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27.07.18 / »Individueller Vorteil unabhängig vom Nutzungswillen« / Bundesverfassungsgericht sichert die Rundfunkzwangsabgabe, fordert aber Änderungen bei der Beitragserhebung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-18 vom 27. Juli 2018

»Individueller Vorteil unabhängig vom Nutzungswillen«
Bundesverfassungsgericht sichert die Rundfunkzwangsabgabe, fordert aber Änderungen bei der Beitragserhebung
Jan Heitmann

Die Rundfunkbeitragspflicht ist im Wesentlichen mit der Verfassung vereinbar. Mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar ist allerdings, dass auch für Zweitwohnungen ein Rundfunkbeitrag zu leisten ist.“ Das hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch vergangener Woche auf die Beschwerden dreier Bürger und des Mietwagenunternehmens Sixt hin entschieden.

Die grundsätzliche Erhebung von Zwangsbeiträgen beanstandeten sie dagegen nicht. Diese sei verfassungskonform, weil sich „diejenigen an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligen, die von ihr – potenziell – einen Nutzen haben“. Beim Rundfunkbeitrag liege dieser individuelle Vorteil in der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können. Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen komme es nicht an. Die Rundfunkbeitragspflicht dürfe im privaten Bereich an das Innehaben von Wohnungen anknüpfen, da Rundfunk typischerweise dort genutzt werde. Dem Rundfunkbeitrag stehe eine „äquivalente staatliche Leistung, nämlich ein umfangreiches, so auf dem freien Markt nicht erhältliches Angebot“ in Form von Vollprogrammen, Spartenprogrammen und Zusatzangeboten, einem Bildungsprogramm, zahlreichen Hörfunkprogrammen und Telemedienangeboten gegenüber. Inha- ber mehrerer Wohnungen dürften für die Möglichkeit privater Rundfunknutzung allerdings nicht mit insgesamt mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag belastet werden.

Im nicht privaten Bereich verstießen weder die Beitragspflicht für Betriebsstätten noch die Beitragspflicht für nicht zu ausschließlich privaten Zwecken genutzte Kraftfahrzeuge gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit, so das Gericht weiter. Die Möglichkeit des Rund- funkempfangs vermittele den Firmeninhabern einen Vorteil. Sie könnten sich aus dem Rundfunkangebot „Informationen für den Betrieb beschaffen sowie es zur Information oder Unterhaltung ihrer Beschäftigten und ihrer Kundschaft nutzen“. Ein zusätzlicher erwerbswirtschaftlicher Vorteil erwachse ihnen durch die Möglichkeit, Rundfunk in betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen zu empfangen. Bei Unternehmen, deren Aktivität vor allem in der Nutzung von Kraftfahrzeugen liege, werde „der Nutzungsvorteil zum Hauptvorteil“. Bei Mietwagen mit Radio liege der Vorteil „im preisbildenden Faktor der Empfangsmöglichkeit“, also einer höheren Miete.

Nach Ansicht des Verfassungsgerichts hätten die Gesetzgeber den bestehenden weiten Gestaltungsspiel- raum bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags auch nicht überschritten, da sie sich dabei an den Berechnungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten orientierten. Diese lässt den Rundfunkanstalten regelmäßig mehr Geld zukommen, sodass die Einnahmen durch die Rundfunkabgabe nach Berechnungen des Verbraucherportals „Warenvergleich.de“ seit 1995 rund 1,96 mal stärker gestiegen sind als die sonstigen Verbraucherpreise. Während die Verbraucherpreise nur um 35,78 Prozent zugenommen haben, wuchs der Rundfunkbeitrag im selben Zeitraum um 70,21 Prozent. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der sonstigen Verbraucherpreise lag bei 1,63 Prozent, die der Rundfunkbeiträge dagegen bei 3,19 Prozent. Würden sich die Rundfunkeinnahmen lediglich im Rahmen des allgemeinen Anstiegs der Verbraucher- preise bewegen, dürften sie derzeit nur bei rund 6,38 Milliarden Euro liegen. Tatsächlich sind es acht Milliarden, also 1,62 Milliarden Euro über diesem Wert.

In der jetzt verhandelten Sache hatte der Senat aus einer Vielzahl von Verfassungsbeschwerden vier Kläger ausgewählt, deren Fälle grundsätzliche Fragen aufwerfen. Nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts sind dort noch rund 140 Beschwerden gegen den Rundfunkbeitrag offen. Weitere rund 380 Klagen seien „durch Nichtannahme ohne Begründung“ erledigt. Bei anderen Gerichten sind laut „Beitragsservice“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten über 4000 weitere „rundfunkbeitragsrechtliche Verfahren“ anhängig.