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13.07.18 / ZUR PERSON

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-18 vom 13. Juli 2018

ZUR PERSON

Theresa Mays neue Olympier

Das, was Kanzlerin Merkel zuletzt durchstehen musste, war im Vergleich zu dem, was ihre britische Kollegin Theresa May gerade erlebt, nur ein Kriselchen. Merkels Innenminister Seehofer trat ja nach einer Scheineinigung über ein Asylverfahren an den Grenzen nicht zurück. Großbritanniens Premierministerin May musste dagegen jetzt die Ministerrücktritte Nummer sechs und sieben seit ihrer Neuwahl vor gut einem Jahr verkraften.

Doch diesmal waren es Schwergewichte im Kabinett. Nach einer offensichtlich heißen Klausurtagung im englischen Landsitz Chequers über die Strategie beim Austritt Großbritanniens aus der EU trat erst Brexit-Minister David Davies und einen Tag später auch noch Außenminister Boris Johnson zurück. Beide gelten als Brexit-Hardliner, die den weichen Ausstiegskurs der Premierministerin nicht mittragen wollten.

Ersetzt wurden sie von zwei linientreuen Gefolgsleuten Mays. Der neue Brexit-Minister Dominic Raab ist zwar für den Brexit, wenn auch in abgeschwächter Form, nach der das Vereinigte Königreich in einer Freihandelszone für Industrie- und Agrarerzeugnisse verbleibt. Der neue Außenminister Jeremy Hunt hingegen ist sogar als Brexit-Gegner in Erscheinung getreten. Anders als sein polternder Vorgänger Johnson wird er in Brüssel oder Berlin ein gern gesehener Gast sein.

Sowohl Raab als auch Hunt haben die übliche britische Politi­kerkarriere absolviert. Die Stationen sind bei beiden nahezu deckungsgleich: aufgewachsen in der Upperclass, Studium an den Elite-Unis Cambridge und Oxford, kurze Zeit in der freien Wirtschaft die Basis für den häuslichen Wohlstand gelegt, Heirat, Kinder und – als eigener Ritterschlag – der Gang in die Politik.

Der 44-jährige Raab, dessen Vater 1938 aus der Tschechei nach England emigrierte, war zuletzt als Staatssekretär beschäftigt, erst im Justiz- und danach im Wohnungsbauministerium, wo ihm der Brand des Londoner Grenfell-Towers arg zu schaffen machte. Der mit einer Brasilianerin verheiratete Konservative gilt als liberal, ist aber gegen Quoten für Frauen oder ethnische Minderheiten.

Sein sieben Jahre älterer konservativer Kollege Hunt hat dagegen bereits Minister-erfahrung. Zuletzt amtierte der mit einer Chinesin verheiratete Politiker sechs Jahre als Gesundheitsminister – so lange wie kein Politiker vor ihm. Als Staatssekretär für Kultur und Sport lagen bei ihm davor die Olympischen Spiele von London 2012 in der politischen Verantwortung.

Beiden neuen Ministern kommt nun die olympische Aufgabe zu, den Briten, die mehrheitlich für den Brexit gestimmt hatten, einen weichen Ausstieg so zu verkaufen, dass sie damit ihrer Premierministerin das politische Überleben garantieren. Gelingt das nicht, könnten bei den Torys die Hard­liner um Johnson und Davies das Ruder übernehmen, die nicht so einfach hinnehmen werden, dass durch Mays Politik Großbritannien „auf den Status einer Kolonie“ der EU zusteuere.H. Tews