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20.07.18 / Die DB kauft Lokomotiven aus China / Der Präzedenzfall könnte sich für den weltgrößten Schienenfahrzeughersteller CRRC als Türöffner erweisen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-18 vom 20. Juli 2018

Die DB kauft Lokomotiven aus China
Der Präzedenzfall könnte sich für den weltgrößten Schienenfahrzeughersteller CRRC als Türöffner erweisen
Norman Hanert

Bei dem Geschäft zwischen den Aktiengesellschaften Deutsche Bahn und CRRC geht es zwar nur um 20 Rangierloks, aber die Bestellung wird bereits als ein möglicher Meilenstein bei der chinesischen Eroberung des europäischen Marktes für Schienenfahrzeuge gewertet.

Bereits im Jahr 2015 kündigte die Deutsche Bahn (DB) an, sie wolle künftig Züge und Ersatzteile auch in China kaufen. Gut zwei Jahre später ist nun ein erster Vertrag zum Kauf von Lokomotiven bei einem chinesischen Hersteller perfekt. Die DB hat mit dem Staatskonzern CRRC (China Railway Rolling Stock Corporation) einen Rahmenvertrag über die Lieferung von 20 Hybrid-Rangierloks unterzeichnet. Die Loks mit einem kombinierten Diesel- und Elektroantrieb sollen bei DB-Netz eingesetzt werden. Hierzulande ist der Schienenfahrzeughersteller CRRC in der Öffentlichkeit bislang kaum bekannt, nichtsdestoweniger ist er der größte der Welt. 

Für CRRC stellt der Auftrag der Deutschen Bahn in finanzieller Hinsicht zwar nur ein Mini-Geschäft dar, doch könnte sich langfristig die Lieferung der 20 Spezialloks als ein Meilenstein bei der Eroberung des europäischen Marktes herausstellen. Die Lokomotiven aus China benötigen eine Zulassung durch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA). Die Zulassungsverfahren bei der Behörde gelten als anspruchsvoll. Bestehen die Loks von CRRC die Prüfung durch die deutsche Behörde, dann könnte dies ein Zeichen setzen, das europaweit von Eisenbahngesellschaften beachtet wird. 

Nicht von ungefähr ist im Zusammenhang mit der Bestellung der Deutschen Bahn bereits die Rede von einem chinesischen Angriff auf Siemens. Mit Produkten wie dem ICE gehört der Münchener Konzern bislang zu den wichtigsten Lieferanten der Deutschen Bahn. Gerade mit Blick auf den chinesischen CRRC-Konzern wollen Siemens und der französische Konkurrent Alstom ihre Zugsparten zusammenlegen. Entstehen soll so die Nummer zwei auf dem Weltmarkt für Züge. 

Der Vorsprung des chinesischen Bahnkonzerns ist allerdings gewaltig. Das gemeinsame Unternehmen von Siemens und Alstom hat rund 60000 Beschäftigte und bringt es auf einen Umsatz von 15 Milliarden Euro. CRRC, entstanden durch die Fusion der beiden chinesischen Schienentechnikkonzerne CNR und CSR, erreicht rund 30 Milliarden Euro Umsatz und hat fast 140000 Beschäftigte. Schätzungen gehen dahin, dass bei CRRC Kapazitäten entstehen, welche die Hälfte des Weltmarkts für Züge decken könnten. 

Aus Sicht von Siemens hat der Aufstieg des Konkurrenten CRRC noch einen ganz besonderen Aspekt. China hat seine Bahnindustrie mit dem technologischen Wissen europäischer und japanischer Hersteller aufgebaut. Hersteller wie Siemens, Alstom und Bombardier kamen im China-Geschäft nur zum Zug, wenn sie Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Partnern eingingen. 

Mit dem erworbenen Wissen ist China inzwischen selbst zum wichtigsten Hersteller von Hochgeschwindigkeitszügen in der Welt aufgestiegen. Ähnliche Erfahrungen haben viele Unternehmen aus Europa, den USA und Japan machen müssen. Der Marktzugang in China war bislang regelmäßig mit einem Zwang zum Technologietransfer nach China verbunden.

Änderungen an der Praxis des erzwungenen Technologietransfers sind bislang nur in Ansätzen und meist vor einem längeren Zeithorizont zu sehen. Ausländische Autokonzerne sollen in China bei Nutzfahrzeugen ab 2020, bei Personenkraftwagen ab 2022 nicht mehr zwingend ein Gemeinschaftsunternehmen mit einem chinesischen Partner eingehen müssen. Abzuwarten bleibt die Wirkung der von US-Präsident Donald Trump eingeleiteten Maßnahmen im Handel mit China. Begründet hat Trump die Verhängung von Strafzöllen auf chinesische Exporte in die USA unter anderem mit dem Vorwurf, China eigne sich in unfairer Weise amerikanische Technologie an. Aus Sicht des Weißen Hauses zwingt der chinesische Staat US-Fir­men systematisch zum Technologietransfer und fördert die Übernahme von amerikanischen Unternehmen durch chinesische Eigentümer. Laut der US-Regierung entstehen US-amerikanischen Firmen allein durch den erzwungenen Technologietransfer jährliche Verluste von 50 Milliarden US-Dollar. Gegensteuern will das Weiße Haus mit Zöllen auf Importe aus China mit einem Wert von 50 Milliarden Dollar pro Jahr. 

Im Kontrast dazu steht das Agieren der deutschen Bundesregierung. Bei den jüngsten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen veröffentlichten beide Seiten eine Erklärung, in der sie sich zu „offenen Märkten, freiem Handel und einem gleichberechtigten Marktzugang“ bekannten. Eine Reihe von deutschen Großunternehmen hat im Zuge des Treffens in Berlin neue Vereinbarungen unterzeichnet, um ihr Engagement in China weiter zu vertiefen. BASF will in China bis 2030 einen neuen Produktionsstandort aufbauen, für den der Chemiekonzern kein Gemeinschaftsunternehmen mit einem chinesischen Partner eingehen muss. Insgesamt zeigten sich Vertreter der deutschen Wirtschaft mit den Ergebnissen der Regierungskonsultationen zufrieden. 

Auch Siemens unterzeichnete eine Absichtserklärung. Zusammen mit dem chinesischen Internetkonzern Alibaba will der deutsche Konzern eine Partnerschaft zur Forschung am sogenannten Internet der Dinge eingehen. Mit einem anderen chinesischen Unternehmen vereinbarte Siemens die Entwicklung neuer Gas­turbinen in China. Hierzulande stand der deutsche Technologiekonzern in den letzten Monaten unter starker Kritik, weil Siemens viele Arbeitsplätze in Deutschland in der Gasturbinensparte streichen will. 

Siemens-Chef Joe Kaeser hat während eines China-besuchs vor Kurzem auch einen Kommentar zum Welthandel abgegeben. Offenbar gemünzt auf den US-amerikanischen Präsidenten sagte er in China: „Die richtige Antwort auf mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ist Innovation und Produktivität und keine Zölle und Tweets.“ Der Siemens-Chef lobte zudem das chinesische Projekt Neue Seidenstraße, das er als eine „Meilenstein-Bewegung“ bezeichnete. Es habe das Potenzial, zur neuen „Welthandelsordnung für freien und fairen Handel made by China“ zu werden, so der Siemens Chef.