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20.07.18 / Drama in Bildern / »Entfesselte Natur« – In Hamburg jagt eine Katastrophe die andere

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-18 vom 20. Juli 2018

Drama in Bildern
»Entfesselte Natur« – In Hamburg jagt eine Katastrophe die andere
Harald Tews

Es kann nie schaden, mit den Pfunden zu wuchern, die man hat. So müssen immer wieder die wenigen Exponate, die in einem Museum über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind, als werbewirksames Vorzeigestück herhalten, um die herum sich alles drehen soll. Hätte die Hamburger Kunsthalle nicht Caspar David Friedrichs berühmtes Gemälde „Das Eismeer“ zu bieten, wäre es wohl kaum zur Ausstellung „Entfesselte Natur“ gekommen, bei der es bis zum 14. Oktober um Katastrophen in Bildern seit dem 17. Jahrhundert geht.

„Das Eismeer“ selbst stellt eine gescheiterte Polarexpedition dar: Ein Segelschiff zerbirst unter gigantischen Eisschollen. Friedrich selbst war nie in der Polarregion, er kannte Expeditions-Tragödien nur vom Hörensagen und Eisgänge bekanntlich nur als Augenzeuge von der zugefrorenen Elbe.

Treten Katastrophen ein, dann hat der Mensch wie im „Eismeer“ nur noch eine Nebenrolle. Feuersbrünste, Vulkanausbrüche und Erdbeben bieten genug voyeuristisch anzuschauendes Spektaktel. Eine ganze Nachrichtenindustrie lebt heutzutage mit ihren bewegten Bildern von diesen Dramen. In früheren Zeiten versuchten Maler, mit Standbildern nicht einfach nur Katastrophen zu dokumentieren, sondern die Hybris des Menschen allegorisch abzubilden, der gegen Sintfluten und andere Unglücke biblischen Ausmaßes machtlos ist.

Die Macht der Bilder, durch die eine Katastrophe überhaupt erst ins kollektive Gedächtnis rückt, stellt die Kunsthalle in über 200 Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen von rund 100 Künstlern vor. Vertreten ist sogar Goethe, der den Ausbruch des Vesuv im Jahr 1787 oder einen Bergsturz in der Schweiz zeichnerisch festhielt. Als Dichter faszinierten ihn Katastrophen, denn das Wort entstammt der Theatersprache, wo es den Wendepunkt des Dramas bezeichnet. Die Apokalypsen, die man früher Un­heil oder Unglück nannte, verlangten nach einer sprachlichen Steigerung.

Und so wird man also an Ka­tastrophen erinnert, die in der Vergangenheit die Menschheit bewegten: der Brand von London oder der von Hamburg 1842, wobei erstmals die Daguerreotypie ein Inferno massentauglich verbreitete, ferner das Erdbeben von Lissabon, dessen Folgen erst spät künstlerisch verarbeitet wurden, oder die Explosion des Pulverturms in Delft 1654 mit vielen Opfern sowie der Untergang des Auswandererschiffes „Austria“ 1858 mit über 450 Toten. Auch am Untergang des Schiffes „Medusa“ wird erinnert, wenngleich man Théodore Géricaults monumentales Louvre-Bild „Das Floß der Medusa“ mit den zum Kannibalismus gezwungenen Überlebenden nicht nach Hamburg holen konnte. Dafür hat man ja Fried­richs „Eismeer“.

Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr, Eintritt: 14 Euro. Der Katalog kostet in der Ausstellung 29 Euro. www.hamburger-kunsthalle.de.