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20.07.18 / »Vater der Atombombe« – wider Willen / Mit der Entdeckung der Kernspaltung öffnete Otto Hahn ein neues Zeitalter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-18 vom 20. Juli 2018

»Vater der Atombombe« – wider Willen
Mit der Entdeckung der Kernspaltung öffnete Otto Hahn ein neues Zeitalter
Klaus J. Groth

Welch Widerspruch: Zeitlebens setzte sich der Chemiker Otto Hahn für die friedliche Nutzung der Kernenergie ein und doch muss­te er nach seiner Entdeckung der Kernspaltung mit dem Beinamen „Vater der Atombombe“ leben. Für die Entdeckung der Kernspaltung erhielt er 1944 den Nobelpreis für Chemie. Vor 50 Jahren, am 28. Juli 1968 starb Hahn im Alter von 89 Jahren in Göttingen.

Bis 1938 glaubten Naturwissenschaftler fest, dass durch den Beschuss von Uran mit Neutronen radioaktive Metalle entstehen, die sogenannten Transurane, die schwerer als Uran sind. Es galt als unmöglich, dass schwere Atomkerne in leichtere zerfallen könnten. Genau das aber war passiert, als Hahn gemeinsam mit seinem Assistenten Fritz Straßmann im Dezember 1938 eine mit Neutronen bestrahlte Uranprobe untersuchte. Statt des erwarteten Transurans fanden die Wissenschaftler Spuren des Elements Barium. Und das ist leichter. Das entscheidende Experiment fand am 17. Dezember 1938 statt. Hahn deutete das Ergebnis wider alle Wissenschaft: Der Urankern war zerplatzt und in mittelschwere Atomkerne zerfallen. Mit der „Radium-Barium-Mesothorium-Fraktionierung“ wurde die Kernspaltung entdeckt. Und erkannt!

Zuvor hatte Hahn gemeinsam mit der Physikerin Lise Meitner und Straßmann seit längerer Zeit an Atomen experimentiert. Meitner, mit der er seit 1907 zusammenarbeitete und mit der ihn eine tiefgehende Freundschaft verband, konnte bei diesem Durchbruch der Wissenschaft nicht dabei sein. Die beiden Wissenschaftler veröffentlichten gemeinsam 50 Publikationen, entdeckten neue radioaktive Substanzen, aber den Nachweis der Kernspaltung erlebte Meitner in der Emigration. Sie war eine in Wien geborene Jüdin. Nach dem Anschluss Österreichs hielt Hahn die Kollegin für gefährdet. Er überzeugte sie, nach Schweden zu emigrieren. Nach einer letzten Nacht im Haus des Ehepaares Hahn in Berlin-Dahlem, beschenkt mit einem Brillantring aus der Erbschaft Hahns, floh Meitner über die Niederlande. Sie war nicht die einzige, der das Ehepaar Hahn in der Bedrängnis durch die Nationalsozialisten half.

Hahn und Meitner blieben weiter in Kontakt, er schrieb ihr ausführlich über den Fortgang der gemeinsam begonnenen Versuche, bat um Erklärung, wenn ihm ein Vorgang rätselhaft blieb. So war Meitner die erste, die Hahn über die Uranspaltung informierte. Die Kollegen seines Instituts wussten nichts von dem Brief. Basierend auf dieser Mitteilung des Freundes Hahn lieferten Meitner und ihr ebenfalls nach Schweden emigrierter Neffe Otto Robert Frisch schon im Februar 1939 die theoretische Erklärung für das Experiment. Sie wurde in der englischen Zeitschrift „Nature“ veröffentlicht. Darin schätzte Frisch die freigesetzte Energie auf 200 Millionen Elektronenvolt. Dabei schrieb er von „nuclear fission“, damit war der Begriff Kernspaltung in der Welt. Kurz zuvor hatten Hahn und Straßmann in der Zeitschrift „Die Naturwissenschaften“ berichtet. Aus dem von Hahn verwendeten Begriff „Uranspaltung wurde später die „Kettenreaktion“. Sowohl Meitner als auch Straßmann bescheinigten Hahn das alleinige Verdienst, die Kernspaltung erkannt zu haben. In einer späteren Würdigung schrieb Meitner: „Die Entdeckung der Kernspaltung durch Hahn und Straßmann hat ein neues Zeitalter in der Geschichte der Menschheit eröffnet.“

Das wurde weltweit erkannt. Und wie so häufig, wurden zuerst die militärischen Möglichkeiten untersucht. An vorderster Front forschten Russland, England und die USA nach dem zerstörerischen Potenzial der späteren Atombombe. Meitner wurde von den Engländern und US-Amerikanern zur Mitarbeit aufgefordert. Sie lehnte ab. In Deutschland nahm 1941 der Uranverein seine Arbeit auf. Er warb um die Mitarbeit Hahns, doch der winkte ebenfalls ab, die technische Realisierung der Kettenreaktion interessiere ihn nicht. 

Im Februar 1944 zerstörte eine Bombe das von Hahn seit 1928 geleitete Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie. Hahn verlagerte sein Institut nach Tailfingen in Württemberg. 

Dort in Tailfingen, dem heutigen Albstadt, spürten alliierte Spezial­einheiten Hahn auf. Mit den Wissenschaftlern Max von Laue, Wal­ther Gerlach, Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker, den führenden Köpfen der Atomforschung also, wurde er schließlich nahe Cambridge interniert. Wissen war Kriegsbeute. Alle hatten mit dem Uranverein zu tun gehabt, Hahn und Laue ausgenommen. Abgeschottet von der Welt, erfuhren die Wissenschaftler am 6. und 9. August vom Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Hahn, der sich bewusst war, dass er die Grundlage für diese Massenvernichtung geliefert hatte, dachte an Selbstmord. Insgeheim hatte er als Gegner der Nationalsozialisten auf einen Sieg der Alliierten gehofft, und nun setzten die US-Amerikaner diese Waffe ein. Hahn, der stets eine ausschließlich friedliche Nutzung der Kernenergie wollte, wurde zum Pazifisten, der für die Abrüstung stritt in einer Zeit, in der die Politik wieder aufrüstete. Nach dem erfolgreichen Abwurf der Atombomben erlosch das Interesse an den klugen Köpfen, die deutschen Wissenschaftler durften bereits im Januar 1946 nach Deutschland zurück.

Im Dezember jenes Jahres überreichte König Gustav V. von Schweden den Nobelpreis für Chemie „für seine Entdeckung der schweren Atomkerne“. Es war ein schwerer Weg dorthin. Der Preis war ihm bereits 1944 zuerkannt worden. Das wurde jedoch nicht veröffentlicht, da Hahn während der NS-Diktatur hätte ablehnen müssen. Also wartete man bis zum 16. November 1945. Doch zu der Zeit befand sich Hahn noch im Internierungslager. Folglich musste ein weiteres Jahr abgewartet werden. Es war eine späte Anerkennung mit Hindernissen. Zum ersten Mal war Hahn 1914 vorgeschlagen worden. Es folgten 21 Nominierungen. Und eigentlich, befand eine ehemalige Mitarbeiterin, die 1938 emigrieren musste, hätte „er einen zweiten Nobelpreis verdient, den Friedensnobelpreis.“



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