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27.07.18 / Gemeinsam gegen den Notstand / »Konzertierte Aktion Pflege« der drei Bundesminister für Gesundheit, Arbeit und Familie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-18 vom 27. Juli 2018

Gemeinsam gegen den Notstand
»Konzertierte Aktion Pflege« der drei Bundesminister für Gesundheit, Arbeit und Familie
Peter Entinger

Die Bundesregierung hat für das kommende Jahr ein Maßnahmenpaket zur Beseitigung des Pflegenotstands angekündigt. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Familienministerin Franziska Giffey (SPD) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) haben hierfür die „Konzertierte Aktion Pflege“ ins Leben gerufen.

Deutschland hat im internationalen Vergleich eine alte Bevölkerung. Die Gruppe der über 60-Jährigen wächst kontinuierlich und mit ihr auch der Bedarf an Pflegepersonal. Nach der jüngsten Pflegestatistik waren 2015 knapp drei Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Die Bertelsmann-Stiftung sagte bereits im Jahr 2015 ein Fehlen von 100000 bis 200000 Pflegekräften voraus. Manche Statistik sei geschönt, weil Anbieter von Pflegediensten auch ungelernte Hilfskräfte einrechnen. 

Dass der Pflegenotstand in der Bundesrepublik sich mehr und mehr zu einem zentralen politischen Thema entwickelt, sieht auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier so und mahnt konkrete Schritte an. „Der aktuelle Zustand der Altenpflege bereitet Sorge“, sagte er. Pflege müsse „auf der politischen Agenda erste Priorität bekommen.“

Ein zentrales Problem ist der Personalmangel. Wegen ihm müss­ten Pflegekräfte mittlerweile morgens entscheiden, welche Abstriche sie bei ihren Patienten machen, kritisierte die Präsidentin der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein, Patrizia Drube, gegenüber dem Deutschlandfunk. 

Nach den Vorstellungen der Konzertierten Aktion sollen bis zu 13000 neue Stellen geschaffen werden. Neue Stellen nützen allerdings wenig, wenn es an Bewerbern mangelt. So sehen Experten ein viel größeres Problem nicht in der Schaffung, sondern in der Besetzung von Stellen. Es gehe darum, junge Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern, ihn für sie attraktiv zu machen. 

So klagt die Branche über massive Probleme, die freien Stellen zu besetzen. Die Folgen seien eine extreme Überlastung des Personals und ein hoher Krankenstand. Das wiederum macht den Beruf unattraktiv und erschwert es zusätzlich, Stellen zu besetzen – ein Teufelskreis.

Verbandssprecherin Drube formuliert es wie folgt: „Die schlechte Personalausstattung ist das, was auch den Pflegeberuf insbesondere unattraktiv macht, und von daher ist die Herausforderung, dass wir wirklich beides brauchen. Wir müssen einerseits eine bessere Personalbesetzung in den Einrichtungen haben, und parallel dazu brauchen wir ein ganzes Paket an Maßnahmen, was dazu beiträgt, dass der Pflegeberuf auch bei den Schulabgängern wettbewerbsfähig ist.“

Mehr Wettbewerbsfähigkeit des Berufs verspricht sich Spahn von einer „Tarifgebundenheit in allen Einrichtungen“. „80 Prozent der Altenpflege-Einrichtungen sind nicht tarifgebunden. Und das wollen wir ändern, indem wir regelhaft zu einer Tarifbezahlung kommen“, so der CDU-Politiker. Das sei rechtlich zwar schwierig, erklärte der Gesundheitsminister, betonte aber, „dass sich Anerkennung nicht nur in Worten ausdrückt. Es geht auch ums Geld.“ „Wir wollen mehr Menschen dazu bringen, diesen verantwortungsvollen Beruf zu ergreifen. Wir wollen Pflegekräfte ermuntern, in den Job zurückzukehren oder wieder Vollzeit darin zu arbeiten. Täglich leisten die Pflegekräfte in unserem Land Großartiges für unsere Gesellschaft. Dafür verdienen sie mehr Wertschätzung im Beruf, gute Arbeitsbedingungen und eine gerechte Bezahlung“, so Spahn.

Bereits vor zwei Jahren lag laut der Bundesagentur für Arbeit der zentrale Mittelwert (Median) des Gehalts für Fachkräfte in der Krankenpflege bei 3239 Euro, sprich die eine Hälfte verdiente mehr, die andere weniger. Doch nicht in der Hohe des Zentralwerts sehen Experten das Grundübel, sondern in den extremen Gehaltsunterschieden zwischen Kranken- und Pflegeberufen. Die Löhne in den Krankenhäusern sind aufgrund von Wochenend- und Nachtzuschlägen wesentlich höher als in den Seniorenheimen. Eine Vollzeit-Pflegekraft verdient derzeit durchschnittlich rund 2100 Euro brutto. Der Pflegeberuf gilt auch daher als extrem unattraktiv. 

Auf der Suche nach Personal sind in den vergangenen Jahren mehrere Anbieter dazu übergegangen, Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben. Kritiker wenden hiergegen ein, dass mangelnde Sprachkenntnisse eine würdige Pflege verhindern könnten. „Ältere Menschen, die oft alleine sind, haben ein Anrecht auf ein gutes Wort“, sagt beispielsweise der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zu einem Vorschlag Spahns, der für eine Anwerbung zusätzlicher ausländischer Pflegekräfte plädiert hatte. Es müsse vielmehr dafür gesorgt werden, „dass bestens qualifizierte Pflegekräfte, die wegen der schlechten Bedingungen und schlechten Bezahlung aus dem Beruf ausgestiegen sind, wieder zurückkommen“.