19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.07.18 / Viele Fragen bleiben ungeklärt / Es bleibt der Verdacht, dass Teile des Staatsapparates etwas zu verbergen haben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-18 vom 20. Juli 2018

Viele Fragen bleiben ungeklärt
Es bleibt der Verdacht, dass Teile des Staatsapparates etwas zu verbergen haben
Norman Hanert

Nach fast 440 Verhandlungstagen hat das Oberlandesgericht München im sogenannten NSU-Prozess ein Urteil verkündet. Gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wurde eine lebenslange Haft verhängt, die schwerste Strafe, die das deutsche Rechtssystem überhaupt vorsieht. Zudem stellte das Gericht eine besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nur in Ausnahmefällen, etwa bei einer schweren Krankheit, möglich. 

Verurteilt wurde Zschäpe wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, wegen schwerer Brandstiftung und wegen zehnfachen Mordes. Die Richter folgten damit der Anklageschrift der Bundes­anwaltschaft, die Zschäpe nicht als bloße Helferin, sondern als Mittäterin gesehen hat.

Nach seinem Abtauchen in die Illegalität soll der NSU nach Ansicht der Bundesanwaltschaft zehn Morde, 15 Raub- und Banküberfälle sowie zwei Sprengstoffanschläge begangen haben. Die Bundesanwaltschaft hat in ihrer Anklageschrift eine Reihe von Indizien zusammengetragen, die auf Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt als Täter hindeuten: angefangen von den Waffenfunden in der Zwickauer Frühlingsstraße und dem Wohnmobil über Mietwagenverträge bis hin zu Unterlagen, die auf eine Erkundung potenzieller Opfer und Tatorte schließen lassen. Einer der Verteidiger Zschäpes verlas zudem Ende 2015 eine Erklärung, in der wesentliche Punkte der Anklageschrift bestätigt wurden. 

Allerdings gibt es bislang keine eindeutigen Beweise, dass die zehn Morde, die dem NSU zur Last gelegt werden, ausschließlich von Mundlos und Böhnhardt begangen wurden. An keinem der 27 Tatorte wurden Fingerabdrücke oder DNA-Spuren von Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe sichergestellt, wohl aber mehrere Dutzend DNA-Spuren, die bislang nicht zugeordnet werden konnten. 

Bereits im Jahr 2014 hatte Hans-Christian Ströbele (Grüne) in einem Interview Zweifel geäußert: „Wir wissen aber auch nicht mit Sicherheit, ob Böhnhardt oder Mundlos immer die Täter waren. Es gibt Indizien, dass sie sehr eng damit zu tun hatten. Aber dass sie am Abzug waren, das ist in fast allen Fällen bis heute nicht bewiesen.“ 

Der Münchener Prozess hat diese Unsicherheit nicht beseitigen können. Auch viele andere Fragen bleiben offen. Aus den Reihen der Nebenklage ist die Vermutung geäußert worden, dass der NSU ein bislang noch immer unentdecktes Unterstützerumfeld hatte. Die Opferanwältin Antonia von der Behrens erhob in ihrem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht auch den Vorwurf, das Bundesamt für Verfassungsschutz und mehrere Landesämter hätten die Suche nach dem Anfang 1998 untergetauchten Trio Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe bewusst behindert. 

Bislang ist auch nicht geklärt, wie die Opfer der Mordserie ausgewählt wurden oder die Auswahl der Tatorte erfolgte. Fremdenfeindlicher Hass als Mordmotiv erklärt zum Beispiel nicht, warum die Täter mehrmals ein sehr hohes Risiko eingegangen sind. So lagen zwei Tatorte, einmal in München, einmal in Kassel, räumlich sehr nahe bei Polizeidienststellen. Als Halit Yozgat im April 2006 in einem Internetcafé in Kassel ermordet wurde, waren zudem mehrere Personen anwesend. 

Mutmaßlich zur Tatzeit am Tatort war auch Andreas T., ein Mitarbeiter des Hessischen Landesamts für Verfassungsschutz. Er geriet im Zuge der Ermittlungen zunächst selbst vorübergehend unter Tatverdacht. Ein von der Polizei mitgeschnittenes Telefonat hat zudem zu der Vermutung geführt, dass der Beamte Vorwissen zum geplanten Mord gehabt haben könnte. Dass ein interner Bericht zu den Vorgängen um den Verfassungsschützer inzwischen mit einer ungewöhnlich langen Sperrfrist von 120 Jahren versehen wurde, gibt Spekulationen neue Nahrung. Insbesondere die Diskussion, welche Rolle Mundlos und Böhnhardt beim Polizistenmord von Heilbronn gespielt haben, wird auch nach dem Ende des Münchener Prozesses weitergehen.