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20.07.18 / Qualitätssiegel ohne große Aussagekraft / UNESCO setzt Haithabu und Naumburger Dom auf Weltkulturerbeliste – Jetzt müssen nur noch Touristen überzeugt werden zu kommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-18 vom 20. Juli 2018

Qualitätssiegel ohne große Aussagekraft
UNESCO setzt Haithabu und Naumburger Dom auf Weltkulturerbeliste – Jetzt müssen nur noch Touristen überzeugt werden zu kommen
A. Guballa / Helga Schnehagen

Der Grenzwall Danewerk und der Handelsplatz Haithabu im nördlichen Schleswig-Holstein gehören zu den bedeutendsten archäologischen Zeugnissen Nordeuropas. Hier verbanden sich menschengemachte Strukturen und zeitgenössische Naturlandschaft un­trennbar mit der einzigartigen geografischen Lage. Seit Kurzem zählt diese Landschaft neben dem Naumburger Dom zum neuen Weltkulturerbe der UNESCO. 

Ein Antrag zusammen mit Island, Dänemark, Lettland und Norwegen unter dem Thema „Wikinger – zeitliche Stätten in Nordeuropa“ war 2015 vom Welterbekomitee noch zur weiteren Überarbeitung an die Antragsteller zurückverwiesen worden. Danach formulierte das Archäologische Landesamt einen neuen Antrag, der nur auf Haithabu und das Danewerk als einzigartigen wikin­gerzeitlichen Handelsknotenpunkt und Grenzbauwerk fokussierte.

Die Wikinger, auch Nordmänner genannt, fuhren im 8. Jahrhundert n. Chr. mit ihren schnellen, seetüchtigen Langschiffen bis nach Russland, England, Frankreich und sogar über den Atlantik in die Neue Welt. Sie trieben Handel, waren aber auch als Krieger und Eroberer gefürchtet. Viele ließen sich in den eroberten Gebieten nieder und lebten dort friedlich als Bauern oder Handwerker.

Ihre wichtigste Siedlung entstand in Haithabu an der Schlei 

– einem strategisch gut gewählten Ort. Der Fjord verband Haithabu mit der Ostsee, die Befestigungsanlage Danewerk und der Fluss Treene führten nach Westen zur Nordsee. Außerdem trafen sich dort wichtige Fernhandelswege. In der Blütezeit im 10. Jahrhundert war der Ort das größte Handelszentrum Nordeuropas. Ein halbkreisförmiger Wall si­cherte Haithabu nach außen ab. Bis zu 2000 Menschen lebten dort.

Im Laufe der Zeit wurde Hai­thabu immer wieder von Feinden angegriffen und verlor als Handelsplatz an Bedeutung. Im Jahr 1066 eroberten die Slawen Hai­thabu und brannten die Stadt nieder, welche anschließend aufgegeben wurde. Heute erinnert das bekannte Wikinger-Museum an diese Zeit. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten ist es gerade erst wieder für das Publikum eröffnet worden (siehe PAZ vom 23. März). In fußläufiger Entfernung vom Museum lässt ein rekonstruierter Ausschnitt der Handelsmetropole mit sieben originalgetreuen Häusern die Wikingerzeit wieder lebendig werden.

Mit der Altstadt von Lübeck und mit dem Weltnaturerbe Wattenmeer hat das Land Schleswig-Holstein jetzt mit dem Grenzbauwerk Danewerk und dem wikingerzeitlichen Handelsplatz Hai­thabu drei von der UNESCO ausgezeichnete Stätten. Damit das  Qualitätssiegel hält, was es verspricht, müssen die Länder selbst sorgen. Geld zur Erhaltung der Stätten gibt es von der UN-Kultur­organisation nicht. Dieses erhofft man sich aus den Einnahmen von Touristen – sofern sie denn überhaupt kommen.

Das Wikinger-Museum und die Wikinger-Häuser Haithabu sind am Haddebyer Noor 5, 24866 Busdorf, bis Ende Oktober täglich von 9 bis 17 Uhr zu besichtigen,  www.schloss-gottorf.de/haithabu. Das Danevirke Muse­um, Ochsenweg 5, 24867 Dannewerk, ist Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr und Sonnabend bis Sonntag von 10 bis 16 Uhr geöffnet, www.danevirkemuseum.de.





Ob es Utas makelloses Antlitz, ihre Anmut und Grazie und ihr sanftes Lächeln waren, die das Welterbekomitee auf seiner diesjährigen Tagung dazu bewog, den Naumburger Dom in die Welterbeliste aufzunehmen? Nachdem der Welterbeantrag des Doms im Verbund mit der hochmittelalterlichen Herrschaftslandschaft an Saale und Unstrut in den Jahren 2015 und 2017 abgelehnt worden war, glückte jetzt der dritte An­lauf. Nunmehr liegt Deutschland mit 44 Welterbestätten gleichauf mit Frankreich, allerdings hinter Spanien mit 47 und Italien mit 54 derart ausgezeichneten Orten in Europa.

Nach dem Motto „weniger ist mehr“ wurde das Nominierungsdossier gestutzt, nachdem das Komitee im Sommer 2017 den „außergewöhnlichen universellen Wert des Naumburger Doms“ an­erkannt hatte und bestätigte, dass er ein „Meisterwerk menschlicher Schöpferkraft“ darstellt. Die machtvolle Neuenburg, die Schwesterburg der Wartburg, und die Altstadt von Freyburg, das ehemalige Zisterzienserkloster Pforte und das Romanische Haus in Bad Kösen, die Burgruinen Rudelsburg und Saaleck, Schloss Goseck, Burg Schönburg und eine Reihe romanischer Kloster- und Dorfkirchen müssen nun ohne Gütesiegel im Fahrwasser des Naumburger Doms mitsegeln.

Mit seiner Doppelstruktur, je einem Chor und Turmpaar im Osten und Westen samt jeweils eigenem Lettner im Inneren, dem Kreuzgang, dem Domgarten und den umliegenden Kuriengebäuden ist der Naumburger Dom ein herausragendes Architektur­ensemble der Spätromanik und Frühgotik. Der etwa zwischen 1210 und 1260 errichtete Bau konnte sich weitgehend unverändert erhalten. Weltberühmt ge­macht hat ihn jedoch nicht seine Architektur, sondern seine Plastik. Allen voran die Skulptur der Markgräfin Uta (1000?–1046), welche zur Ikone der edlen Frau avancierte, im Nationalsozialismus dazu noch zur deutschen.

Obwohl oft allein betrachtet, gehört die „schönste Frau des Mittelalters“ zu insgesamt zwölf lebensgroßen Stifterfiguren im Westchor, die zusammen mit dem Westlettner das Hauptwerk von einem der genialsten Bildhauer des 13. Jahrhunderts bilden. Der mangels genauer Identität Naumburger Meister genannte Künstler arbeitete immer hart an der Wirklichkeit. So dienten ihm als Vorlage für seine Kapitelle und Friese heimische Pflanzen, die zum direkten Vergleich seit 2011 im Domgarten zu sehen sind.

Realität anno 2007 sind die Glasfenster der Elisabethkapelle des Künstlers Neo Rauch, dem bekanntesten Vertreter der „Neu­en Leipziger Schule“. Um den großartigen Schatz an Glaskunst aus dem 13. bis 15. Jahrhundert zu erhalten, wird dieser derzeit in einer Kooperation aus Forschung und Förderung sukzessive restauriert. In der Ägidienkurie auf der Nordseite des Doms versteckt sich ein weiteres Kleinod: Als eine der ursprünglich zahlreich vorhandenen Privatkapellen der Domherren ist die spätromanische Ägidienkapelle im Rahmen von angemeldeten Führungen zu besichtigen.

Geöffnet von März bis Oktober: Montag bis Sonnabend von 9 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr. November bis Februar: Montag bis Sonnabend von 10 bis 16 Uhr, sonntags 12 bis 16 Uhr, www.naumburger-dom.de.