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20.07.18 / Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel / Fünf Prozent voraus / Was Trump verbrochen hat, wieso Joe Kaeser so mutig ist, und woher wir wissen, weshalb die SPD bald am Ziel sein wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-18 vom 20. Juli 2018

Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel
Fünf Prozent voraus / Was Trump verbrochen hat, wieso Joe Kaeser so mutig ist, und woher wir wissen, weshalb die SPD bald am Ziel sein wird

Was wir absolut nicht leiden können, das ist, wenn jemand aus seiner Rolle fällt. Noch dazu, wenn es sich dabei um eine Rolle handelt, die wir ihm selbst zugewiesen haben. Genau das hat dieser Kerl aus dem Weißen Haus schon wieder getan.

Donald Trump, so hatten wir entschieden, ist der Finsterling, der die Welt an den Rand eines globalen Konflikts treibt mit seinen Provokationen. Entsprechend  brachen wir allwöchentlich mit Wonne den Stab über den US-Präsidenten.

Dann jedoch traf er sich mit dem nordkoreanischen Machthaber und entschärfte so einen Streit, der schon verdächtig nach Atompilz gerochen hatte. Viele Kommentatoren kamen da schon nicht mehr mit. Der Trump, den wir uns gemalt hatten, hätte Pjöngjang längst bombardiert. Hat er aber nicht, der Strolch.

Nun versöhnt er sich auch noch mit Putin. Nicht zu fassen. Ein „Verräter“ sei er, ja geradzu unterwürfig habe Trump sich dem Russen gegenüber verhalten, schimpfen ausgerechnet jene Kreise, denen es gar nicht kuschelig genug zugehen konnte, wenn westliche Führer einst auf die kommunistischen Kreml-Führer trafen.

Aber das macht nichts. Der Präsident entgeht seiner Verurteilung sowieso nicht, egal, was er tut oder lässt. Denn was sie wohl geschrieben hätten, wenn Trump und Putin sich über die Krim, die Ukraine, den Syrien-Konflikt oder den Iran so richtig in die Wolle gekriegt hätten in Helsinki? Ist doch klar: Trump habe durch sein „undiplomatisches Auftreten die Welt näher an den Rand eines globalen Konflikts gebracht und die Chance zum Dialog mit dem Kreml-Herrn vertan“. Zack!

Die US-Berichterstattung deutscher Medien bleibt also trotz dieser Wirrnisse verlässlich. Noch bevor Trump überhaupt den Mund aufgemacht hat, steht das Urteil über alles später Gesagte schon fest: entsetzlich, peinlich, gefährlich.

Diese Verlässlichkeit in den Kommentaren hinterlässt indes auch eine gewisse Müdigkeit beim Publikum. Nicht, dass wir Überraschungen lieben. Doch ein wenig Vielfalt, ab und zu mal eine geringfügige Abweichung von der immer gleichen Linie hätte schon etwas Erfrischendes. Aber so etwas muss sich der Journalist erst einmal leisten können. Wer aus dem Rudel ausschert, wäre seinen schicken Korrespondentenposten in Washington vermutlich schneller los, als er „Trump!“ sagen könnte.

Kritisch wird es für den Rudelgewöhnten, wenn ihn die Meute plötzlich im Stich lässt. Von solch einem Fiasko kann Siemens-Chef Joe Kaeser ein Lied singen. Im Mai hatte er auf eine islamkritische Rede von AfD-Fraktionschefin Alice Weidel getwittert: „Lieber Kopftuch-Mädel als Bund deutscher Mädel.“ 

Kaeser war auf sein Wortspiel mächtig stolz. Ein salopper Nazi-Vergleich mit zweimal „Mädel“! Darauf muss man erst mal kommen in einem Land, in dem Nazi-Vergleiche höchstens alle 15 Sekunden vorkommen.

Berauscht von seiner intellektuellen Glanzleistung ging der brillante Manager von Tür zu Tür, um andere Konzernchefs dazu zu bewegen, die Opposition gegen die Kanzlerin gemeinsam moralisch niederzumetzeln. Dann der Schock: Keiner machte mit. Andere Wirtschaftskapitäne hätten laut Kaeser abgewehrt aus Furcht, weniger Autos oder Schuhe zu verkaufen, wenn sie AfD-Anhänger verärgerten.

Dafür hat der Siemens-Chef sogar Verständnis. „Da habe ich bei Turbinen das Problem nicht so“, sprich: Siemens lebt nicht von Privat-, sondern von Großkunden. Ein solcher Großkunde ist die Regierung mit ihren steuerfinanzierten Aufträgen an den Münchener Giganten. Da kann man den Mut, mit welchem sich Kaeser auf die Seite seines Groß-Auftraggebers gestellt hat, nur ehrlich bewundern. Oder auch nicht.

Wir wollen nur hoffen, dass er nicht mit Zitronen gehandelt hat. Was, wenn die Regierungsmacht in andere Hände übergeht? Irgendetwas stimmt nicht mehr so recht mit der Windrichtung im Land, was es den Opportunisten zunehmend schwerer macht, ihren eifernden Rudelmut gefahrlos ins Fenster zu stellen. Der Bremer Politikwissenschaftler Philip Manow menetekelt in der „Zeit“, dass die Ära Merkel bereits vorbei sei, egal, wie lange sich die Regierungschefin formal noch im Amt halten könne. 

Grundlage des Systems Merkel sei nämlich die immer weitergehende „linkslibertäre Landnahme“ gewesen, so Manow. Soll heißen: die fortschreitende Linksverschiebung des politischen Spektrums. Das gehe seit dem Einzug der blauen Andersdenker in den Bundestag vergangenen September aber nicht mehr. Deshalb bleibe jetzt nur noch „Stillstand mit erhöhten Staatsausgaben“ vom System Merkel übrig. Das hört sich nach Ende auf Abruf an.

Doch der kann noch dauern, der Abruf. Manche tuscheln, mit  den Oktober-Wahlen in Bayern und Hessen könnte es vorbei sein für Merkel im Kanzleramt. Nach einer saftigen Klatsche am 14. jenes Monats werde die CSU verrücktspielen. Und wenn es zwei Wochen später für die CDU in Hessen ebenfalls in die Grütze geht, würde sogar Merkels Busenfreund Volker Bouffier rebellisch.

Ja – könnte, dürfte! Stimmt ja alles, wenn Zurücktreten nicht so furchtbar unmodern geworden wäre in unserem Land. Selbst Bundestrainer Joachim Löw klebt an seinem Amt – nach der kläglichsten Niederlage, die eine deutsche Nationalmannschaft jemals bei einer Fußball-WM hat einstecken müssen. Gruppenletzter in der Vorrunde, darunter gibt es nichts mehr. Doch „Jogi“ bleibt trotzdem.

Also lassen wir uns im Falle Merkels nicht täuschen von Wahrsagern, deren Weisheiten in Epochen gewachsen sind, als Versagen und Rücktritt noch zusammengehörten wie A und B. Und das selbst im Falle der sogenannten „politischen Verantwortung“, wenn der Betreffende für den Schlamassel persönlich gar nichts konnte, sondern nur zu seinem Pech vorne stand.

Zurücktreten wird Merkel kaum, es müsste sie jemand stürzen, eine Palastrevolution. Wer aber soll die anführen? Jens Spahn? Nicht albern werden!

Die SPD? Der Koalitions-Zombie hat genug damit zu tun, das eigene Klappergestell auf den dürren Beinen zu halten. Gelegentliches Auskeilen gegen die Union soll dabei bloß eine „Stärke“ und „Handlungsfähigkeit“ vortäuschen, die den Sozen sowieso keiner mehr abkauft.

Die hier neulich schon zitierte (weil an sich kluge) „Welt“-Journalistin Susanne Gaschke hat diesen Montag einen tiefen Einblick in die Wurzel der roten Misere eröffnet – tragischerweise vollkommen unfreiwillig. SPD-Mitglied Gaschke schwärmt in ihrem Kommentar davon, wie viele wunderbare, kluge, gebildete und gut situierte Menschen immer noch Sozialdemokraten seien oder sich sogar gerade jetzt ganz bewusst der SPD zuwendeten.

Kürzlich habe sie auf einem Seminar mit Bürgermeistern, Regionalplanern, Wirtschaftsvertretern und Wissenschaftlern zusammengesessen, von denen fast jeder zweite Sozi gewesen sei. Schon vor Jahren habe sie an einer Hotelbar Politik- und Wirtschaftsvertreter, Journalisten und Historiker getroffen, die sogar allesamt das SPD-Parteibuch besessen hätten. Das volljährige Kind des Chefs eines Präsidenten einer bekannten Bundesbehörde sei überdies gerade erst Juso geworden und ein Psychiater-Freund und Professor kürzlich der SPD beigetreten.

Journalisten, Wissenschaftler, Bestverdienersöhne oder leitendende Angehörige des staatlichen Planungsapparats – genau so sieht die soziale Mischung einer Partei aus, in der sich der „kleine Mann“ aus der vergessenen Arbeiterschaft unbegreiflicherweise nicht mehr zu Hause fühlt. Wie kommt das bloß? 

Was Gaschke in aufrichtiger Begeisterung beschreibt, ist das gesellschaftliche Fundament einer noblen Fünf-Prozent-Partei. Dank der Kollegin wissen wir nicht nur, wohin die Reise mit der SPD gehen wird, sondern auch, warum.