19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.07.18 / Überzeugende Biografie einer beeindruckenden Frau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-18 vom 20. Juli 2018

Überzeugende Biografie einer beeindruckenden Frau
Dirk Klose

Vor Kurzem wurde in Bayreuth das Markgräfliche Opernhaus wieder eröffnet, ein Juwel barocker Baukunst, das später sogar Richard Wagner für einen Moment als Ort seiner Festspiele ins Auge gefasst hatte. Da trifft es sich gut, dass jetzt über dessen Erbauerin, der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (1709–1758), eine umfassende Biografie folgt. Autor ist der an der Universität Bayreuth lehrende Literaturwissenschaftler Günter Berger. Er hat offenbar ein Faible für große Frauen des 18. Jahrhunderts, hat er doch schon der hochgebildeten Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha ein schönes Buch gewidmet.

Begabt, ungewöhnlich intelligent und mit allen Finessen der Diplomatie ihrer Zeit vertraut, gehörte Wilhelmine von Bayreuth zu den geistreichsten Herrscherinnen im Deutschland des Absolutismus. Sie war die um drei Jahre ältere Schwester von Friedrich dem Großen und – nach eigenen Worten – dessen „Lieblingsschwester“. In ihrem Interesse für Musik und Literatur fanden beide früh zueinander und hatten entsprechend harte Kinder- und Jugendjahre unter ihrem amusischen Vater, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. auszustehen. Die Erinnerungen Wilhelmines enthalten geradezu haarsträubende Geschichten über dessen Jähzorn.

Der Vater hatte die Tochter, immerhin eine mit „Königliche Hoheit“ anzuredende Prinzessin, unter Rang und aus dynastischen Erwägungen nach Bayreuth verheiratet. Nach dem ersten Schock über das dreckige und spießige Städtchen krempelte sie es buchstäblich um. Die fränkische Residenzstadt wurde unter ihr zu einem Schmuckstück barocker Architektur. Sie begann den Bau des neuen Schlosses, plante und beaufsichtigte die Eremitage und den Landschaftspark Sanspareil und vor allem das Opernhaus, für das sie selbstkomponierte Opern beisteuerte. Musik und Literatur erreichten unter ihr fast europäischen Rang, entsprechend ihrem Ehrgeiz, mit Dresden, Wien und vor allem Berlin konkurrieren zu können. 

Berger erzählt dies anhand vieler Quellen und genauer Ortskenntnis, um danach den vielleicht noch interessanteren Aspekt von Wilhelmines Leben zu behandeln, nämlich ihre ungewöhnliche Kenntnis in Literatur und Philosophie, die sie zur ebenbürtigen Briefpartnerin mit dem Bruder in Berlin (dem „Philosophenkönig“) und Geistesgrößen wie Voltaire machte. Neue Quellenfunde haben es dem Autor auch erlaubt, genauer als bisher die mitunter waghalsige Diplomatie der Herzogin zwischen Preußen, Frankreich und Österreich zu beleuchten – ein spannendes Kapitel, das freilich auch zeigt, dass sich hier die ehrgeizige Frau doch überschätzte.

Der Autor wollte nach eigenen Worten keine chronologische Darstellung geben, sondern das Leben seiner Heldin anhand von „Handlungsfeldern und Handlungsräumen, auf und in denen sich die Markgräfin bewegte“, aufzeigen. An vielen Stellen wirkt das überzeugend, wenn konzentriert ein bestimmter Sachverhalt gezeigt wird. Andererseits kann eine Chronologie oft doch etwas stärker Werden und Wachsen der jeweiligen Persönlichkeit zeigen. So kommt hier beispielsweise die doch in vielen Briefen deutliche Geschwisterliebe zwischen Friedrich und Wilhelmine kaum zum Ausdruck. Die schweren Jahre unter dem harten Vater finden kaum Berücksichtigung. Solche Einwände schmälern den Wert dieser Biografie nicht, der man im Übrigen – selten genug – einmal nachrühmen kann, alle Kriterien eines historisch genauen Buches wie Register, Genealogie, Bibliografie sowie geschmackvoll ausgewählte Bilder zu erfüllen. 

Günter Berger: „Wilhelmine von Bayreuth. Leben heißt eine Rolle spielen“, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2018, gebunden, 240 Seiten, 24,95 Euro