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20.07.18 / Gegenwind / Warum Wladimir Putin so polarisiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-18 vom 20. Juli 2018

Gegenwind
Warum Wladimir Putin so polarisiert
Florian Stumfall

Mag sein, dass der US-amerikanische Präsident Donald Trump nicht ein Schulbeispiel diplomatischer Weisheit oder strategischer Brillanz darstellt, doch eine seiner Überlegungen sollte man sich zu Herzen nehmen. In seiner deutlichen Art stellte er die Frage: „Diese dummen Leute, wie soll man denen noch erklären, dass gute Beziehungen zu Russland, zu China, zu jedem anderen Land eine gute Sache und keine schlechte Sache sind?“ Doch so viele Politiker, Kommentatoren und Politologen sich über Trumps geistige Fitness auch mokieren mögen – eine Antwort auf diese Frage hat noch keiner von ihnen gefunden.

Was hier angesprochen ist, wird noch etwas dringlicher, wenn man ein wenig in der Zeitgeschichte zurückgeht, in die Epoche des Kalten Krieges. Damals war das völlig anders. Russland war nicht Russland, sondern die Sowjetunion, eine der grausamsten Diktaturen der europäischen Geschichte, und der freie Westen musste sich mit ihr arrangieren. Wegen der gemeinsamen geistigen Verwandtschaft durch den Marxismus fiel das der Linken naturgemäß leichter als den Bürgerlichen. Ungeachtet der Brutalität des Systems und der Deutlichkeit, mit der man dessen Ableger in der Mitte und dem Osten Deutschlands beobachten konnte, entwarf die SPD ein Konzept des „Wandels durch Annäherung“, das zur Grundlage der sogenannten „Brandt’schen Ostpolitik“ wurde. 

Dieser Begriff gehört in Anführung, weil er das Gegenteil von dem bezeichnet, was er vortäuscht. Es gab nie eine Bonner Ostpolitik. Alles, was in den Ostverträgen steht, war vom 24. bis 26. April 1967 im böhmischen Karlsbad von den Führern der „Kommunistischen und Arbeiterparteien“ des Ostblocks festgelegt worden als das Maximum kommunistischer Zielvorgabe ihrer Politik gegenüber dem Westen. Brandt musste nur unterschreiben, was schon längst feststand. Er tat es, quittierte damit Josef Stalins Kriegsbeute, erhielt dafür den Friedensnobelpreis, und angefangen bei der gesamten linken Presse bis hin in die Geschichtsbücher wurde und wird die grandiose Täuschung der „Brandt‘schen Ostpolitik“ gefeiert bis zum Ende aller Zeiten.

Auch wenn es sich dabei um Trug und Irrtum handelt, so steht doch eines fest: Damals hatte die Überzeugung, dass gute Beziehungen zu gleich welchem Land besser sind als schlechte, noch Wirkkraft. Doch wann hat sich das geändert? Und warum am Beispiel Russland?

Paradigmatisch stehen dafür die Sanktionen, welche die EU und die USA verhängt haben. Man muss sich den Vorgang, der dazu führte, in Erinnerung rufen. Angeführt von den USA mit der CIA, verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen und der Hilfe aus der EU führte in der Ukraine der Westen einen Putsch durch. Als in dessen Verlauf der russischen Minderheit der Gebrauch ihrer Sprache, des Russischen, verboten wurde, gab es dort Widerstand. Daraufhin entsandte Präsident Petro Poroschenko Militär in den Osten, wo es bis heute gegen die eigenen Landsleute kämpft. 

Diese Ereignisse dienen dazu, Russland mit Sanktionen zu bestrafen – so einfach geht das: Der Westen macht einen Putsch und bestraft Russland dafür. Dabei hat sich Moskau in den Zwist nie eingemischt, zumindest nicht militärisch, denn sonst wäre er längst zu Ende. Dass man den Russen auf der anderen Seite ein wenig mit Ausrüstung hilft, darf man allerdings getrost annehmen.

Für die westliche Propaganda ist es sehr wichtig, dass der ukrainische Bürgerkrieg zu keinem Ende kommt, denn er dient als Beleg für die Verworfenheit russischer Politik und man braucht ihn als Vorwand für das ganze Bündel von Vorwürfen, mit denen man Russland systematisch zudeckt. Allein die Behauptung, Russland bedrohe seine Nachbarn, dient als Erklärung dafür, dass sich die NATO an die russischen Grenzen herangeschoben hat, im Baltikum bis auf Artillerie-Schussweite von St. Petersburg. Die Behauptung dient als Rechtfertigung, dass die USA weltweit an die 1000 Militärbasen außerhalb des eigenen Landes unterhalten, gegenüber dreien, über die Russland verfügt; sie muss als Erklärung herhalten, dass sich die EU – über die NATO hinaus – militarisiert; sie soll eine lange Reihe von Putschen, gewaltsamen Regierungswechseln und Revolutionen in allen möglichen Ländern rechtfertigen, die vor allem von der CIA und verschiedenen Organisationen unter anderem des George Soros durchgeführt wurden; sie dient als Begründung, dass die USA ihren Militäretat in diesem Sommer von rund 620 Milliarden Dollar auf 700 Milliarden aufgestockt haben. 

Russland hat in derselben Zeit seine Ausgaben fürs Militär um 20 Prozent gekürzt, von 60 Milliarden auf knapp 55 Milliarden. Das bedeutet also: 700 Milliarden in den USA stehen gegen keine 60 in Russland. Dennoch wird Russland als die Gefahr schlechthin dargestellt. Wäre es anders, so verlöre die gesamte US- und NATO-Weltpolitik ihre Grundlage und Ausrichtung. Ihren Weltmachtambitionen wäre ebenso die Basis entzogen wie der geheimen Herrschaft des militärisch-industriellen Komplexes sowie der Geheimdienste in den USA. 

Dabei geht es freilich nicht nur um den militärischen Aspekt. Als Pendant zur Beschwörung Russlands als Bedrohung der Welt dient der Demokratie-Export der USA, jedenfalls dessen, was man dort unter Demokratie versteht und wovon man meint, dass sich alle Länder der Welt danach richten und sich politisch entsprechend organisieren müssten. Wer auch nur etwas zu weit von dieser Vorgabe abweicht, riskiert, zerbombt zu werden, wie Länder wie der Irak, der Jemen, Libyen oder Syrien zeigen. Doch die Erkenntnis, auch von der NATO könnte eine Gefahr ausgehen, wird daraus nicht gewonnen.

Die geballte Propaganda gegen Russland kulminiert aus naheliegenden Gründen in der Person Wladimir Putins, des Präsidenten. Als während der 90er Jahre der kranke und weitgehend hilflose Boris Jelzin im Moskauer Kreml regierte, war dieser im Westen Russland wohlgelitten und in der Völkerfamilie heimisch. Russland war in die G7 aufgenommen und Jelzin tat weitgehend, was ihm seine von Washington entsandten und fest bestallten US-Berater einflüsterten. Das änderte sich schlagartig mit der Präsidentschaft Putins. Er regierte im Interesse seines Landes. Damit hatte er sich die 

NATO und all jene, die dort das Wort führen, zum Feind gemacht.

Natürlich ist Putin die Ideal-Besetzung für die Rolle, die er in der NATO-Propaganda zu spielen hat. Und hier geht die Sache auch über die Politik hinaus und wird zum gesellschaftlichen und kulturellen Ereignis. In der Welt des Westens herrscht ein Gesellschafts- und Familienbild, in dem der Mann gelitten wird, wenn er häkelt, Zucchini zieht und mit Binnen-I spricht.

Demgegenüber ist Putin das Bild eines virilen Mannes und ruft so das Entsetzen aller westlichen Gleichberechtigungs- und Frauen-Power-Propheten hervor, das über den Anlass hinaus politisch extrapoliert und so zur Propaganda missbraucht wird. Ein Mann, der dies alles tut, so die Suggestion, der kann nur schlecht sein, abgrundtief schlecht. Und ein Demokrat ist er auch nicht. Es ist selten, dass sich in einem einzelnen Menschen ein Gesellschaftsbild so deutlich personifiziert, und im Falle Putin fördert es neben allem anderen seine Beliebtheit in Russland. Jedenfalls danken es ihm die Russen, dass er in ihrem Sinne handelt und nicht im dem der NATO.