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27.07.18 / Gomorrha: Feuersturm über Hamburg / »Moral Bombing« sollte den Lebenswillen der Bevölkerung brechen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-18 vom 27. Juli 2018

Gomorrha: Feuersturm über Hamburg
»Moral Bombing« sollte den Lebenswillen der Bevölkerung brechen
Klaus J. Groth

Den Feuersturm über Hamburg benannten britische und US-amerikanische Militärs so alttestamentarisch wie bildungsbürgerlich „Operation Gomorrha“. Bei Luftangriffen vom 24. Juli bis zum 3. August 1943 kamen nach heutigen Schätzungen 34000 Menschen ums Leben, 125000 erlitten schwere Verletzungen. Die Opfer erstick­ten, atmeten giftige Gase, sie verbrannten oder wurden verbrüht, Detonationen zerrissen ihre Lungen.

Wiederholt hatten die Sowjets ihre Verbündeten aufgefordert, eine zweite Front zu eröffnen. Doch die Briten und US-Amerikaner zögerten, sie fürchteten zu große Verluste für die Bodentruppen. Zum Ausgleich boten sie verstärkte Luftangriffe auf deutsche Städte an. „Wir bomben Deutschland, eine Stadt nach der anderen“, hatte der britische Luftmarschall Arthur Harris 1942 gedroht. Er entsprach damit der Linie des britischen Luftfahrtministeriums. 

Zu dem Zeitpunkt war die deutsche Luftwaffe noch angewiesen, ausschließlich militärische strategische Ziele zu bombardieren. Für Harris gehörte die Bombardierung reiner Wohnviertel zur Strategie. Er wollte den Lebenswillen der Zivilbevölkerung brechen. Das erprobte er erstmals über Lübeck. 234 Bomber legten im März 1942 die Stadt in Schutt und Asche. Es folgten Rostock und im Mai 1942 der erste „1000-Bomber-Schlag“ auf Köln. Als die Bomben im Juli 1943 auf Hamburg fielen, setzten die Royal Air Force (RAF) und die 8. US-Luftflotte 2200 Maschinen ein. Sie lösten ein nicht gekanntes Inferno aus.

Den ersten Angriff flogen 791 Bomber der RAF in der Nacht vom 24. zum 25. Juli 1943. Es war der Auftakt zu fünf nächtlichen Angriffen der RAF und zwei Angriffen bei Tag durch die United States Army Air Forces (USAAF). Beim ersten Angriff wurden Zielmarkierungen mehrfach falsch gesetzt. Dadurch wurden 2300 Tonnen Bomben über einem relativ großen Gebiet abgeworfen. In der Innenstadt, Hoheluft, Eimsbüttel und Altona entstanden großen Flächenbrände. Die Angriffe folgten der über Lübeck erprobten Strategie. Die größte Wirkung ließ sich durch eine Mischung aus Luftminen mit Spreng-, Phosphor- und Stabbrandbomben erreichen. Die ersten Abwürfe bestanden aus Luftminen und Sprengbomben. Die gewaltige Sprengkraft der Luftminen zerstörte ganze Häuserblocks. Die Engländer bezeichneten sie als „Blockbuster“. Die Sprengbomben sollten unterirdische Versorgungsleitungen für Wasser und Gas ausschalten. Damit wollte man den Einsatz der Feuerwehr unmöglich machen. Die Phosphor- und Stabbrandbomben setzten die durch Blockbuster freigelegten Dachböden und Treppenhäuser in Brand. Um die Feuerwehr am Einsatz zu hindern, wurde ein zweiter Angriff geflogen. Bei den Alliierten bürgerte sich der Begriff „Hamburgisierung“ ein.

Starker Rauch als Folge der Angriffe in der Nacht zuvor behinderte die Sicht, als am Nachmittag des 25. Juli US-amerikanische Bomber den nächsten Angriff starteten. Der galt dem Hamburger Hafen. Zwar wurden etliche Schiffe versenkt und einige Raffinerien beschädigt, aber viele Ziele nicht gefunden. 15 Bomber gingen verloren. Eine der Bombergruppen lud nach erfolglosem Einsatz ihre tödliche Fracht über dem Städtchen Heide in Dithmarschen ab. Am darauffolgenden Tag war der Hafen abermals das Ziel der US-Bomber.

Den zweiten großen Angriff flog die RAF mit 739 Bombern in der Nacht vom 27. zum 28. Juli. Dies war der Angriff, der den Feuersturm auslöste, in dem 30000 Men­schen ums Leben kamen. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet, die Tage waren heiß. Das Thermometer kletterte auf 32 Grad. Diese Wetterlage löste den Feuersturm aus. Von den beginnenden Bränden stiegen sehr heiße Brandgase auf, die durch kühlere Luftmassen bis in 7000 Meter Höhe gelangten. Dadurch entstand ein Kamineffekt, der die Luft am Boden in Hammerbrook und Rothenburgsort zum Orkan anfachte. Diese Stadtteile sowie Borgfelde wurden nahezu vollständig zerstört. Der Feuersturm riss Menschen in die Brände, brennende Balken flogen durch die Luft, der Funkenflug wirbelte wie Schneegestöber durch die Straßen. Als der Feuersturm sich am Morgen legte, stand eine Rauchwolke bis in sieben Kilometer Höhe. In derselben Nacht wurden auch die Stadteile Hamm, Eilbek, Hohenfelde, Barmbek und Wandsbek angegriffen und zu großen Teilen zerstört. Der dritte große Angriff mit 726 Bombern der RAF galt den Stadtteilen Barmbek, Uhlenhorst und Winterhude. Wieder waren ausgedehnte Flächenbrände die Folge. Den letzten Angriff der „Operation Gomorrha“ flog die RAF mit 740 Bombern in der Nacht von 2. zum 3. August. In der Nacht tobte ein schweres Gewitter über Hamburg. Das nahm den Bombern die Möglichkeit, genauer zu zielen. In der Innenstadt verursachten die Bomben mehrere Großfeuer. Jeder dieser Angriffe hatte ein ausgesuchtes Gebiet der Stadt zum Ziel. Orientierungsmarke war stets der Turm der Nikolaikirche, den man später als Mahnmal stehenließ.

Die Bilanz der Zerstörung zeigt das Kriegsziel des „Moral Bombing“. Als die Bomber verschwanden, waren 277330 Wohnungen, 580 Industriebetriebe, 2631 gewerbliche Unternehmen, 24 Kran­kenhäuser, 277 Schulen und 58 Kirchen zerstört. Dagegen stehen lediglich 80 Anlagen der Wehrmacht, welche die Bomben trafen. 

Ins Gedächtnis der Stadt eingebrannt haben sich die Toten der Bombennächte. Ein großer Teil von ihnen erstickte in den Schutzkellern. Giftige Gase, verursacht durch die Brände, drangen in die Keller ein. Viele Opfer wurden nach den Angriffen wie schlafend gefunden. Sie waren an Rauchgasvergiftung gestorben. Andere erlitten einen Hitzschlag, ausgelöst durch brennende Trümmer. Die ungeheure Hitze ließ Wasserleitungen bersten, die Opfer ertranken oder wurden verbrüht. In anderen Fällen brachen die Decken unter der Last der Trümmer ein und begruben die Menschen unter sich. 

Doch trotz der großen Opferzahl, der Plan der Alliierten, die Industrie zu zerstören und die Moral der Bevölkerung zu brechen, ging nicht auf. Bereits Ende August 1943 war ein großer Teil der evakuierten Hamburger zurück in der Stadt, am Ende des Jahres hatte die Rüstungsproduktion wieder 80 Prozent erreicht.