18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
27.07.18 / Vom Staat im Stich gelassen / Viele Sicherheitskräfte Frankreichs suchen den Freitod

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-18 vom 27. Juli 2018

Vom Staat im Stich gelassen
Viele Sicherheitskräfte Frankreichs suchen den Freitod
Eva-Maria Michels

Die französischen Sicherheitskräfte, das heißt Polizei und Gendarmerie, sind am Ende. Zu diesem alarmierenden Schluss kommt der Bericht des Senators François Grosdidier, Berichterstatter des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum „Zustand der inneren Sicherheit“. Sechs Monate lang tauchte das Mitglied der Partei „Les Républicains“ (LR, Die Republikaner) ins Innenleben von Polizei und Gendarmerie ein und kam zu dem Ergebnis, dass ein Teil der Sicherheitskräfte mit dem Staat entweder schon gebrochen hat oder aber dabei ist, es zu tun. 

Die Ursachen sind vielfältig, betreffen aber besonders die schlechte Ausrüstung der Sicherheitskräfte und fehlende Planstellen. Die Folgen des Personalmangels ist ein extremer Arbeitsrhythmus. Die Ordnungshüter können heute nur jedes vierte oder fünfte Wochenende mit ihren Familien verbringen und haben zusammen 22 Millionen Überstunden angesammelt, die sie sich weder auszahlen lassen noch als Urlaub abfeiern können. Ursächlich für die Überlastung ist der Kampf gegen den Terrorismus, der von den Sicherheitskräften einen erhöhten operativen Einsatz verlangt.

Vergangenes Jahr begingen 50 Polizisten und 40 Gendarme Selbstmord. Seit zehn Jahren liegt die Selbstmordrate bei den Sicherheitskräften 36 Prozent über dem nationalen Durchschnitt. 

Schuld daran ist ein allgemeiner moralischer Erschöpfungszustand, der einerseits auf das Klima von Gewalt durch Terrorgefahr, illegale Masseneinwanderung und soziale Spannungen zurückzuführen ist. Andererseits sind immer weniger Sicherheitskräfte vom Sinn ihrer Arbeit überzeugt. Sie haben das Gefühl, weder vom Staat oder ihren Vorgesetzten noch von den Medien oder der Öffentlichkeit anerkannt zu werden. Die Umständlichkeit und Langsamkeit der Justiz sowie die damit zusammenhängenden bürokratischen Arbeiten tun ein Übriges, die Moral der Sicherheitskräfte zu zersetzen. 

Zwar hat der Gesetzgeber Vereinfachungen beschlossen, doch lassen sich diese laut dem Bericht des Untersuchungsausschusses praktisch nicht umsetzen aufgrund fehlender technischer Ausrüstung. Die Ausstattung vieler Kommissariate ist nämlich nicht nur gebäudetechnisch, sondern auch im Bereich der Informatik und Sicherheit völlig veraltet. Bei den Dienstfahrzeugen der Sicherheitskräfte sieht es nicht besser aus.

Der Staat kümmert sich nicht einmal mehr um eine würdige Unterbringung der Polizisten und Gendarmen. Junge Polizisten mit einem Monatseinkommen von 1300 Euro werden aus der Provinz in den Großraum Paris versetzt und müssen in ihren Dienstwagen schlafen, da sie mit ihrem niedrigen Gehalt auf dem privaten Wohnungsmarkt nichts mieten können. Andere mieten zu fünft oder sechst eine 15 Quadratmeter große Unterkunft und schlafen in Schichten. Die wenigen Wohnungen, die der Staat für sie vorgesehen hat, sind nicht nutzbar, weil sie sich in einem desolaten Zustand befinden, geografisch zu weit vom Einsatzort entfernt sind oder aber in gefährlichen Problemvierteln liegen.

Die Gendarmen, die vom Status her Soldaten sind und den armeetypischen starken Kameradschaftsgeist haben, arrangieren sich im Großen und Ganzen besser mit der staatlichen Vernachlässigung als die organisatorisch atomisierten Polizisten.