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20.07.18 / Wie ein Fest unter Freunden / Königsberg zieht nach vier WM-Spielen eine positive Bilanz – Das Bild vom »bösen Russen« hat sich gewandelt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-18 vom 20. Juli 2018

Wie ein Fest unter Freunden
Königsberg zieht nach vier WM-Spielen eine positive Bilanz – Das Bild vom »bösen Russen« hat sich gewandelt
Jurij Tschernyschew

Die Fußball-WM 2018 ist vorbei und in Königsberg zieht man eine insgesamt positive Bilanz über den Verlauf der Spiele und der Feste in der Stadt.

Nie hat das Königsberger Gebiet so viele Gäste gesehen wie während der Fußball-WM 2018. Zeit, sich in der Gebietshauptstadt die Frage zu stellen, was ihr die WM gebracht hat und was davon in Erinnerung bleiben wird. 

Die Stadt hatte sich gründlich auf das Großereignis vorbereitet.  Einige Objekte, die noch vor Beginn des Großereignisses fertiggestellt werden sollten, wurden auf Eis gelegt, wie zum Beispiel der Plan, anstelle des Zentralmarkts einen vorübergehenden Fußballplatz einzurichten. Im Frühling dieses Jahres wurde der alte Markt abgerissen, doch der Platz wurde nie fertig und ist bis heute eingezäunt. Umgerechnet vier Millionen Euro aus dem städtischen und dem Staatshaushalt wurden für verschiedene Projektpläne ausgegeben. Doch seit zwei Monaten passiert überhaupt nichts mehr. Händlern, die auf dem Zentralmarkt gearbeitet haben, ist der Zugang zu ihren Waren nicht mehr möglich, da auch die geplante Renovierung des Marktgebäudes nicht erfolgt ist. 

Die einzige sichtbare Modernisierung des Stadtzentrums ist auf dem Steindamm vom Hotel „Kaliningrad“ bis zum Hansaplatz  zu sehen. Die Fassaden der Hochhäuser wurden im „Pseudo-Hansestil“ erneuert. Häuser vom Südbahnhof bis zum Kneiphof blieben dagegen unberührt. Dort, wo hastig Fassaden verschönert wurden, wie in der Hufenallee gegenüber dem Stadion Baltika bröckelte bereits ein Stuck-element ab. Ein Fußgänger, der gerade vorbeiging, konnte gerade noch ausweichen.

Das größte WM-Objekt war natürlich der Stadionneubau für 35000 Zuschauer im Wert von umgerechnet 235 Millionen Euro.  Es ist das teuerste Bauwerk in der Nachkriegsgeschichte der Stadt.

Neben dem Stadion war der Hansaplatz der Hauptveranstaltungsort der WM, wo jeden Abend und die ganze Nacht nach den Spielen ausländische Fans und Russen gemeinsam feierten. Alles gab es dort: Tänze, Musik, das Spiel auf verschiedenen Instrumenten, und der Austausch mit gemeinsamen Selfies. 

Der Platz beim Haus der Räte war Treffpunkt fürs gemeinsame Fernsehen für diejenigen, die keine Karten fürs Stadion bekommen hatten. Waren beim ersten Spiel noch relativ wenig Zuschauer gekommen, wurden es bei jedem  mehr. Am Ende konnte die für 15000 Menschen ausgelegte Fanzone nicht mehr alle aufnehmen. Wer nicht mehr auf den Platz kam, schaute von Ferne aus zu, entweder vom Oberteich oder von den Straßen, die für den Verkehr gesperrt waren. 

Die vier Spiele, die in Königsberg stattgefunden haben, wurden von 132000 Fußballfreunden besucht. Die zahlenmäßig meisten Gäste waren die Kroaten mit 12000 angereisten Fußballbegeisterten.

Zirka 25000 Fußballfanatiker waren über die polnisch-russische Grenze nach Königsberg eingereist. Sie kamen aus Weißrussland, den USA, Spanien, Marokko, Frankreich, Holland, Belgien und Polen. Die exotischsten der innerostpreußischen Grenzgänger waren Schweizer. Sie hatten 1800 Kilometer auf einem Traktor der Marke „Buehrer“ aus dem Jahr 1964 mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde zurückgelegt. Um die russische Grenze zu erreichen, hatten sie zwei Wochen gebraucht.

Besondere Vorfälle gab es nicht. Vorsorglich waren 4000 Polizisten mehr als üblich im Einsatz. Sie sorgten dafür, dass die Feiern auf dem Hansaplatz gegen 2 Uhr nachts beendet wurden. Die Bars und Restaurants im Zentrum, in denen das Bier in Strömen lief, konnten ebenso nichts Negatives berichten. Besonders begeistert war das Barpersonal von den kroatischen Fans. Die fröhlichsten und ausgelasensten waren die Spanier. 

Damit die Besucher nicht nur ans Feiern dachten, sollten laut Beschluss des regionalen Ministeriums für Kultur und Tourismus die Museen nach den Spielen die ganze Nacht über geöffnet bleiben, doch da der Andrang  sich in Grenzen hielt, schlossen sie  bereits um 2 Uhr nachts. 

Die Tourismusbranche der Region hat mit ihrer Preispolitik ein Eigentor geschossen: Statt zu bleiben verließen die meisten Gäste die Region unmittelbar nach Spielende wieder. Waren vor der WM auf den Buchungsportalen im Internet alle Hotels ausgebucht und die Preise drastisch überhöht, so gab es unmittelbar vor Spielbeginn plötzlich genügend freie Zimmer und die Internetseiten für Privatvermietungen überboten sich plötzlich mit Preisnachlässen: Für 50 Euro konnte man ein Doppelzimmer im Zentrum buchen. Eine Besonderheit gab es noch: Während einige versuchten, für Übernachtungen Spitzenpreise zu erzielen, gab es Königsberger, die Gäste völlig umsonst bei sich wohnen ließen, und das mit Vergnügen.

Von der WM haben die Kneipen und Restaurants rund um den Hansaplatz und das Einkaufszentrum Europa am meisten profitiert, da sich dort die meisten Besucher aufhielten. 

Das Wichtigste für Königsberg ist jedoch, dass alles friedlich verlief, ohne Aggressionen und in der Atmosphäre eines Festes unter Freunden. Alle Befürchtungen der Polizei vor Ausschreitungen englischer Hooligans haben sich nicht bewahrheitet. Die Engländer verhielten sich ruhig und freundlich. Sie wunderten sich, dass die Russen so freundlich waren, wo doch die englische Presse davor gewarnt hatte, nach Russland zu reisen wegen der geopolitischen Zerstrittenheit der beiden Länder. Die Fans teilten dies auch mit Zufriedenheit den anwesenden englischen Journalisten mit, die daraufhin prompt umschwenkten, wie der „Independant“, der vor der WM ein wenig vorteilhaftes Porträt der Stadt veröffentlicht hatte. Er zitierte einen Fan: „Das ist alles nur Panikmache. Kaliningrad und ganz Russland sehen einfach genial aus.“ Für die meisten Fußballfans stand eben das Feiern ihrer Mannschaften ohne Politik im Vordergund. 

Die Königsberger bedauern, dass die schönen Erlebnisse, der Austausch und die Bekanntschaft mit ausländischen Gästen, die sie noch nie so erleben durften, nur von kurzer Dauer war.  Das grandiose Fest ist vorbei und die Stadt kehrt zum üblichen Alltag zurück. Doch die vielen positiven Eindrücke werden bleiben. Die Königsberger freut, dass drei der vier Mannschaften, die in ihrer Stadt gespielt haben, weitergekommen sind: Belgien, Kroatien und England.