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27.07.18 / Hedgefonds drängt auf Zerschlagung / Die Vorsitzenden von Vorstand und Aufsichtsrat haben bei ThyssenKrupp bereits das Feld geräumt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-18 vom 27. Juli 2018

Hedgefonds drängt auf Zerschlagung
Die Vorsitzenden von Vorstand und Aufsichtsrat haben bei ThyssenKrupp bereits das Feld geräumt
Norman Hanert

Nachdem bei ThyssenKrupp der Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger und der Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Lehner ihren Rücktritt erklärt haben, steckt der Konzern in einer Führungskrise. Der Kurs des Unternehmens könnte künftig von einem umstrittenen Investor bestimmt werden.

Unmittelbar nachdem der Aufsichtsratschef Ulrich Lehner seinen Rücktritt angekündigt hatte, machte die Aktie von ThyssenKrupp einen Kurssprung von gut zehn Prozent. Beflügelt wurde der Kurs offenbar von Anlegern, die auf eine Zerschlagung des Essener Konzerns spekulieren. Sowohl der bisherige Vorstandsvorsitzende Hiesinger als auch der zurückgetretene Aufsichtsratschef Lehner standen für die Linie, den Gesamtkonzern zu erhalten. 

Insbesondere der Hedgefonds Elliott, der an ThyssenKrupp seit Mai eine relativ kleine Beteiligung hält, drängt auf einen Kurswechsel. Auch der schwedische Investor Cevian hat den bisherigen Konzernchef Hiesinger schon länger stark kritisiert. Der Konzern ist nicht nur in der Stahlerzeugung aktiv, sondern auch im Rohstoffhandel, im Maschinen- und Anlagenbau sowie als Hersteller von Autoteilen, U-Booten und Aufzügen. Speziell die Aufzug-sparte gilt als eine Ertragsperle und könnte bei einem Verkauf Geld in die Kassen der Investoren spülen. 

Hinter dem Hedgefonds Elliot steht der US-Milliardär Paul Singer, der als sogenannter aktivistischer Investor gilt. Diese nutzen ihre Minderheitsanteile, um dem jeweiligen Unternehmen einen anderen Kurs aufzuzwingen. Häufig geht es dabei um den Verkauf von Unternehmensanteilen oder die Ausschüttung von Geldreserven an die Aktionäre. Typisch für diese Investoren ist es, dass sie auf einen informellen Einfluss setzen. In den letzten Jahren muss­ten sich unter anderem Nestlé und Eon mit aktivistischen Investoren auseinandersetzten.

Die Gefahr einer Zerschlagung von ThyssenKrupp hat inzwischen auch die Politik alarmiert. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kündigte an, er wolle eine aktivere Rolle in der Krise um den Industriekonzern übernehmen. Laschet sitzt im Kuratorium der Krupp-Stiftung, die am Konzern einen Anteil von 21 Prozent hält. Auch Sigmar Gabriel (SPD) hat vor einer Zerschlagung des Konzerns gewarnt. Gabriel sagte, bei ThyssenKrupp laufe ein „böses Spiel“. „Finanzinvestoren wie Elliott sind Gegner unserer Wirtschafts- und Sozialordnung“, so Gabriel gegen­über der „Westfälischen Rundschau“. Bereits im Jahr 2005 hatte der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering mit Blick auf das Agieren von Hedgefonds das Wort „Heuschreckenschwärme“ gebraucht. 

Die Äußerungen der beiden prominenten Sozialdemokraten sind nicht nur wegen der zugespitzten Wortwahl bemerkenswert. Es war eine SPD-geführte Bundesregierung, welche die Grundlagen dafür legte, dass 

Privat-Equity-Firmen und Hedgefonds auch in der deutschen Wirtschaft mittlerweile eine wichtige Rolle spielen können. Im Jahr 2001 führte die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder (SPD) die Steuerfreiheit von Gewinnen aus Anteilsveräußerungen an Kapitalgesellschaften ein. Der Schritt war ein wichtiger Faktor beim Ende der alten „Deutschland AG“, jenem Geflecht zwischen Banken und Versicherungen sowie deutschen Industrieunternehmen.

Mit dem Investmentmodernisierungsgesetz von 2003 machte Rot-Grün zudem den Weg für Hedgefonds frei. Gerade das Verschwinden der „Deutschland AG“ wurde als Modernisierungsschub angepriesen, allerdings sind auch die negativen Seiten der Entwicklung, etwa die auf schnellen Gewinn angelegte Zerschlagung von Firmen, nicht zu übersehen. 

Die Unternehmen in Deutschland gehen sehr unterschiedlich mit aktivistische Investoren um. Oftmals wird das Gefahrenpotenzial durch die Aktivisten unterschätzt. Die betroffenen Unternehmen agieren dann wie Getriebene und müssen sich dem Druck der Investoren beugen. Andere Unternehmen haben versucht, Unternehmensteile selbst frühzeitig abzuspalten. Siemens macht bereits seit 20 Jahren regelmäßig Tochterfirmen selbstständig. Der Münchener Konzern erzielt dabei einige Erfolge, musste, wie bei der abgespaltenen Mobiltelefonsparte, aber auch Verluste einstecken. 

Einen völlig anderen Weg zur Wahrung der Unabhängigkeit ist man bei Bosch gegangen. Auch das Unternehmen war in den 1920er Jahren zeitweise an der Börse notiert. Nach schlechten Erfahrungen an den Finanzmärkten fand Robert Bosch eine Lösung, die weltweit als einzigartig gilt. Als GmbH gehört das Unternehmen zu großen Teilen einer Stiftung, der keine Stimmrechte eingeräumt wurden. Die Machtzentrale des Unternehmens ist die Robert Bosch Industrietreuhand KG, die lediglich 0,01 Prozent der Anteile am Unternehmen hält. Zweck der Minibeteiligung ist es, finanzielle Eigeninteressen der zehn Treuhand-Gesellschafter auszuschließen. 

Das Konzept hat sich als erfolgreich erwiesen, Bosch gilt als einziger großer Konzern weltweit, der weder Übernahmeversuche noch die Macht von Aktionären oder von aktivistischen Investoren fürchten muss.