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27.07.18 / Gebranntes Kind / Weimarer Stadtschloss wird wegen Sanierung fünf Jahre geschlossen – Vor 400 Jahren brach hier ein verheerendes Feuer aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-18 vom 27. Juli 2018

Gebranntes Kind
Weimarer Stadtschloss wird wegen Sanierung fünf Jahre geschlossen – Vor 400 Jahren brach hier ein verheerendes Feuer aus
H. Tews/M. Stolzenau

1299, 1424, 1618 und 1774: Viermal in seiner Geschichte wütete im Weimarer Stadtschloss beziehungsweise seinem Vorläufer, der mittelalterlichen Burg der Feuerteufel. Nach dem dritten Brand vor 400 Jahren erhielt der Bau sein heutiges Aussehen.

Seit diesem Monat ist das Weimarer Stadtschloss vollständig für Museumsbesucher geschlossen. Bis zum Jahr 2023 wird der ge­samte Komplex für 40 Millionen Euro saniert. Zukünftig soll das Schloss und nicht das Goethehaus am Frauenplan das Zentrum der Weimarer Museumslandschaft bilden. Dann dürfte auch im Schloss wieder mehr los sei.

Da sich bislang alles auf die Weimarer Dichterstätten konzentrierte, sah es im Schloss bislang so aus: Wenn nicht gerade eine Busladung an Touristen durch die Räume irrte, herrschte im Mu­seumsteil des Schlosses gähnende Leere. Manchmal übte ein Solist an den alten, dort ausgestellten Tasteninstrumenten für ein Konzert. Begleitet von den sanften Tönen eines Clavichords oder Cembalos, die aus dem fernen Saal ertönten, konnte der einsame Besucher in Ruhe durch die langen Gänge schlendern und ungestört die kostbaren Dürer-, Cranach- oder Tischbein-Gemälde betrachten. Ungestört? Plötzlich heulte ein schriller Ton auf. Feueralarm. Die Museumswärter leiteten die Handvoll Besucher unaufgeregt über die endlosen Gänge zurück zum Ausgang, wo sich nach wenigen Minuten alle im Schlosshof versammelten.

Draußen stand bereits alles voll mit Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr. Nach dem verheerenden Brand in der in Sichtweite gelegenen Herzogin-Anna-Amalia-Bib­liothek im Jahr 2004 reagieren die Rettungskräfte der Stadt Weimar sofort auf die geringste Witterung der Feuermelder, die in jedem Raum der zum UNESCO-Welterbe zählenden Bauten des „Klassischen Weimar“ angebracht sind. 

Das Stadtschloss ist im wahrsten Sinne ein „gebranntes Kind“. Bekannt ist, dass an der Stelle des Schlosses schon in fränkischer Zeit ein befestigter Adelssitz existierte, Ende des 10. Jahrhunderts erstmals eine Burg be­stand und der wehrhafte Bau in den Folgejahrhunderten mehrfach umgebaut und nach Bränden in den Jahren 1299 und 1424 er­neuert wurde. 

Mitte des 16. Jahrhunderts er­folgte dann unter der Regie des bekannten Baumeisters Nicol Gromann die Umgestaltung der Burganlage in ein Renaissanceschloss. Dann kam der 2. August 1618. Ein Jahr zuvor war im Rahmen der Trauerfeierlichkeiten für die verstorbene Herzogin im Schloss die Fruchtbringende Gesellschaft, die erste deutsche Sprachgesellschaft, gegründet worden. 

Die herzogliche Familie hatte wohl im Trend der Zeit eine Neigung zur Alchemie, der Vorläuferin der Chemie, deren Vertreter vorgaben, Metalle in Gold zu verwandeln, entwickelt. Mehr noch: Die Familie nahm einen solchen „Goldmacher“ in ihre Dienste, der im Schloss eine Werkstatt bekam. Mit Folgen. Statt Gold zu produzieren, verursachte der Alchemist bei seinen Experimenten durch Unachtsamkeit einen Großbrand. Die meisten Schlossgebäude brannten ab. Nur der heute als Bastille bezeichnete Turm blieb stehen. 

Die herzogliche Familie musste für die Folgezeit in das Rote Schloss als Ersatzquartier ausweichen. Parallel begann die Suche nach einem Baumeister, der schnellstens für einen repräsentativen Neubau sorgen sollte. Die Wahl fiel auf Giovanni Bonalino, der beim Bamberger Bischof un­ter Vertrag stand und dort schon für beachtliche Bauten ge­sorgt hatte. Herzog Johann Ernst d. J. von Sachsen-Weimar und Eisenach lieh den gefragten Baumeister mit einem lukrativen Angebot aus. So konnte Bonalino schon kurz nach dem 2. August 1618 seine Arbeit in Weimar beginnen.

Er entstammte einer Baumeisterfamilie aus Roveredo in Graubünden, die über mehrere Generationen Baufachleute hervorbrachte, die teilweise in Deutschland wirkten. Giovanni Bonalino, der in manchen Quellen auch als Johannes Bonalino erscheint, ist ab 1614 in Franken nachgewiesen. Er schuf mit seinem Bruder Giacomo 1614/15 die Pfarrkirche im oberfränkischen Reundorf und wurde 1617 in Scheßlitz in der Fränkischen Schweiz ansässig. Im benachbarten Bamberg machte Bonalino in Diensten des kunstsinnigen Fürstbischofs Karriere. Seine frühbarocken Architekturvorstellungen in Anlehnung an Bauten in Norditalien gefielen. Sein Ruf drang bis nach Weimar zur herzoglichen Familie 

Bonalino kam, inspizierte den Brandort und entwickelte seine Vorschläge für den Schlossneubau unter Ausnutzung der alten Grundmauern. Man einigte sich noch 1618 auf eine repräsentative dreigeschossige Vierflügelanlage um einen rechteckigen Innenhof, die Bonalino in der Folge mit seinen Bauzeichnungen bis ins Detail vorbereitete. Nach Ab­schluss der Vorbereitungen be­gannen 1619 die Bauarbeiten. Doch parallel zur Schlosserneuerung in Weimar breitete sich der 1618 ausgebrochene Dreißigjährige Krieg mit allen damit verbundenen Unwägbarkeiten über Deutschland aus. Mit Folgen auch für den Bau der Vierflügelanlage.

Der Weiterbau wurde zunächst gegen den Willen Bonalinos 1623 auf Eis gelegt. Der nun beschäftigungslose Baumeister kehrte un­ter Zurücklassung seiner Baupläne nach Bamberg zurück, wo er als fürstbischöflicher Hofarchitekt neue Projekte übernahm. Das reichte von Aus- und Umbauten und dem Chorbau der Stiftskirche St. Stephan in Bamberg über zahlreiche Landkirchen im Umland von Bamberg bis zur zeitweiligen Ausleihe an den Herzog Johann Casimir von Sachsen-Cobung-Gotha, für den er den Ausbau der Ehrenburg in Coburg mit den Altanen an der Ostseite des Schlosses, einem Etagenvorbau, vornahm. Bonalino war gut ausgelastet, als er 1633 in Scheßlitz starb. 

Sein Weimarer Projekt lag indes bis 1651 auf Eis. Dann ergriff Herzog Wilhelm IV. die Initiative. Er beauftragte Johann Moritz Richter unter Zugrundelegung der Baupläne von Bonalino mit der Bauausführung. Der einheimische Baumeister modifizierte die Pläne jedoch, vollendete eine nach Süden hin geöffnete Dreiflügelanlage, behielt aber das Fassadenschema, die Formen der Pilaster und die Fensterumrahmungen Bonalinos bei. Dieser Bau hieß dann „Wilhelmsburg“, wurde für die frühbarocke Schlossbaukunst Thüringens richtungsweisend und fiel 1774 weitgehend einem erneuten Brand zum Opfer. 

Erst nach 1789 begann unter einer Schlossbaukommission un­ter Mitwirkung Goethes, der auswärtige klassizistische Architekten wie Johann August Arens, Fried­rich Thouret und Heinrich Gentz vermittelte, die Vorbereitung für den Schlossneubau unter „Beibehaltung der noch vorhandenen Umfassungswände und der auf Bonalino zurückgehenden Fassadengliederung. 

1803 bezog die herzogliche Familie, die zuvor im Fürstenhaus residiert hatte, das Schloss. Damit gründet das seither erhaltene und später als Vierflügelbau im Sinne Bonalinos erweiterte Weimarer Schloss weitgehend auf Bonalinos Vorstellungen, der damit bis in die heutige Zeit nachwirkt und auch die mit der aktuellen Sanierung befassten Baufachleute beschäftigt. 

Eines ist (brand-)sicher: Die Sanierung wird mit modernen Brandschutzmaßnahmen dafür sorgen, dass im Schloss so schnell nicht wieder ein Feuer wütet. Für die Besucher, die vor der Sanierung den Feueralarm erlebten, wurde im Schlosshof nach einer halben Stunde Entwarnung gegeben: Diesmal war es nur ein Fehlalarm.