sich stündlich ändern, zumal der Eindruck nicht zu beseitigen ist, die Beteiligten wissen selbst nicht so ganz genau, was sie zusammengeschustert haben. Darum muss auch der Versuch scheitern, sich in einer Zusammenfassung einen Überblick zu verschaffen. Das vermögen am wenigsten diejenigen, die das nicht zu überblickende Chaos zu verantworten haben. Wie meinen Sie? Das könnte Absicht sein? Also bitte, ich muss doch …, nun ja, wenn Sie denn meinen. Jedenfalls wird der Horst Seehofer nicht müde, darauf hinzuweisen, wie toll er das alles hinbekommen hat. Der muss es wissen.

Nun liegt er endlich wieder still, der See. Auch der Seehofer gibt Ruhe. Es plätschert wieder. Wie angenehm. Plätschern ist die erste Bürgerpflicht. Ein Sturm im Wasserglas verschreckt nur. Als Merkel und Seehofer sich nach allen unfairen Regeln in den Haaren lagen, gingen ihnen auch Getreue von der Fahne, ganz zu schweigen vom Bürger, der sich da nicht mitnehmen lassen wollte. Wer sich zum Müsli beim Frühstück regelmäßig seine Umfragewerte servieren lässt, dem ist das Ranking des politischen Toppersonals keinesfalls schnurz. Nur darum haben sich Streithenne und Streithahn wieder vertragen. Na, jedenfalls so ungefähr. Um was war es eigentlich gegangen?

Ach ja, man wollte den Schleusern das Geschäft verderben. Nun ist das Prinzip einer Schleuse uralt und könnte allgemein bekannt sein. Man dreht die Wehre auf, wenn man fluten möchte. Man schließt die Wehre, wenn erforderlich. Allgemein ist ein Sperrwerk so konstruiert, dass das funktioniert. Die Technik ist zwar alt, offenbar aber muss sie immer wieder neu erlernt werden. Das kommt davon, wenn man Erfahrung grundsätzlich für museal hält. Erst wenn das Wasser bis zum Halse steht, merken fast alle, dass sie die gleiche Luft atmen.

Bis zur Dämmerung der späten Einsicht ist es häufig ein sehr langer Weg. Viele schaffen ihn überhaupt nicht. Das sind diejenigen, die über Ewiggestrige motzen und trotz anderer Erfahrungen dauerhaft im sauertöpfischen Gestern verharren. Umso erfreulicher ist es, wenn sich einer in die Transitzone begibt und dort zu neuen Einsichten kommt. Davon gab es in dieser Woche drei bemerkenswerte Beispiele.

Den Anfang machte ein Chef-Grüner, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der urteilte in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Merkels Politikstil ist in der Flüchtlingskrise an seine Grenzen gestoßen“. Das wird für viele keine neue Erkenntnis sein, interessant ist allerdings, wer zu diesem Urteil kommt. Auch eine simple Wahrheit ist eine Wahrheit. Bei Kretschmann lautet die: „Das Asylrecht ist für Asylberechtigte da und nicht für Einwanderer.“ Geht in Ordnung. Dann: „Auch wir Grüne haben viele Fehler gemacht (er sprach tatsächlich von „vielen Fehlern“). Wir haben die multikulturelle Gesellschaft zu einem schönen Erlebnis verklärt. In Wirklichkeit ist eine Einwanderungsgesellschaft eine hochgradige Anstrengung.“ Ach je, Herr Kretschmann, wie häufig wurde versucht, Ihre Freunde auf genau diese Anstrengung hinzuweisen. Könnte es trotzdem sein, dass Multikulti zu Ihrer Partei gehört wie der Wisch zum Mopp? Und dann solche Einsichten: Wenn Flüchtlinge sich nicht an Gesetze halten, dann zeige das, dass es sich nicht um schutzsuchende Flüchtlinge handele. Weiter: „Wir können nicht dulden, dass jemand, der bei uns Schutz sucht, nun unser Land unsicher macht. Da müssen wir die ganze Härte des Rechtsstaates zeigen.“ Oder: „Dieses Regime der Ordnung brauchen wir, und dazu braucht man einen starken Staat.“ Und dann auch noch dies: „Wir müssen aushalten lernen, dass es auch deutschnationale Auffassungen geben darf.“ Willkommen an Bord, möchte man da doch rufen, aber dazu ist es wohl noch zu früh.

Obwohl, auch anderenorts reifen unerwartete Erkenntnisse. Ausgerechnet bei der „New York Times“, die nicht gerade als Donald Trumps Leib- und Magenblatt bekannt ist, das eher dessen Magensäfte anregt, ausgerechnet dort wird begründet, „warum Merkel gehen muss“. Pulitzer-Preisträger Bret Stephens fordert die Kanzlerin auf, ihr Amt niederzulegen. Das klingt etwas anders als „Merkel muss weg“, meint aber genau dasselbe. Begründung: Merkel habe die Union zu sehr nach links gezogen, sie habe mit ihrer Asylpolitik den Brexit befördert. Fazit: „Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass ein Wirrkopf wie Merkel weiter im Amt bleibt.”

Zu guter Letzt noch eine Erkenntnis, sogar eine Selbsterkenntnis! Obwohl sich der Verfasser vorgenommen hatte, das Thema Fußball-Weltmeisterschaft nebst Mesut Özil, Ilkay Gündogan und Recep Tayyip Erdogan dort zu versenken, wohin es gehört, in den Orkus, muss es noch einmal aufgetischt werden. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Reinhard Grindel, hat nach Wochen des Abtauchens begriffen, dass „Schwamm drüber“ die Affäre nicht gründlich genug reinigt. Nun wird eine längst überfällige Erklärung gefordert. Wenn Özil aus dem Urlaub komme, solle er endlich den Mund aufmachen. Als ob das noch jemand interessierte.