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20.07.18 / Liberté, Egalité, Ostfriesentee / Geboren um zu blödeln – Otto Waalkes verteilt Spaßgeschenke zum eigenen 70. Geburtstag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-18 vom 20. Juli 2018

Liberté, Egalité, Ostfriesentee
Geboren um zu blödeln – Otto Waalkes verteilt Spaßgeschenke zum eigenen 70. Geburtstag
Anne Martin

Der Spaßmacher der Nation, Otto Waalkes, wird 70 und lüftet in einem Buch und einer ZDF-Sendung letzte Geheimnisse über sich selbst.

Kurz vor seinem runden Geburtstag gibt Otto gern mal den Springteufel, der überall da auftaucht, wo man ihn am wenigsten erwartet. Einige Damen der Hamburger Gesellschaft werden bald das Vergnügen haben, bei Herrn Waalkes mit Blick auf die Elbe zum Tee zu sitzen – ein Gewinn beim Lady’s Lunch. Kuchen, so der Gastgeber, sei bitte mitzubringen. Unlängst hoppelte er bei einem Konzert des Pianisten Joja Wendt über die Bühne, und kaum, dass die Zuschauer zu klatschen begannen, war er schon wieder in den Kulissen verschwunden. Am 22. Juli wird Otto nun 70 und nimmt in seiner Rolle als Reporter „Harry Hirsch“ die eigene Fährte auf („Geheimakte Otto Waalkes“, Sonntag, 22. Juli, 22 Uhr, ZDF). Was er wohl herausfinden wird?

Längst ist der Ostfriese mit dem lichten Haar seine eigene Legende. Was davon der wahre Otto ist, weiß er womöglich selbst nicht mehr. Sogar seine jüngst erschienene Autobiografie „Kleinhirn an alle“ trägt den Untertitel „Nach einer wahren Geschichte“. 

Generationen von Reportern haben versucht, dem Schelm die Maske vom Gesicht zu reißen. Wer versteckt sich hinter dem zappelnden Kasper, dem kindlichen Komiker, dem ewigen Clown? Generationen von Reportern sind daran gescheitert. Un­vergesslich das angestrengt ernst­hafte Interview für eine große Programmzeitschrift, das Otto endlich indigniert unterbricht: „Jetzt frag mal was Lustiges, deine Leser wollen doch lachen!“ 

Wenn aus Anlass des Jubiläums etwas Ernsthaftes zu vermerken wäre, dann die Fähigkeit zur Reflexion: Wie Humor funktioniert, erklärt er in seiner 400-Seiten-Rückschau in ehrfurchtgebietender Akribie mit Querverweisen auf Woody Allen oder Groucho Marx, von Loriot bis Karl Valentin. 

„Ich bin kein maßgeblicher Zeitgeist-Deuter, doch im Nachhinein bin auch ich etwas klüger“, schreibt Waalkes. „Der kleinste gemeinsame Nenner meiner Ge­neration war das Antiautoritäre.“ Mit langen Haaren fing das an, mit der gnadenlosen Veralberung der deutschen Sprache und all seiner Autoritäten, auch der klerikalen, ging es weiter. Motto: Liberté, Egalité, Ostfriesentee.

1970 wechselte der junge Mann mit dem Fusselhaar von Emden nach Hamburg, um Kunst zu studieren. Auch das nicht wirklich ernsthaft. Stattdessen wird er „Warm Upper“ im Bremer Musikladen und macht etwa Stimmung für „Insterburg und Co“. Es folgen erste Auftritte im Hamburger  Folklore-Schuppen „Dannys Pan“, Begegnung mit seinem späteren Manager Hans-Otto Mertens sowie die Gründung der Plattenfirma „Rüssl Räckords“, weil keine Plattenfirma Mitschnitte seiner Auftritte haben will. Dann der Durchbruch in der Hamburher Konzerthalle „Fabrik“, die erste LP „Otto“ – von da an tingelt der Ostfriese wie im Märchen vom Sterntaler durch seine Karriere und sammelt mit seinem  schmalen Hemd die Erfolge auf. 

Seine Selbsterkenntnis lautet: „Die Legende, dass jeder Künstler kämpfen müsse, wurde in diesen frühen 70er Jahren reihenweise widerlegt.“ 1974 strahlte der WDR die erste „Otto-Show“ aus, einen Tag vor dem WM-Endspiel, Deutschland gegen Niederlande (2:1) – die Einschaltquoten waren ähnlich. Es folgten ungezählte Bühnen­shows, und seine Ottifanten wurden ein Verkaufsschlager. Nach einem vorübergehenden Stopp seiner Tour und TV-Auftritte, taucht er 1988 mit „Ronnys Popshow“ im ZDF wieder auf und lieh dem äffischen Moderator die Stimme. Seine Leinwandauftritte in „Otto – Der Film“ (1985) und „7 Zwerge – Männer allein im Wald“ (2004) gehören mit neun beziehungsweise sieben Millionen Zuschauern zu den erfolgreichsten deutschen Kinofilmen. Mit fast kindlicher Spiellaune mischte er die Szene auf, mal auf der Bühne, mal dahinter. Ab 2002 feierte er Erfolge als Synchronsprecher von Sid, dem lispelnden Eiszeit-Faultier im ersten von mehreren „Ice-Age“-Filmen. 

Sein Geheimnis? „Don’t get into anything political“, hatte John F. Kennedy einst dem Komiker Jerry Lewis geraten, seit jeher Ottos Vorbild. Heißt auf Deutsch: Bloß nicht politisch werden. Lewis’ deutscher Zwilling hält sich bis heute daran, schon aus Selbstschutz. „Katastrophen nehme ich mir so zu Herzen, dass ich kaum noch auftreten könnte, wenn ich mir deren Tragweite völlig be­wusst machen würde.“ Otto steht für „Comic relief“, das erleichternde Lachen, das bei ihm selbst dann funktioniert, wenn er von der kinderfressenden Hexe im Wald singt.

Wenn er nun als „Harry Hirsch“ die eigene Geschichte untersucht, ist viel Dankbarkeit dabei: Vor allem seinen Gagschreibern ge­gen­über, die er Anfang der 70er Jahre bei der Satirezeitschrift „Pardon“ kennenlernte – der un­vergessene Satiriker Robert Gernhardt zählte dazu oder Bernd Eilert, der auch beim aktuellen Buch mithalf. Dann natürlich auch Manager Hans-Otto Mertens oder Horst Wendtland, der seine ersten Filme produzierte.

Gab es keine Einbrüche beim Höhenflug? Durchaus. Otto be­klagt das Scheitern seiner ersten Ehe mit Manu, seiner Umtriebigkeit geschuldet. Die zweite mit der Schauspielerin Eva Hassmann nahm er auf die leichte Schulter und resümiert in der Rückschau, beide Frauen hätten den Idolen seiner Kindheit geähnelt: Manu der Bardot, Hassmann der Monroe. Und er sei mächtig stolz, mit zwei so schönen Frauen zusammengelebt zu haben. 

Weitere Eingeständnisse: Seit er 1980 bei einem Hotelbrand in Las Vegas in letzter Sekunde aus dem 26. Stock entfloh, darf sein Ma­nagement nur Zimmer in niedrig gelegenen Etagen buchen. Außerdem verliert er ungern beim Tennis und kann schlecht „Nein“ sagen. Geschenkt. Ottos Imperium umfasst neben Grundbesitz in Hamburg-Blankenese und Florida eine Briefmarke, die Ehrenbürgerschaft in seinem Heimatort Emden, ein „Otto-Huus“ dortselbst, geleitet von seinem Bruder Karl-Heinz, und ein weiteres Ge­heimnis, das in wenigen Wochen gelüftet werden soll. 

Ab September nämlich präsentiert das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe den Humoristen als Künstler. Otto persifliert Manet, Munch, Cézanne, David Hockney wie Roy Lichtenstein und enttarnt, wer Marilyn Monroe auf jenem berühmten Foto in Wahrheit unter den Rock gepustet hat. Das ist womöglich die unglaublichste Enthüllung des rasenden Reporters: Der Clown ist ein richtig guter Maler. Wer hätte das geahnt!